1958 war ein Gletschersee im bhutanischen Himalaja, sein Gletschertor die Quelle des Flusses Mo-Chhu, mit schmetterndem Getöse geborsten; ein gigantischer Eisbrocken eines darüber liegenden Gletschers war in den See gestürzt , hatte das eisige Wasser gegen die Endmoräne, den natürlichen Damm des Sees, geschleudert, diesen ohne Widerstand zerfetzt. Eine gewaltige Flut stürzte sich durch die Schluchten, die der Mo-Chhu zu seinem Flussbett gewählt hatte. Sie riss alles mit sich, was sie erfassen, was nicht fliehen konnte; Tausende von Bäumen, wilde Bergschafe, Gämsen, Hirsche, Bären; Rinder der Bergbauern, etliche unglückliche Menschen. Im sich verbreiternden Tal von Punakha verlor die Flut nur etwas von ihrer tosenden Gewalt; sie hatte noch genügend Kraft, die uralte Kragbrücke vom kleinen Ort zum majestätischen Dzong von Punakha spielerisch wegzufegen. Die Wucht der Bugwelle, verstärkt durch die Rammböcke der mitgerissenen Baumtrümmer, zerschlug einen der beiden, etliche hundert Tonnen schweren Brückentürme; der 10 m hohen Uferböschung, wo der Turm gestanden hatte, entriss sie gleich noch Tausende Tonnen Erdreich, verbreiterte den Fluss um über 20 Meter. Den Brückenturm auf dem Ufer des Dzongs verschonte sie; zersplitterte Brückenbalken kragten wie anklagende Finger aus seinem Fundament über die tosende braune Flut. Dzongs sind die für Bhutan so typischen, mächtigen Klosterburgen; zumeist im 17. Jahrhundert erbaut, leben und wirken in ihren mächtigen Mauern die weltliche und die kirchliche Macht eines Distrikts Bhutans bis heute unter einem Dach; früher der regionale Fürst, jetzt der Distrikt-Gouverneur, sowie in einem separaten Teil, dem Kloster mit vielen Tempeln, ein hochrangiger Abt mit seinen Mönchen. Der Dzong von Punakha ist die wichtigste und heiligste Klosterburg des Landes: weil er vom Reichsgründer Bhutans, Shabdrung Nawang Namgyel selbst 1637 als sein Stammsitz erbaut wurde, und wo er heute einbalsamiert als 'lebende Gottheit' verehrt wird, weil er die Winterresidenz Seiner Heiligkeit, des Je Kempo, des obersten Kirchenfürsten Bhutans mit über 500 Mönchen ist, und ... weil in diesem Dzong alle Könige Bhutans gekrönt wurden und werden. Dieser Dzong wurde im Laufe der letzten 20 Jahre, nach einem verheerenden Brand in 1984, hervorragend renoviert. Jetzt fehlt zur Wiederherstellung seines annähernden Originalzustandes noch die Kragbrücke in klassischer Architektur. Die Brücke selbst ist von herausragender kulturell-religiöser Bedeutung, als sie für den feierlichen Einzug S.H. des Je Kempo mit seinen über 500 Mönchen und für die prächtigen Prozessionen bei den vielen religiösen Festen im Laufe des Jahres quasi zu den rituellen Instrumenten der Klosterburg gehört. Seit 1968 musste man bis heute darauf verzichten. Die katastrophale Flutwelle von 1968 hatte den Dzong vom Ort Punakha abgeschnitten; er war nur vom 15 km flussabwärts entfernten Wangdiphodrang zu erreichen. Eine Stahlkabel-Hängebrücke, wie die alte Holzbrücke nur für Menschen und Haustiere geeignet, wurde als Ersatz errichtet. Das hässliche Provisorium, das die Schönheit des Dzong beleidigte, überdauerte fast 40 Jahre; bis sie dem Bau der neuen "Pro Bhutan"- Brücke in 2007 weichen musste. Noch1999 glaubte niemand in Bhutan, dass bei der enormen Verbreiterung des Flussbettes jemals wieder eine klassische Holz-Kragbrücke in bhutanisch traditioneller Architektur dem heiligen Dzong seine Würde wiedergeben würde. Doch der damalige Premierminister, Lyonpo Sangay Ngedup, ein erfrischender und dynamischer Optimist, ergriff in 2000 die Initiative. Als Gesundheits- und Erziehungsminister hatte er mit "Pro Bhutan e.V.", Lörrach, beste Erfahrung gemacht. Dieser gemeinnützige deutsche Verein hatte, als Geschenk für Bhutan, bereits das Krankenhaus und die Ausbildungsstätte für technisch-medizinisches Personal, beide in Punakha, schlüsselfertig erbaut. Und zwar im Erscheinungsbild treffend in traditioneller bhutanischer Architektur, natürlich mit unauffälligen modernen Anpassungen. Der Premierminister bat den Präsidenten von "Pro Bhutan", Rechtsanwalt Dr. Werner Haring, der gerade in Bhutan weilte, um den Wiederaufbau der Krag-Brücke von Punakha, natürlich in authentischer Architektur. So als ob das die einfachste Sache der Welt wäre. Und die Brücke sollte auch von "Pro Bhutan" finanziert werden. Bevor "Pro Bhutan" der herausfordernden Aufgabe ernsthaft nähertreten konnte, galt es zunächst, die Bauweise eines traditionellen "bazaam" (so der bhutanische Ausdruck für eine überdachte Holz-Kragbrücke ) zu studieren; vor allem eines "bazaam" mit einer so grossen freien Spannweite. Denn diese musste 55 Meter gegenüber der Originalbrücke mit 35 Metern betragen. Der Architekt und Projekt-Koordinator von "Pro Bhutan" in Bhutan, Fritz Baumgartner, betrieb langwierige und schwierige Recherchen. Zwar gibt es in Bhutan noch etliche alte Kragbrücken, doch keine in der erforderlichen Dimension. Schriftliche Dokumente wie Baupläne früherer Brücken waren nicht aufzutreiben; lediglich alte Fotografien einiger früherer Kragbrücken. Der "bazaam" mit der früher grössten freien Spannweite war der von Wangdiphodrang; er bestand aus 2 Teilen mit einem Mittelpfeiler auf einem Felsen. Auch diese Brücke wurde 1968 von der selben Flutwelle wie der Punakha "bazaam" weggerissen. Nach Erschöpfung aller Recherchenmöglichkeiten konnte Baumgartner endlich einen detaillierten Entwurf des "bazaam" erstellen; sein Sohn Daniel baute ein 1 : 100 Modell, der für die Verhandlungen über das Projekt sehr hilfreich war. Bald war klar, dass ohne Hilfe einer erfahrenen Fachfirma die technische Planung der künftigen Brücke von Punakha nicht zu verantworten wäre. An die Sicherheit der künftigen Brückenbenutzer waren höchste Ansprüche zu stellen. Die schweizerische WALT+GALMARINI AG - Dipl. Bauingenieure ETH SIA USIC, erklärte sich grosszügig bereit, ihre ganz spezifischen Erfahrungen im Brückenbau für die statischen und ingenieurmässigen Planungen und Berechnungen kostenlos einzubringen. Die Züricher Firma ist spezialisiert u.a. auf integrale Planung von weitgespannten Tragwerken wie u.a. im Brückenbau in Stahl, Stahlbeton, Spannbeton und vor allem auch Holz. Nach dem ersten erfolgreichen "fund raising" in Deutschland diskutierte Botschafter a.D. Harald N. Nestroy (damals Botschafter in Namibia), Geschäftsführer von "Pro Bhutan e.V.", wiederholt mit S.M. dem König von Bhutan und der bhutanischen Regierung das Projekt. Diese waren begeistert von dem Entwurf für die Kragbrücke. Doch bestand die Regierung darauf, dass diese ganz in traditioneller Architektur erbaut und deshalb kein Stahl verwendet würde. Um der Verantwortung von "Pro Bhutan " gerecht zu werden, musste Nestroy in dieser vitalen Frage auf Konzessionen bestehen. Denn "Pro Bhutan" würde die Brücke in eigener Regie schlüsselfertig bauen. Im Interesse der Sicherheit der Menschen, die künftig den "bazaam" überschreiten würden, gab es bei der übermässigen Spannweite der Brücke keine andere Wahl: der (praktisch unsichtbare) Einbau von Stahlteilen zur Stabilisierung der jeweils 21m aus den beiden Türmen ausragenden Kragträger war unerlässlich. Denn im Extremfall würden sich auf der Brücke bei einer Breite von 3.30 m und Länge von 55 m = 167m2 x 3 Menschen pro m2 bei dichtem Gedränge bis zu unglaublichen 500 Menschen gleichzeitig auf der Brücke befinden können. Und solche Gedränge sind anlässlich einer der vielen religiösen Prozessionen zur Klosterburg durchaus zu erwarten; oder beim Einzug S.H. des Je Kempo in seine Winterresidenz allein mit über 500 Mönchen, vielen anderen Würdenträgern und Gläubigen. Nestroy und Baumgartner konnten die Regierung in langwierigen Verhandlungen, die sich bis 2004 hinzogen, von der von GALMARINI erarbeiteten einzig gangbaren Lösung überzeugen. Endlich konnte Nestroy für "Pro Bhutan" das entsprechende Projekt-Abkommen mit dem zuständigen Innen- und Kulturminister Lyonpo Jigmi Thinley am 26. November 2004 in Thimphu unterzeichnen. Die Punakha Kragbrücke wird bzgl. der freien Spannweite von 55 Metern in der angewandten Bauweise die Brücke mit der grössten Spannweite weltweit sein; sie ist quasi einen Prototyp einer Hybridkonstruktion aus traditioneller und sehr innovativer moderner Mischbauweise. Die von GALMARINI dafür entwickelte Technologie wird eine Weltpremiere erleben. Nach Ausschreibungen und Auftragsvergabe begann "Pro Bhutan"-Architekt und Bauleiter Fritz Baumgartner Mitte 2006 mit den konkreten Arbeiten. Dabei war die Suche nach den geeigneten 165 Bäumen (Chir Pine, eine Kiefernart) eine ganz grosse Herausforderung; es wurden allein 20 Balken von 25 Metern Länge, also Bäume von bis zu 40 Metern benötigt. "Pro Bhutan" -Baustellenleiter Padam Chuwan und Forstbeamte fanden sie schliesslich nach langer Suche in zumeist sehr steilem, unzugänglichem Gelände in verschiedenen Waldgegenden bis zu 30 Km entfernt von Punakha. Der Transport der bis zu 2 to schweren roh zugehauenen Balken war überaus schwierig. Viele der längsten Balken mussten von bis zu 50 Waldarbeitern von der Einschlagstelle Hunderte Höhenmeter mühsamst und unter Leib- und Lebensgefahr per Hand "abgeseilt" werden; zu einem Fluss zum Flössen oder zur nächstgelegen Schotterstrasse; etliche Balken überstanden das nicht, zerbrachen. Die im Bergland Bhutan üblichen kleinen Lastwagen konnten jeweils nur einen der tonnenschweren Rohbalken transportieren, der weit über die Länge des Lasters hinausragte. Haarnadelkurven oder rechtwinklige Brückenzufahrten der engen Gebirgsstrassen erzwangen oft Abladen, Handtransport, Beladen per Hand; Verletzungen, auch schwere, der Arbeiter blieben auch hier bedauerlicherweise nicht aus. Auf der Baustelle übernahmen bhutanische Zimmerleute die inzwischen getrockneten Rohbalken zur Bearbeitung; nur der Grobzuschnitt erfolgte mit der Motorsäge, jegliche Feinarbeit mit Handwerkzeug. Mit gleichbleibender Sorgfalt gestalteten diese stets fröhlichen Zimmerleute die Kragbalken, fügten sie die 4 massiven Tore der beiden Brückentürme zusammen, erstellten sie die Dachbalken des "bazaam", schnitzten sie die Segmente der 2 x 55 Meter Geländer. Diese Zimmerleute verstehen ihr traditionelles Handwerk, waren sie doch schon bei der erst 2007 abgeschlossenen Renovierung des Punakha Dzongs dabei. Besonders wichtig war, einen zuverlässigen Kolkschutz der Fundamente der Brückentürme auf beiden Ufern zu gewährleisten: denn in Zukunft sind grössere Flutwellen aus Gletscherseen infolge der globalen Klimaerwärmung nicht auszuschliessen; Dzong und "bazaam" liegen im "roten Bereich" der Gefahr von sogenannten. GLOFs (Glacial Lake Outburst Floods, also Fluten durch Gletschersee-Ausbrüche). Dafür wurden zum Schutz des Fundaments auf der Baustelle 20 3,5 m lange und 8 to schwere Betonrohre vorfabriziert und direkt ins fliessende Wasser des Flussbetts senkrecht gestellt, mit Kies ausgefüllt; diese halbrunde Mauer dient gleichzeitig als Auflage für die Fundamentplatte des neuen Brückenturms. 600 sognannten "Toskanes" , jeweils 700 kg schwer, wurden gegossen und vor dieser Wehrmauer aus Betonrohren ins Flussbett versenkt. Hunderte von grossen Naturfelsbrocken, jeder zwischen 500 und 1000 kg, wurden bis über den Hochwasserspiegel hinaus auf den "Toskanes" abgelegt; sie vervollständigen den Kolkschutz und verdecken die Köpfe der Betonrohre. Begriffe: Das Fällen der Bäume an den unwegsamen Berghängen und besonders der so schwierige Transport der Rohbalken zu Baustelle sowie die inzwischen in Bhutan drastisch gestiegenen Baupreise stellen eine grosse Belastung des Budgets für dieses Projekt dar. Das Auswärtige Amt, Berlin, hat mit einem finanziellen Beitrag aus Mitteln "Kulturerhalt" die grosszügigen privaten Sonder-Spenden für dieses einmalige kulturelle Projekt ergänzt, der etwa 10% der Kosten ausmacht. Für die Abschlussfinanzierung benötigt "Pro Bhutan e.V." jedoch noch Spenden. Der
neue Premierminister von Bhutan, Jigmi Y Thinley, hat zusammen mit Botschafter
Nestroy am Der Premier Minister würdigte die Leistung von "Pro Bhutan" u.a. so: nach dem Verlust der originalen Brücke vor einem halben Jahrhundert war die Klosterburg von Punkaha wie ein Mensch, dem ein Arm oder ein Bein amputiert wurde; mit der neuen Brücke in traditioneller Architektur hat der heilige Dzong seine Majestät, seine Harmonie und seine Spiritualität wieder zurück erhalten. Für die deutsch-bhutanischen Beziehungen war diese Einweihung das weitaus spektakulärste Ereignis, die Brücke der sichtbarste und in Bhutan höchst geschätzte Ausdruck. Der Weg für die im Dzong von Punakha anstehende Krönung des neuen Königs von Bhutan, Seine Majestät Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, steht nun frei.
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