Entwicklungszusammenarbeit
in Bhutan
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Bhutan
- Entwicklung im ländlichen Raum
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Bhutan:
Projekt von Pro Bhutan (Deutschland) |
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Die
mittelalterliche Krag-Brücke von Punakha im Königreich Bhutan |
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von
"Pro Bhutan e.V.", Lörrach (Deutschland)
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Niemand
in Bhutan oder in der Welt hätte 1968 geglaubt, dass der heilige Dzong von Punakha jemals wieder seine
hölzerne überdachte Kragbrücke im Stil des 17. Jahrhundert zurückerhalten würde; und damit seine atemberaubende Schönheit,
die auf der Kraft, Anmut und baulichen Harmonie dieser für Bhutan,
seine Geschichte, seine Spiritualität so bedeutsamen Klosterburg beruht. |
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1958 war ein Gletschersee im bhutanischen Himalaja, sein Gletschertor
die Quelle des Flusses Mo-Chhu, mit schmetterndem Getöse geborsten;
ein gigantischer Eisbrocken eines darüber liegenden Gletschers war
in den See gestürzt , hatte das eisige Wasser gegen die Endmoräne,
den natürlichen Damm des Sees, geschleudert, diesen ohne Widerstand
zerfetzt. Eine gewaltige Flut stürzte sich durch die Schluchten, die
der Mo-Chhu zu seinem Flussbett gewählt hatte. Sie riss
alles mit sich, was sie erfassen, was nicht fliehen konnte; Tausende von
Bäumen, wilde Bergschafe, Gämsen, Hirsche, Bären;
Rinder der Bergbauern, etliche unglückliche Menschen.
Im
sich verbreiternden Tal von Punakha verlor die Flut nur etwas von
ihrer tosenden Gewalt; sie hatte noch genügend Kraft, die uralte Kragbrücke
vom kleinen Ort zum majestätischen Dzong von Punakha spielerisch
wegzufegen. Die Wucht der Bugwelle, verstärkt durch die Rammböcke
der mitgerissenen Baumtrümmer, zerschlug einen der beiden, etliche
hundert Tonnen schweren Brückentürme; der 10 m hohen Uferböschung,
wo der Turm gestanden hatte, entriss sie gleich noch Tausende Tonnen Erdreich,
verbreiterte den Fluss um über 20 Meter. Den Brückenturm auf
dem Ufer des Dzongs verschonte sie; zersplitterte Brückenbalken kragten
wie anklagende Finger aus seinem Fundament über die tosende braune
Flut.
Dzongs sind die für Bhutan so typischen, mächtigen Klosterburgen; zumeist
im 17. Jahrhundert erbaut, leben und wirken in ihren mächtigen Mauern
die weltliche und die kirchliche Macht eines Distrikts Bhutans bis heute
unter einem Dach; früher der regionale Fürst, jetzt der Distrikt-Gouverneur,
sowie in einem separaten Teil, dem Kloster mit vielen Tempeln, ein hochrangiger
Abt mit seinen Mönchen.
Der
Dzong von Punakha ist die wichtigste und heiligste Klosterburg des Landes:
weil er vom Reichsgründer Bhutans, Shabdrung Nawang Namgyel selbst 1637 als sein Stammsitz erbaut wurde, und wo er heute einbalsamiert als 'lebende
Gottheit' verehrt wird,
weil er die Winterresidenz Seiner Heiligkeit, des Je Kempo, des
obersten Kirchenfürsten Bhutans mit über 500 Mönchen ist,
und ...
weil in diesem Dzong alle Könige Bhutans gekrönt wurden und werden.
Dieser Dzong wurde im Laufe der letzten 20 Jahre, nach einem verheerenden
Brand in 1984,
hervorragend renoviert. Jetzt fehlt zur Wiederherstellung seines annähernden
Originalzustandes noch die Kragbrücke in klassischer Architektur.
Die Brücke selbst ist von herausragender kulturell-religiöser
Bedeutung, als sie für den feierlichen Einzug S.H. des Je Kempo
mit seinen über 500 Mönchen und für die prächtigen
Prozessionen bei den vielen religiösen Festen im Laufe des Jahres
quasi zu den rituellen Instrumenten der Klosterburg gehört. Seit 1968 musste man bis heute darauf verzichten.
Die katastrophale
Flutwelle von 1968 hatte den Dzong vom Ort Punakha abgeschnitten; er war nur vom 15 km flussabwärts
entfernten Wangdiphodrang zu erreichen. Eine Stahlkabel-Hängebrücke,
wie die alte Holzbrücke nur für Menschen und Haustiere geeignet,
wurde als Ersatz errichtet. Das hässliche Provisorium, das die Schönheit
des Dzong beleidigte, überdauerte fast 40 Jahre; bis sie dem Bau der
neuen "Pro Bhutan"- Brücke in 2007 weichen musste.
Noch1999 glaubte
niemand in Bhutan, dass bei der enormen Verbreiterung des Flussbettes jemals
wieder eine klassische Holz-Kragbrücke in bhutanisch traditioneller
Architektur dem heiligen Dzong seine Würde wiedergeben würde.
Doch der damalige Premierminister, Lyonpo Sangay Ngedup, ein erfrischender
und dynamischer Optimist, ergriff in 2000 die
Initiative. Als Gesundheits- und Erziehungsminister hatte er mit "Pro
Bhutan e.V.", Lörrach, beste Erfahrung gemacht. Dieser gemeinnützige
deutsche Verein hatte, als Geschenk für Bhutan, bereits das Krankenhaus
und die Ausbildungsstätte für technisch-medizinisches Personal,
beide in Punakha, schlüsselfertig erbaut. Und zwar im Erscheinungsbild
treffend in traditioneller bhutanischer Architektur, natürlich
mit unauffälligen modernen Anpassungen. Der Premierminister
bat den Präsidenten von "Pro Bhutan", Rechtsanwalt Dr. Werner Haring,
der gerade in Bhutan weilte, um den Wiederaufbau der Krag-Brücke
von Punakha, natürlich in authentischer Architektur. So als ob
das die einfachste Sache der Welt wäre. Und die Brücke sollte
auch von "Pro Bhutan" finanziert werden.
Bevor "Pro Bhutan" der herausfordernden Aufgabe ernsthaft nähertreten
konnte, galt es zunächst, die Bauweise eines traditionellen "bazaam" (so der bhutanische Ausdruck für eine überdachte Holz-Kragbrücke ) zu studieren; vor allem eines "bazaam" mit einer so grossen freien Spannweite.
Denn diese musste 55 Meter gegenüber der Originalbrücke mit 35
Metern betragen. Der Architekt und Projekt-Koordinator von "Pro Bhutan"
in Bhutan, Fritz Baumgartner, betrieb langwierige und schwierige
Recherchen.
Zwar
gibt es in Bhutan noch etliche alte Kragbrücken, doch keine in der
erforderlichen Dimension. Schriftliche Dokumente wie Baupläne früherer
Brücken waren nicht aufzutreiben; lediglich alte Fotografien einiger
früherer Kragbrücken. Der "bazaam" mit der früher
grössten freien Spannweite war der von Wangdiphodrang; er bestand
aus 2 Teilen mit einem Mittelpfeiler auf einem Felsen. Auch diese Brücke
wurde 1968 von der selben Flutwelle wie der Punakha "bazaam" weggerissen.
Nach
Erschöpfung aller Recherchenmöglichkeiten konnte Baumgartner
endlich einen detaillierten Entwurf des "bazaam" erstellen; sein Sohn Daniel
baute ein 1 : 100 Modell, der für die Verhandlungen über
das Projekt sehr hilfreich war.
Bald
war klar, dass ohne Hilfe einer erfahrenen Fachfirma die technische Planung
der künftigen Brücke von Punakha nicht zu verantworten wäre.
An die Sicherheit der künftigen Brückenbenutzer waren höchste
Ansprüche zu stellen.
Die schweizerische
WALT+GALMARINI AG - Dipl. Bauingenieure ETH SIA USIC, erklärte
sich grosszügig bereit, ihre ganz spezifischen Erfahrungen im
Brückenbau für die statischen und ingenieurmässigen Planungen
und Berechnungen kostenlos einzubringen. Die Züricher Firma ist spezialisiert
u.a. auf integrale Planung von weitgespannten Tragwerken wie u.a. im Brückenbau
in Stahl, Stahlbeton, Spannbeton und vor allem auch Holz.
Nach dem ersten erfolgreichen "fund raising" in Deutschland diskutierte Botschafter a.D. Harald N. Nestroy (damals Botschafter in Namibia),
Geschäftsführer von "Pro Bhutan e.V.",
wiederholt mit S.M. dem König von Bhutan und der bhutanischen Regierung
das Projekt. Diese waren begeistert von dem Entwurf für die Kragbrücke.
Doch bestand die Regierung darauf, dass diese ganz in traditioneller Architektur
erbaut und deshalb kein Stahl verwendet würde.
Um
der Verantwortung von "Pro Bhutan " gerecht zu werden, musste Nestroy in
dieser vitalen Frage auf Konzessionen bestehen. Denn "Pro Bhutan" würde
die Brücke in eigener Regie schlüsselfertig bauen. Im Interesse
der Sicherheit der Menschen, die künftig den "bazaam" überschreiten würden, gab es bei der übermässigen Spannweite
der Brücke keine andere Wahl: der (praktisch unsichtbare) Einbau von
Stahlteilen zur Stabilisierung der jeweils 21m aus den beiden Türmen
ausragenden Kragträger war unerlässlich.
Denn
im Extremfall würden sich auf der Brücke bei einer Breite von
3.30 m und Länge von 55 m = 167m2 x 3 Menschen pro m2 bei dichtem
Gedränge bis zu unglaublichen 500 Menschen gleichzeitig auf der Brücke
befinden können. Und solche Gedränge sind anlässlich
einer der vielen religiösen Prozessionen zur Klosterburg durchaus
zu erwarten; oder beim Einzug S.H. des Je Kempo in seine Winterresidenz allein mit über 500 Mönchen, vielen anderen Würdenträgern
und Gläubigen.
Nestroy und Baumgartner konnten die Regierung in langwierigen Verhandlungen,
die sich bis 2004 hinzogen, von der von GALMARINI erarbeiteten einzig gangbaren Lösung
überzeugen. Endlich konnte Nestroy für "Pro Bhutan" das entsprechende
Projekt-Abkommen mit dem zuständigen Innen- und Kulturminister
Lyonpo Jigmi Thinley am 26. November
2004 in Thimphu unterzeichnen.
Die Punakha Kragbrücke wird bzgl.
der freien Spannweite von 55 Metern in der angewandten Bauweise die
Brücke mit der grössten Spannweite weltweit sein;
sie ist quasi einen Prototyp einer Hybridkonstruktion aus traditioneller
und sehr innovativer moderner Mischbauweise. Die von GALMARINI dafür
entwickelte Technologie wird eine Weltpremiere erleben.
Nach Ausschreibungen und Auftragsvergabe begann "Pro Bhutan"-Architekt
und Bauleiter Fritz Baumgartner Mitte 2006 mit den konkreten Arbeiten.
Dabei
war die Suche nach den geeigneten 165 Bäumen (Chir Pine, eine Kiefernart)
eine ganz grosse Herausforderung; es wurden allein 20 Balken von 25 Metern
Länge, also Bäume von bis zu 40 Metern benötigt. "Pro
Bhutan" -Baustellenleiter Padam Chuwan und Forstbeamte fanden sie schliesslich
nach langer Suche in zumeist sehr steilem, unzugänglichem Gelände
in verschiedenen Waldgegenden bis zu 30 Km entfernt von Punakha. Der Transport
der bis zu 2 to schweren roh zugehauenen Balken war überaus schwierig.
Viele der längsten Balken mussten von bis zu 50 Waldarbeitern von
der Einschlagstelle Hunderte Höhenmeter mühsamst und unter Leib-
und Lebensgefahr per Hand "abgeseilt" werden; zu einem Fluss zum Flössen
oder zur nächstgelegen Schotterstrasse; etliche Balken überstanden
das nicht, zerbrachen. Die im Bergland Bhutan üblichen kleinen Lastwagen
konnten jeweils nur einen der tonnenschweren Rohbalken transportieren,
der weit über die Länge des Lasters hinausragte. Haarnadelkurven
oder rechtwinklige Brückenzufahrten der engen Gebirgsstrassen erzwangen
oft Abladen, Handtransport, Beladen per Hand; Verletzungen, auch schwere,
der Arbeiter blieben auch hier bedauerlicherweise nicht aus.
Auf
der Baustelle übernahmen bhutanische Zimmerleute die inzwischen
getrockneten Rohbalken zur Bearbeitung; nur der Grobzuschnitt erfolgte
mit der Motorsäge, jegliche Feinarbeit mit Handwerkzeug. Mit gleichbleibender
Sorgfalt gestalteten diese stets fröhlichen Zimmerleute die Kragbalken,
fügten sie die 4 massiven Tore der beiden Brückentürme zusammen,
erstellten sie die Dachbalken des "bazaam", schnitzten sie die Segmente
der 2 x 55 Meter Geländer. Diese Zimmerleute verstehen ihr traditionelles
Handwerk, waren sie doch schon bei der erst 2007 abgeschlossenen
Renovierung des Punakha Dzongs dabei.
Besonders wichtig war, einen zuverlässigen Kolkschutz der Fundamente
der Brückentürme auf beiden Ufern zu gewährleisten:
denn in Zukunft sind grössere Flutwellen aus Gletscherseen infolge der globalen Klimaerwärmung nicht auszuschliessen; Dzong und
"bazaam" liegen im "roten Bereich" der Gefahr von sogenannten. GLOFs (Glacial
Lake Outburst Floods, also Fluten durch Gletschersee-Ausbrüche). Dafür
wurden zum Schutz des Fundaments auf der Baustelle 20 3,5 m lange und 8
to schwere Betonrohre vorfabriziert und direkt ins fliessende Wasser
des Flussbetts senkrecht gestellt, mit Kies ausgefüllt; diese halbrunde
Mauer dient gleichzeitig als Auflage für die Fundamentplatte des neuen
Brückenturms. 600 sognannten "Toskanes" , jeweils 700 kg schwer,
wurden gegossen und vor dieser Wehrmauer aus Betonrohren ins Flussbett
versenkt. Hunderte von grossen Naturfelsbrocken, jeder zwischen 500 und
1000 kg, wurden bis über den Hochwasserspiegel hinaus auf den "Toskanes"
abgelegt; sie vervollständigen den Kolkschutz und verdecken die Köpfe
der Betonrohre.
Begriffe:
Kolkschutz: Schutz gegen Auswaschung der Uferböschung durch Strömung des
Flusses
Toskanes: 500 kg schwere Doppel-T-förmige Betonklötze, die - ins Wasser
versenkt - sich gegenseitig verhaken.
Das Fällen der Bäume an den unwegsamen Berghängen und besonders
der so schwierige Transport der Rohbalken zu Baustelle sowie die inzwischen
in Bhutan drastisch gestiegenen Baupreise stellen eine grosse Belastung
des Budgets für dieses Projekt dar. Das Auswärtige Amt, Berlin,
hat mit einem finanziellen Beitrag aus Mitteln "Kulturerhalt" die grosszügigen
privaten Sonder-Spenden für dieses einmalige kulturelle Projekt ergänzt,
der etwa 10% der Kosten ausmacht. Für die Abschlussfinanzierung benötigt
"Pro Bhutan e.V." jedoch noch Spenden.
Der
neue Premierminister von Bhutan, Jigmi Y Thinley, hat zusammen mit Botschafter
Nestroy am
10.
Mai 2008, dem von den Mönch-Astrologen ausgeschauten "Glück verheissenden
Tag" eingeweiht. Der bhutanische Aussenminister,
der Innenminister und der Minister für öffentliche Arbeiten,
höchstrangige Lamas, hohe Beamte, Diplomaten, auch zwei Vertretern
der deutschen Botschaft New Delhi und viele Hunderte Mönche und Bhutaner
der Umgebung haben teilgenommen. Die Zeremonie war mit den religiösen
und profanen Maskentänzen, mit den ihre traditionelle Kleidung und
Schwert tragenden Würdenträgern "asiatisches Mittelalter pur".
Der
Premier Minister würdigte die Leistung von "Pro Bhutan"
u.a. so: nach dem Verlust der originalen Brücke vor einem halben Jahrhundert
war die Klosterburg von Punkaha wie ein Mensch, dem ein Arm oder ein Bein
amputiert wurde; mit der neuen Brücke in traditioneller Architektur
hat der heilige Dzong seine Majestät, seine Harmonie und seine Spiritualität
wieder zurück erhalten.
Für
die deutsch-bhutanischen Beziehungen war diese Einweihung das weitaus spektakulärste
Ereignis, die Brücke der sichtbarste und in Bhutan höchst geschätzte
Ausdruck.
Der
Weg für die im Dzong von Punakha anstehende Krönung des neuen
Königs von Bhutan, Seine Majestät Jigme Khesar Namgyel Wangchuck,
steht nun frei.
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Quelle:
"Pro Bhutan e.V.", Lörrach (Deutschland), Mai 2008 |
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Punakha
Dzong: Brücke über den Mo Chhu |
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Weiterführende
Informationen
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