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Vermischung von Orang-Utan-Unterarten |
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Weil ihre Lebensräume zunehmend zerstört werden, gelangen weltweit immer mehr vom Aussterben bedrohte Tierarten in Pflege- und Auffangstationen. Oberstes Ziel ist oft die Auswilderung und Integration der Tiere in frei lebende Populationen. In einer neuen Studie warnen Graham L. Banes und Linda Vigilant vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig davor, dass es dabei unter Umständen zu einer ungewollten Einschleppung von nicht einheimischen Unterarten kommen kann.
Mithilfe von DNA-Analysen bewerteten die Forscher vergangene Auswilderungen in den Tanjung Puting Nationalpark in Indonesien und stellten fest: Orang-Utans einer nicht einheimischen und genetisch verschiedenen Unterart wurden unwissentlich in den Nationalpark entlassen und haben sich mit frei lebenden Populationen vermischt. Bereits vor etwa 176'000 Jahren trennten sich die evolutionären Wege beider Unterarten, die sich in den letzten 80'000 Jahren auch stark voneinander differenziert haben. Die Vermischung könnte negative Auswirkungen auf die Überlebensfähigkeit der ohnehin schon bedrohten Populationen haben.
Als Biruté Galdikas und Rod Brindamour ihre wegweisenden Orang-Utan-Schutzbemühungen in Camp Leakey im Tanjung Puting Nationalpark in Zentral-Kalimantan begannen, galten alle Orang-Utans als eine einzige Art. Mehr als 14 Jahre lang, von 1971 bis 1985, entliessen sie mindestens 90 verwaiste und verschleppte Menschenaffen in frei lebende einheimische Populationen.
Fortschritte in der Morphologie und Genetik haben seitdem ergeben, dass es zwei Orang-Utan-Arten gibt: Eine lebt auf der Insel Borneo, die andere auf Sumatra. Der Borneo Orang-Utan wird in drei verschiedene, geografisch und fortpflanzungstechnisch isolierte Unterarten unterteilt, deren letzter gemeinsamer Vorfahr während des Pleistozäns lebte. Diese Unterarten haben sich seitdem massgeblich auseinander entwickelt.
Vermischung im Nationalpark
Mithilfe von DNA-Analysen und den Camp Leakey-Forschungsdaten aus 44 Jahren recherchierten Banes und Vigilant gemeinsam mit Galdikas, wie viele Tiere einer nicht einheimischen Unterart seinerzeit in den Nationalpark entlassen wurden.
Sie fanden heraus, dass zwei Weibchen, Rani und Siswoyo, die Galdikas aus dem Haustier-Handel befreit hatte, ursprünglich in West Kalimantan oder Sarawak eingefangen wurden, also der nicht einheimischen Unterart Pongo pygmaeus pygmaeus angehörten. Seit ihrer Entlassung in den Tanjung Puting Nationalpark haben die beiden sich mit zahlreichen Männchen der lokalen Unterart Pongo pygmaeus wurmbii gepaart und bis heute wenigstens 22 hybride Nachfahren produziert. Diese haben ein "Gen-Cocktail" geerbt, der unter normalen Umständen in freier Wildbahn nicht vorkommen würde. |
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Tiere miteinander zu kreuzen, die zwei genetisch verschiedenen Populationen angehören, kann zur so genannten "Hybrid-Vitalität" führen, wenn sich die individuellen Eigenschaften beider Elternteile für die Nachkommen als vorteilhaft erweisen. Das könnte erklären, warum Rani eine aussergewöhnlich grosse Familie - mit wenigstens 14 Nachkommen über drei Generationen - gründen konnte. Obwohl zwei davon im Kindesalter starben, scheinen die restlichen noch am Leben zu sein und benötigten scheinbar auch kein tierärztliches Einschreiten. "Bei einigen Arten sind die Nachkommen von Eltern zweier genetisch unterschiedlicher Populationen, die sich seit beträchtlicher Zeit nicht miteinander fortgepflanzt haben, häufig krank und haben einen geringen Fortpflanzungserfolg", sagt Vigilant.
Tatsächlich hatte Siswoyo, ganz im Gegensatz zu Rani, weniger überlebende und gesunde Nachkommen als jedes andere Weibchen am Standort - fünf in der ersten und drei in der zweiten Generation - was auf eine so genannte "Auskreuzungs-Depression" zurückzuführen sein könnte. Zwei ihrer Nachkommen starben im Kindesalter. Siswoyo selbst starb zehn Tage nach Geburt ihres letzten Kindes. Ihre einzige Tochter, Siswi, brachte drei Kinder zur Welt: eine Totgeburt, eine Tochter, die im Kindesalter starb und einen Sohn, der häufig krank war. Siswi selbst musste ebenfalls oft tierärztlich behandelt werden und wurde wegen eines Darmdurchbruchs auch operiert.
Auswilderung nur nach Gen-Test
"Es gibt keine definitiven Belege für eine Hybrid-Vitalität oder Auskreuzungs-Depression bei den Borneo Orang-Utans", sagt Banes. "Aber unsere Ergebnisse reichen aus, um ernsthaft Alarm zu schlagen." Mehr als 1'500 verwaiste und verschleppte Orang-Utans warten derzeit in Auffangstationen auf Borneo und Sumatra auf ihre baldige Auswilderung. Denn diese haben eine von der indonesischen Regierung vorgegebene Frist versäumt, alle dort lebenden Orang-Utans bis Ende 2015 auszuwildern. Da immer mehr verschleppte Orang-Utans aufgenommen werden, es aber immer weniger für die Auswilderung geeignete Lebensräume gibt, werden Vorschläge diskutiert, beide Unterarten des Borneo Orang-Utans miteinander zu kreuzen - entweder in isolierten, "gemischten" Populationen oder sogar in bestehenden frei lebenden Populationen.
Banes und Vigilant setzen sich vehement dafür ein, dass jeder Auswilderung verschleppter Tiere gemäss den vorgegebenen internationalen Richtlinien Gentests vorausgehen müssen. Während ihre Ergebnisse und Empfehlungen auf eine breite Vielfalt vom Aussterben bedrohter Säugetiere zutreffen, ist es Banes besonders wichtig, dass die Unterarten des Borneo Orang-Utans getrennt voneinander gehalten werden. "Sie sehen einander zwar relativ ähnlich, aber diese Orang-Utans hatten seit Zehntausenden von Jahren keinen gemeinsamen Vorfahren. Es kann sein, dass eine Vermischung sich nicht nachteilig auswirkt. Aber falls doch? Um ihnen kurzfristig zu helfen, würden wir dann möglicherweise die Überlebensfähigkeit einer Wildtierpopulation beeinträchtigen - und das liesse sich nicht wieder rückgängig machen."
Originalpublikation
Graham L. Banes, Biruté M. F. Galdikas and Linda Vigilant
Reintroduction of confiscated and displaced mammals risks outbreeding and introgression in natural populations, as evidenced by orang-utans of divergent subspecies.
Scientific Reports, 25 February 2016, DOI: 10.1038/srep22026
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Quelle: Text Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie , Februar 2016 |
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