Die Abholzung im Amazonas hat im vergangenen Jahr deutlich angezogen. Wie die brasilianische Regierung bekanntgab, nahm die Entwaldung des grössten Regenwaldgebiets der Erde von August 2014 bis Juli 2015 um 16 Prozent zu. Insgesamt 5'831 Quadratkilometer wurden gerodet, der Grossteil davon illegal. Der WWF macht die Regierung für die Entwicklung mitverantwortlich: "Die Politik hat die Hand mit an der Säge", kritisiert Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland. "Das Aufweichen starker Schutzgesetze und Amnestien für illegale Entwaldung senden ein ermunterndes Signal an alle kriminellen Abholzer."
Die brasilianische Regierung hatte angekündigt, die illegale Entwaldung im Amazonas bis 2030 zu stoppen. Dieses Ziel sei deutlich zu schwach, aber mit der gegenwärtigen Politik sei selbst das nicht zu erreichen. Um der Entwicklung Herr zu werden fordert der WWF die Ausweitung von Schutzgebieten und eine abschreckende Bestrafung für illegale Abholzung. Staatliche Schutzgebiete und indigene Territorien seien das effektivste Werkzeug gegen Entwaldung. Wie die aktuellen Zahlen zeigten habe die Regierung die Lage hier weitgehend unter Kontrolle. Anders sehe es in nicht geschützten Arealen aus. Auch hier sei die Rodung ohne Erlaubnis nicht gestattet, die Behörden seien mit der Kontrolle jedoch offensichtlich überfordert. Derzeit wehe der Wind in Brasilien jedoch in eine andere Richtung: Mit einer Verfassungsänderung (PEC 215) und einem neuen Bergbaugesetz könnten Schutzgebiete aufgelöst werden, wenn es kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen dient. Die Verfassungsänderung hat bereits die erste Lesung im Parlament passiert. "Wenn die Pläne der Agrarlobby nicht gestoppt werden, ist der Amazonas zu grossen Teilen verloren", warnt Maldonado.
Regenwaldschutz funktioniert wie Tempokontrollen Forscher unter Federführung der Uni Bonn evaluieren, wie effektiv in Brasilien Abholzverbote durchgesetzt werden. Die Vernichtung des brasilianischen Regenwaldes hat sich deutlich verlangsamt: Mit rund 5'000 Quadratkilometern jährlich beträgt der Verlust "nur" noch rund ein Sechstel im Vergleich zum Jahr 2004. Ein internationales Forscherteam unter Federführung des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn hat evaluiert, welche Schutzmassnahmen besonders effizient sind. In den Bundesstaaten der brasilianischen Amazonasregion, die bei der Strafverfolgung besonders effektiv sind, ist eine deutlich geringere Entwaldung zu verzeichnen als anderswo. Die Ergebnisse werden nun im Fachjournal "PLOS ONE" vorgestellt. Lange war die Abholzung des Amazonas-Urwaldes in Brasilien in den Schlagzeilen der internationalen Presse. Die Regierung des Landes hat daraufhin erheblich in den Schutz der auch für Artenvielfalt und Erdklima wichtigen Regenwälder investiert. "Seit Jahren ist ein deutlicher Rückgang bei der Abholzung zu verzeichnen", sagt Robert-Bosch-Juniorprofessor Dr. Jan Börner vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Fielen nach der amtlichen Statistik Brasiliens im Jahr 2004 noch 27'772 Quadratkilometer der Wälder vorwiegend landwirtschaftlicher Nutzung zum Opfer, war die Abholzung 2012 bereits auf 4'656 Quadratkilometer zurückgegangen. Abschreckung durch hohe Strafen und häufige Kontrollen Die Regenwaldvernichtung wird insbesondere von grossen Viehzüchtern und Farmern, aber auch Kleinbauern vorangetrieben.Neue Strassen begünstigen Holzentnahme und Rodung. Prof. Börner untersuchte mit einem internationalen Forscherteam der Universität Freiburg, der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Institut für Angewandte Ökonomie (IPEA) in Brasilien rund 15'000 über das Amazonasbecken verteilte Gesetzesverstösse um zu messen, wie effektiv die Durchsetzung des Regenwaldschutzes war. "Mit dem Schutz vor Abholzung verhält es sich im Prinzip genauso wie mit Geschwindigkeits-beschränkungen im Strassenverkehr: Je höher die Strafen und je häufiger die Kontrollen, desto grösser ist das Abschreckungspotenzial", erläutert Börner. Seit einigen Jahren ist die Polizei für die Überwachung des Amazonasregenwaldes mit GPS-Geräten ausgestattet. Verstösse gegen das Abholzverbot können deshalb genau geortet werden. Das Wissenschaftlerteam nutzte nun die Daten der Regierung, um zu messen, wie effektiv in den verschiedenen Regionen die Umsetzung der Schutzbestrebungen ist: Wo wurde wieviel Regenwald abgeholzt und wie viele Strafen wurden verhängt? Mit statistischen Methoden prüften die Forscher, ob die einzelnen Kontrollpunkte hinsichtlich dieser Fragestellung tatsächlich miteinander vergleichbar sind. "Schliesslich gibt es viele Gründe, warum eine Abholzung unterbleibt: Sind es Sanktionen oder haben Bauern aus wirtschaftlichen Gründen weniger Waldfläche in die Landwirtschaft integriert?", erläutert der Juniorprofessor. Der effektive Schutz des Regenwaldes hängt nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler vor allem davon ab, wie präsent die Polizei vor Ort ist, wie konsequent bestraft wird und wie gut die Strafverfolgungsbehörden bei der Ahndung von Verstössen zusammenarbeiten. Demnach setzen die Behörden in den brasilianischen Bundesstaaten Mato Grosso und Pará die Schutzbestrebungen besonders effektiv um. "Die Staatsanwaltschaft in diesen Staaten hat den Druck stark erhöht: Sie führt schwarze Listen über Agrarbetriebe, die gegen die Schutzbestimmungen verstossen", berichtet der ZEF-Wissenschaftler. "Zum Beispiel Grosshändler dürfen dann bei diesen Betrieben keine Waren mehr abnehmen." Satellitensystem offenbart illegale Abholzungen Ausserdem sei es wichtig, dass die Strafe der Tat auf den Fuss folgt. Brasilien hat deshalb ein effektives Satellitenüberwachungssystem aufgebaut, mit dem sich illegale Abholzungen nachweisen lassen. Durch die verbesserte Infrastruktur im Amazonasbecken können solche Verstösse binnen Tagen verfolgt und geahndet werden. Prof. Börner: "Die verschiedenen brasilianischen Behörden ziehen an einem Strang. Das ist für den Tropenwaldschutz von entscheidender Bedeutung." Unter anderem auch in Afrika und Asien schwinden die Regenwälder. "Brasilien zeigt, wie man mit Investitionen in Satellitensysteme und einer konsequenten Verfolgung von illegaler Abholzung zum Schutz der international wichtigen Regenwälder beitragen kann", fasst der Forscher der Universität Bonn zusammen. Eine vielversprechende Strategie sei darüber hinaus, die Bauern für die Vermeidung von Abholzungen zu belohnen. Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass diese finanziellen Anreize tatsächlich vor allem dem Regenwaldschutz zugute kämen. Publikation: Post-crackdown effectiveness of field-based forest law enforcement in the Brazilian Amazon, Fachjournal "PLOS ONE", Internet: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0121544
WWF: Neue Wasserkraftwerke im Amazonasbecken geplant Bislang war der Regenwald in Südamerika vor allem durch illegale Holzfäller, der Umwandlung von Regenwald in Weideland und gigantische Sojaplantagen gefährdet. Nun droht eine neue Gefahr: 250 neue Wasserkraftwerke sollen in der Region gebaut werden, warnt der WWF in einem Bericht. Sollten die Pläne verwirklicht werden, blieben nach Angaben der Umweltschützer lediglich drei frei fliessende Zubringerflüsse des Amazonas übrig. Die Bauvorhaben gefährdeten nicht nur das gesamte Flusssystem mit seiner grossen Bedeutung für die lokale Bevölkerung, sondern auch die wichtige Rolle des Amazonas für das Weltklima. Der WWF hebt in dem Bericht die besondere Bedeutung der Verbindungen zwischen dem Leben im Wasser und an Land hervor. Würden diese durch massive Eingriffe gestört, könne der Wald seine Rolle als Wasser-, Nahrungs- und Energielieferant nicht länger gewährleisten. "Wasserkraft kann eine nachhaltige Technologie sein. Aber wenn ein riesiges Ökosysteme durch ihren Bau zerstört wird, ist das nicht nachhaltig", warnt Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland. Stattdessen fordert der WWF einen integrierten Ansatz für das gesamte Einzugsgebiet des Amazonas, um die Funktion des Ökosystems sicherzustellen und seine fortschreitende Fragmentierung zu verhindern. Ebenso müssten die Rechte der indigenen Völker und der lokalen Gemeinden gewahrt bleiben. Im Amazonasgebiet leben mehr als 30 Millionen Menschen, darunter mehr als zwei Millionen mit indigener Zugehörigkeit. Als Beispiel beschreibt der Report das Flusseinzugsgebiet Tabajós im Entwaldungsgürtel des brasilianischen Amazonas. In dem rund eine halbe Million Quadratkilometer grossen Gebiet wird allein der Bau von 44 Mittel- und Grosswasserkraftwerke anvisiert. Acht Kraftwerke wurden bereits beschlossen, sie sollen im Jahr 2023 ans Netz gehen. Die meisten dieser neuen Kraftwerke bedrohten die indigenen Territorien. Ganze Ökosysteme würden überflutet werden. Gleichzeitig führten Dämme zu einer Veränderung der Fliessgeschwindigkeit der Flüsse. Die Eingriffe hätten auch negative Auswirkungen auf die lokale Fischerei, da die natürlichen Wanderwege der Fische abgeschnitten würden. Das Amazonasgebiet ist eine der wichtigsten Öko-Regionen der Erde. Es beherbergt den grössten zusammenhängenden Regenwald der Erde und beherbergt mit mehr als 100’000 Kilometern Länge gleichzeitig das grösste Flusssystem. Rund 20 Prozent des 6,5 Millionen Quadratkilometer grossen Waldgebiets wurden in den letzten 50 Jahren bereits abgeholzt. In den Flüssen des Amazonasbioms schwimmen mehr als 3’000 Fischarten. Rund ein Zehntel aller auf dem Planeten vorkommenden Tier- und Pflanzenarten haben hier ihr Zuhause. In den vergangenen 14 Jahren wurde im Schnitt alle drei Tage eine neue Art entdeckt, Insekten und Mikroorganismen nicht eingerechnet.
Der 34. Bericht an den Club of Rome thematisiert die Zukunft der tropischen Regenwälder Der Klimawandel und die industrielle Landwirtschaft werden immer stärker zum Waldkiller, dies ist die zentrale Botschaft des neuen Berichts an den Club of Rome. Claude Martin, langjähriger Generaldirektor des WWF International, liefert darin einen Zustandsbericht über die tropischen Regenwälder der Welt und wagt eine Prognose zu deren Zukunft. Fast die Hälfte der Tropenwälder sei bereits dem Hunger nach Land, Holz, Fleisch und anderen Agrarprodukten zum Opfer gefallen. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werde der Wald zunehmend in die Zange genommen. Dürren und Waldbrände werden zunehmen. Das treffe besonders Gebiete, die ohnehin durch wachsende Soja- oder Palmölplantagen und immer grössere Rinderherden massiv unter Druck geraten seien. "Das Zusammentreffen von Agrarindustrie, Klimawandel und Zerstückelung der Flächen durch Strassen ist ein tödlicher Giftcocktail", so Claude Martin. "Wenn die Regenwälder verschwinden, kippt unser Klima und wenn wir den Klimawandel nicht bremsen, werden die Tropenwälder kaum zu retten sein." Der Bericht an den Club of Rome macht deutlich, dass viel auf dem Spiel steht. Trotz jahrzehntelangem Raubbau sind die verbliebenen Waldflächen am Amazonas in Zentralafrika und in Asien noch immer gigantisch. Sie umfassen mehr als eine Milliarde Hektar, eine Fläche die grösser ist als die USA. Die Analyse der aktuellen Entwaldungstrends legt nahe, dass bis 2050 ein weiterer Verlust von Primärwäldern von mindestens 100 Millionen Hektar zu befürchten ist. Das entspricht etwa der doppelten Grösse Spaniens. Der WWF hält sogar noch weit grössere Verluste für realistisch. Zwar seien die Abholzungen in den vergangenen Jahren in einigen Regionen deutlich zurückgegangen, doch vom Ziel der Vereinten Nationen, die globale Entwaldung bis 2030 vollständig zu stoppen, sei man weit entfernt. "Das Endspiel um den Erhalt der letzten Tropenwälder hat längst begonnen", fasst Claude Martin die aktuelle Situation zusammen. Noch sei das Schicksal der Tropenwälder nicht besiegelt. Es bedürfe aber gewaltiger Anstrengungen, dieses Naturerbe zu bewahren. Neben der Ausweisung von Schutzgebieten seien die Staaten gefordert, den Waldschutz in den Tropenländern gesetzlich zu verankern, praktisch umzusetzen und Finanzströme umzuleiten. Ein weiterer zentraler Punkt sei die Veränderung des Konsumverhaltens der Menschen in den Industrie- und zunehmend auch in den Schwellenländern. Besonders die Nachfrage nach Fleisch, Futtermittel und Biokraftstoffen dürfe nicht weiter im grossen Stil auf Kosten der Tropenwälder gehen. Diese Einschätzung wird vom WWF geteilt. Jörg Andreas Krüger, Leiter des Fachbereichs Biodiversität beim WWF Deutschland fordert: "In den Tropenländern müssen Schutzgebietssysteme und Landnutzungsplanungen entwickelt werden, die einen wirkungsvollen Schutz der Wälder ermöglichen. Bei der finanziellen und technischen Unterstützung ist auch Deutschland in der Verantwortung. Ein zentraler Schauplatz, an dem sich das Schicksal der Tropenwälder entscheidet, ist das Amazonasbecken. Hier findet sich der grösste Regenwaldblock der Erde mit 530 Millionen Hektar, der sich auf neun lateinamerikanische Staaten verteilt. Besonders im Fokus steht Brasilien. "Das Land hat grosse Erfolge im Regenwaldschutz im Amazonas erzielt und kann für andere Staaten in Zentralafrika oder in Asien als Modell funktionieren", erkennt Jörg-Andreas Krüger an. Leider sei Brasilien dabei, die Erfolge leichtfertig kurzfristigen Profitinteressen der Agrar- Energie und Bergbauindustrie zu opfern. Falls aktuelle Reformpläne umgesetzt werden, könnten selbst bestehende Naturschutzgebiete und indigene Schutzgebiete aufgelöst und erschlossen werden. Nicht nur für den Wald wäre das fatal: Im Amazonas leben mehr als 300 indigene Kulturen, einige von ihnen ohne Kontakt zur Aussenwelt. Ihre Territorien haben sich gegenüber der Entwaldung als noch widerstandfähiger erwiesen als staatliche Naturschutzgebiete "Der Schutz der Kulturen und Rechtsansprüche indigener Völker ist ein zentraler Schritt zum Schutz der Wälder, konstatiert Claude Martin in seinem Bericht an den Club of Rome. "Es geht nicht allein um die Bewahrung einer biologischen Schatzkammer. Wälder versorgen uns mit sauberem Wasser, schützen uns vor Erosion und Fluten und stabilisieren unser Klima. Setzen wir das aufs Spiel, verlieren wir mehr als ein paar Prozente Wirtschaftswachstum". Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft aus mehr als 30 Ländern. Die 1968 gegründete gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Weitere Informationen unter www.clubofrome.org
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