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Neue Erkenntnisse über Fotosynthese

Forschung mit Neutronen Grossforschungsanlagen

Unsere Vorstellung davon, wie Algen und Pflanzen auf Licht reagieren, muss aufgrund der Ergebnisse von Experimenten, bei denen Strukturveränderungen in Grünalgen in Echtzeit beobachtet worden sind, revidiert werden. Bei bestimmten Lichtverhältnissen wird bei der Fotosynthese die Anordnung der sonst ordentlich gestapelten und ausgerichteten, lichtempfindlichen Membranen in den Algen gestört. Dabei bewegen sich die in die Membranen eingebetteten Lichtsammelproteine kaum. Stattdessen werden sie grösstenteils deaktiviert. Durch diese neuen Erkenntnisse werden weithin akzeptierte Vorstellungen von der Lichtreaktion von Algen infrage gestellt, denn bisher war man davon ausgegangen, dass sich die Lichtsammelproteine in den Membranen hin- und herbewegen. Die neuen Ergebnisse der Forscher vom Paul Scherrer Institut PSI und ihrer Kollegen in Japan, Frankreich und Ungarn wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences und in verschiedenen weiteren Fachartikeln veröffentlicht.

Mithilfe der Fotosynthese wandeln Pflanzen, Algen und Cyanobakterien Sonnenlicht in chemische Energie um, die gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt als Brennstoff für die Zellaktivität verwendet werden kann.

Gespeichert wird die chemische Energie in Form von Kohlehydratmolekülen, wie z. B. Zucker, die aus Kohlendioxid und Wasser hergestellt werden. Dabei fällt Sauerstoff als Abfallprodukt an.

Damit sorgt die Fotosynthese für einen stabilen Sauerstoffgehalt der Atmosphäre und stellt praktisch sämtliche organischen Verbindungen sowie die Energie bereit, die für das Leben auf der Erde erforderlich sind.

«Pflanzen müssen mit verschiedensten Umweltbedingungen und Lichtverhältnissen zurechtkommen», betont Gergely Nagy vom Labor für Neutronenstreuung und Imaging am Paul Scherrer Institut, Erstautor der PNAS-Studie: «Sie müssen reagieren, wenn sich die Farben des Lichts verändern, und mit der unterschiedlichen Beleuchtung ihrer Blätter an der Spitze oder am Fuss einer Pflanze umgehen. Dasselbe gilt für Algen in unterschiedlichen Wassertiefen in Meeren oder Seen.»

 

Algen und Pflanzen reagieren auf Veränderungen der Lichteigenschaften, indem sie die Absorptionsfähigkeit ihrer beiden Fotosysteme anpassen. Die beiden Fotosysteme sind in Membranen (sog. Thylakoidmembranen) eingebettet, die in kleinen Organellen, den Chloroplasten, gestapelt sind.

«Die Fotosynthese ist ein sehr empfindlicher Prozess», unterstreicht Nagy. «Die beiden Fotosysteme sind miteinander verbunden und können beschädigt werden, wenn die Energieaufnahme der beiden Systeme aus dem Gleichgewicht gerät.»

Zustandsübergänge verstehen

Die in den beiden Fotosystemen erfolgende Umwandlung von Lichtenergie in chemische Energie wird von einem komplexen Regulierungsmechanismus im Gleichgewicht gehalten, das unter dem Namen state transitions, Zustandsübergänge, bekannt ist. Das Grundprinzip der Zustandsübergänge wurde zwar schon 1969 beschrieben, doch erst kürzlich ist man einem tieferen Verständnis dieses komplexen Prozesses und der damit einhergehenden strukturellen Veränderungen nähergekommen.

«Mithilfe unserer Daten konnten wir ein allgemeines Modell für Zustandsübergänge in Algen, das den molekularen Mechanismus und die physiologischen Folgen erklärt, entwickeln und das Wesen der damit verbundenen strukturellen Veränderungen klären», erläutert Nagy.

«Wir haben festgestellt, dass durch Zustandsübergänge Stapelung und Periodizität der Thylakoidmembranen variiert werden und sich innerhalb der Membranen die Interaktionen der Proteine untereinander verändern.»

Zusammen mit den strukturellen Veränderungen wird eines der Lichtsammelproteine (LHCII: Light-Harvesting Complex II) in einen inaktiven Modus der Energiedissipation versetzt, wobei sich die LHCII-Lichtsammelproteine innerhalb der Membran nur wenig bewegen. «Diese neue Erkenntnis unterscheidet sich von bisherigen Vorstellungen.

Bislang ging man davon aus, dass sich bei Zustandsübergängen verschiedene Mengen von LHCII-Proteinen (bis zu 80 % in Mikroalgen) zwischen den beiden Fotosystemen in der Membran hin- und herbewegen», so Nagy.

Erkenntnisse durch Neutronenstreuung

Das Forschungsteam hat eine Reihe nicht invasiver Methoden zur Untersuchung lebender Zellen der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii in ihrer natürlichen Umgebung entwickelt: die Neutronenkleinwinkelstreuung SANS (small-angle neutron scattering) samt unterstützender Experimente, die sichtbares Licht nutzen (Zirkulardichroismus und zeitaufgelöste Absorptions- und Fluoreszenzspektroskopie).

Die Neutronenstreuung ist als Methode für die Untersuchung biologischer Proben bestens geeignet, da die Probe nicht zerstört wird und nicht eingefärbt oder durch Chemikalien oder niedrige Temperaturen fixiert werden muss. Lebende Zellen werden unter natürlichen Bedingungen mit einem Neutronenstrahl durchleuchtet, wobei die Daten aus der Streuung des Strahls zur Berechnung von strukturellen Informationen über die Probe im Nano- bis Mikrometerbereich verwendet werden können.

«Neutronenexperimente eigenen sich hervorragend, um exakte Strukturinformationen über die Membran-Ultrastruktur zu erhalten», betont Nagy. «Die Zustandsübergänge beeinflussen tiefgreifend die Organisation der lichtempfindlichen Thylakoidmembranen im Chloroplast der Algen.

Dabei eröffnen die Neutronenexperimente einzigartige Perspektiven, sodass wir die Zustandsübergänge beobachten können, während sie sich vollziehen. Mithilfe der Neutronen haben wir diese Ultrastruktur-Veränderungen zum ersten Mal klar identifiziert.»

Ausgeführt wurden die Neutronenstreuungsexperimente an den Neutronenquellen des Institut Laue-Langevin in Frankreich und der Schweizer Neutronenquelle SINQ am Paul Scherrer Institut.

Quelle: Text: Martyn Bull, Paul Scherrer Institut PSI, Juni 2014

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