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RECIPE: Kosten des Klimaschutzes in Europa
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Klimawandel in Europa
Studie zu den Kosten des Klimaschutzes in Europa

"Der Schlüssel für einen bezahlbaren Klimaschutz sind verbindliche und umgehend wirksame politische Rahmenbedingungen für das kommende Jahrzehnt", fasst Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vermeidungsstrategien des Weltklimarats (IPCC), das Ergebnis der RECIPE Studie zusammen. "Klimaschutz ist wirtschaftlich verträglich und machbar", so Edenhofer. "Für Europa macht sich der rechtzeitige Einstieg in einen umfassenden Klimaschutz sogar im Alleingang durch deutlich niedrigere Kosten bezahlt."

Die Studie wurde vom PIK und vier weiteren europäischen Forschungsinstituten durchgeführt und von dem Finanzdienstleister Allianz SE und der Umweltstiftung WWF unterstützt. Die Wissenschaftler haben drei energieökonomische Modelle verglichen und daraus Handlungsempfehlungen für die Klimapolitik abgeleitet. Für Europa untersucht RECIPE die vier CO2-intensiven Wirtschaftssektoren Energie, Industrie (Zement und Stahl), Transport und Verkehr sowie Landwirtschaft und zeigt Reduktionspfade auf.

Werden die Kosten des Klimaschutzes[1] und das Wirtschaftswachstum miteinander verrechnet, ergibt sich für Europa bis 2050 eine Wachstumsverzögerung von etwa einem Jahr. Das ohne die Kosten des Klimaschutzes prognostizierte Wohlstandsniveau würde statt 2050 somit 2051 erreicht. Dabei sind die drohenden, aber so vermiedenen Kosten durch Klimaschäden noch nicht berücksichtigt. Wird das kommende Jahrzehnt nicht genutzt, steigen laut RECIPE nicht nur die globalen CO2-Minderungskosten. Die Chance, die gefährlichen Folgen des Klimawandels noch aufhalten zu können, sinkt erheblich. Nach 2020 schliesst sich das Handlungsfenster für ambitionierten Klimaschutz ganz.

Anreize für Investoren

Um den Regierungen bei den Klimaverhandlungen COP15 in Kopenhagen als Orientierung dienen zu können, berechnet RECIPE mögliche Kostenverteilungen des Klimaschutzes für sechs Weltregionen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass wirksamer Klimaschutz zu geringen Kosten nur bei unverzüglichem Handeln zu erreichen ist. Konkrete CO2-Minderungspfade für die Regionen sollen verlässliche Rahmenbedingungen bilden, um zügig und ausreichend Anreize für die notwendigen Investitionen in neue Technologien, aber auch für Forschung und die Transferleistungen in Schwellenländer zu setzen. Allein für einen kostenoptimierten Umbau des Energiesektors müssten bis 2030 die Investitionen in emissionsarme Technologien auf jährlich 400 bis 1.000 Mrd. USD steigen. Der überwiegende Teil dieser Investitionen müsste von den Finanzmärkten und der Industrie bereitgestellt werden.

Die herausragende Bedeutung von Investitionen bei der Transformation in eine kohlenstoffarme Wirtschaft war für die Allianz-WWF-Klimapartnerschaft der Anlass, die RECIPE-Studie zu unterstützen. "Es gibt keinen anderen Markt, der in den nächsten zehn Jahren ein so sprunghaftes und nachhaltiges Investitionswachstum benötigt und auch erleben wird, wie der Klimaschutz und die Dekarbonisierung der Wirtschaftsprozesse", sagt Joachim Faber, Vorstandsmitglied der Allianz SE und Vorstandsvorsitzender der Allianz Global Investors.

"Voraussetzung für die Investitionsbereitschaft unserer Kunden sind jedoch verlässliche Rahmenbedingungen, die die Regierungen jetzt setzen müssen. Dazu gehören neben verlässlichen Pfaden für die Reduktionsziele marktwirtschaftliche Elemente wie die Versteigerung aller CO2-Zertifikate, der Aufbau eines weltweiten Emissionshandels, die rasche Umsetzung der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien, die den Investoren verlässliche Einspeisetarife garantiert, und eine Verstärkung der Forschungsförderung in Technologien für den Klimaschutz."

Ein weiterer Grund für die Allianz, sich intensiv mit dem Klimaschutz zu beschäftigen liegt in der Tatsache, dass im globalen Industriegeschäft inzwischen 40 % der Versicherungsschäden klimabedingt sind, Tendenz steigend.

Vorreiterrolle der EU

Für einen wichtigen Schritt bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen soll nun die EU sorgen. RECIPE zeigt, dass das für alle Staaten deutlich weniger kostet, wenn sie jetzt gemeinsam handeln.

"Die EU muss im eigenen und im Interesse aller wieder eine Vorreiterrolle einnehmen. Forschung, Entwicklung und Industriepolitik müssen mit klaren Prioritäten und Mitteln in Richtung Klimaschutz ausgebaut werden. Dazu gehört ein verbindlicher Klimaschutzplan für den Zeitraum bis 2020, der ein ambitioniertes Emissionsreduktionsziel für Europa festschreibt. Darüber hinaus brauchen wir eine langfristige Strategie, die vom Ziel her plant, um den Aufbau CO2-intensiver Kapitalstöcke zu verhindern und den Klimaschutz nicht in die Sackgasse führt", betont Regine Günther, Leiterin Klima- und Energiepolitik des WWF Deutschland.

Neben der Realisierung eigener Reduktionsmassnahmen, sind die Industrieländer auch gefordert, Entwicklungs- und Schwellenländer zu unterstützen, so ein Ergebnis von RECIPE. "Positiv am EU Ratsbeschluss der letzten Woche ist die Forderung nach einem rechtlich verbindlichen Abkommen und die Erhöhung der Minderungsziele für Industrieländer auf bis zu 95% bis 2050. Die EU legte erstmals Zahlen auf den Tisch, in welcher Höhe sich die Unterstützung an die Schwellen- und Entwicklungsländer sich bewegen wird, hat jedoch die Erwartungen einer konkreten Finanzierungszusage für Schwellen- und Entwicklungsländer nicht erfüllt. Dies war enttäuschend. Die Zahlungen aus öffentlichen Mitteln der EU von 2013 bis 2017 müssten jährlich bei 35 Mrd. Euro liegen, um Klimaschutzund Anpassung an den Klimawandel zu fördern", erklärt Regine Günther.

RECIPE stellt fest, dass weitere Investitionen in den Aufbau CO2-intensiver Infrastruktur wie beispielsweise Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologie (CCS) vermieden werden sollen. "Wir brauchen in Kopenhagen dringend ein verbindliches und wirksames Abkommen, das die Investitionsströme frühzeitig so lenkt, dass die Minderungskosten gering gehalten werden können", so Regine Günther.

Handlungsbedarf für die EU in vier klimarelevanten Wirtschaftssektoren

Stromerzeugung: Eine vollständige Dekarbonisierung des Energiesektors deutlich vor dem Jahr 2050 halten die RECIPE-Autoren für unverzichtbar und möglich. Dafür müssen erneuerbare Energien und die gesicherte und erprobte CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologie (CCS) weltweit in grossem Massstab zur Verfügung stehen. Kostenoptimaler Klimaschutz erfordert, dass Investitionen in Kohlekraftwerke ohne diese Technik innerhalb weniger Jahre auf Null zurückgefahren werden müssen. Auf globaler Skala kann die Kernenergie nur zu einem vergleichsweise geringen Teil zum Klimaschutz beitragen.

Transport & Verkehr: Die transport- und verkehrsbezogenen Emissionen steigen weiter und werden damit zukünftig im Verhältnis zu anderen Emissionsquellen immer wichtiger. Die Verfügbarkeit klimafreundlicher Alternativen wie Elektromobilität oder nachhaltig angebaute Biomasse hat damit einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Klimaschutzkosten. RECIPE fordert verstärkte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen auf diesem Feld, da diese Technologien noch weit davon entfernt sind, am Markt in grossem Umfang wettbewerbsfähig zu sein. Effizienzstandards für alle Fahrzeugklassen, den Auf- und Ausbau der Elektrifizierung, die Erforschung alternativer Kraftstoffe sowie die Verringerung von Verkehr durch bessere Logistik und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sind vorgeschlagene Massnahmen.

Industrie (Zement-/Stahl-): Für die bestehende Anlageninfrastruktur der europäischen Stahl- und Zementindustrie sind Effizienzsteigerungen kurzfristig die wichtigste Minderungsoption, diese Potenziale sind jedoch nur bedingt. Entscheidend für die kostenminimierende umfassende Dekarbonisierung ist die Nutzung des nächsten Investitionszyklus nach Ablauf der Lebensdauer bestehender Anlagen nach 2020. Die Elektrifizierung von Prozessen und deren grundsätzliche Anpassung muss zur CO2-Emissionsminderung genutzt werden.

Landwirtschaft: Neben dem Schutz von Wiesen und Sümpfen sowie der gezielten Nutzung der Speicherfähigkeiten von Böden und Vegetation, kann die Landwirtschaft ihren Beitrag durch die Reduzierung stickstoffbezogener Emissionen aus Düngemitteln und durch eine verringerte Viehhaltung (Methanemissionen) leisten

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[1] Nach den Annahmen von RECIPE würden ohne Klimaschutz die CO2-Emissionen bis 2050 auf 2500 Gigatonnen (Gt) anwachsen und einen globalen Temperaturanstieg auf bis zu sieben Grad gegenüber vorindustriellem Niveau bedeuten. Um mit hoher Wahrscheinlichkeit den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2°C zu begrenzen, dürfen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 ncht mehr als rund 750 Gt CO2 zusätzlich ausgestossen werden. Für die in RECIPE untersuchten Klimaschutzszenarien ergibt sich eine mittlere Wahrscheinlichkeit, das 2°C-Ziel zu erreichen.

Quelle: WWF Deutschland, November 2009

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