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DWD Geschichte des Klimawandels nicht neu 2010
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Die Geschichte des Klimawandels muss nicht neu geschrieben werden
Referat von Wolfgang Kusch Präsident des Deutschen Wetterdienstes

Der Klimawandel ist zu einem Dauerbrenner der politischen und gesellschaftlichen Diskussion geworden – und das ist gut so, denn er betrifft uns alle. Allerdings erleben wir immer wieder, dass schon einzelne zu kühle Monate für Aufregung sorgen. Plötzlich haben die Klimaskeptiker wieder Oberwasser. Auch in den Medien finden wir dann zahlreiche O-Töne, die die globale Temperaturerhöhung in Frage stellen.

Erleben wir eine Jahreszeit -denken Sie an den vergangenen Winter -oder ein Jahr ohne neue Wärmerekorde, gilt das schnell als Beleg für ein Ende des Trends zu höheren Temperaturen. Das ist falsch. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wertet als Nationales Klimadatenzentrum der Bundesrepublik Deutschland die Klimadaten in Deutschland und weltweit aus. Zugleich schauen wir uns die verschiedenen Zukunftsszenarien der Klimaforscher genau an. All das zeigt: Die Geschichte des Klimawandels muss nicht neu geschrieben werden. Der Klimazug hat trotz seiner abwechslungsreichen Reise bedauerlicherweise nach wie vor ein klares Fahrtziel. Er fährt bergauf.

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Wie bei jeder Reise wechseln sich aber Steigungen, Talfahrten und Ebenen ab. Trotzdem schraubt sich der Klimazug immer weiter hinauf. Ich will das Bild nicht überstrapazieren. Aber es zeigt sehr anschaulich, was Klima ist. Nur wer die gesamte Reise im Blick hat, kann sagen, wie viele Höhenmeter der Zug überwunden hat und noch zurücklegen wird. Ein einzelner Fahrtabschnitt hilft da nicht weiter. Deshalb müssen Klimaforscher, die über Trends sprechen wollen, immer mindestens 30 Jahre im Blick haben.

Selbst die vergangenen zehn Jahre ohne neue Rekorde bei der Jahresmitteltemperatur in Deutschland und weltweit sind als Streckenabschnitt nicht aussagekräftig.

Hinzu kommt: Wir waren in diesem Zeitraum auf einer Hochebene unterwegs. In Deutschland war jedes Jahr seit dem Rekordjahr 2000 wärmer als das langjährige Mittel. Man kann das Stagnation auf hohem Niveau nennen. Gleichzeitig war die vergangene Dekade in Deutschland die wärmste seit 130 Jahren. Das zeigt klar: Von einer Trendumkehr kann nicht die Rede sein.

Aus diesen Fakten kann nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes nur ein Schluss gezogen werden. Wir müssen nach wie vor alle Kraft in die Verringerung der Treibhausgasemissionen stecken. Wir müssen uns heute schon auf die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels einstellen. Dafür spricht auch der ungebrochene Zuwachs der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Er lag in vorindustriellen Zeiten bei 280 Parts per Million (ppm). Vor 50 Jahren waren es schon 317 ppm. Im Jahr 2000 wurden laut Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC 369 ppm gemessen, im vergangenen Jahr wurden 386 ppm erreicht. Das zeigt: Anders als bei der Durchschnittstemperatur gibt es bei der CO2-Konzentration kein Auf und Ab. Jedes Jahr bringt höhere Werte.

Angesichts dieser Entwicklung bedaure ich sehr, dass die zum Teil berechtigte Kritik an einzelnen Aussagen des IPCC manchmal auch dazu genutzt wird, die nach wie vor zutreffende wissenschaftliche Gesamtschau des Klimawandels in Frage zu stellen. Als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Exekutivrat der Weltorganisation für Meteorologie bin ich ständig im Gespräch mit den Präsidenten vieler nationaler Wetterdienste. Meine Kollegen und ich sind einer Meinung: Hier muss man die Kirche im Dorf lassen. Jeder Fehler ist einer zu viel, muss korrigiert werden. Aber die Bilanz nach den 5 000 Seiten des letzten IPCC-Berichts gilt unverändert: Wir müssen handeln!

Die Notwendigkeit zu Handeln betrifft auch die weitere Erforschung des Klimawandels. Wir haben noch immer nicht alle Prozesse verstanden, die unser Klima antreiben. So besteht zum Beispiel noch Forschungsbedarf bei der Frage, welchen Anteil natürliche Schwankungen am Klimawandel haben. Auch bei den Klimamodellen müssen wir besser werden.

Staatliche Klimaforschung benötigt mehr Ressourcen

Je genauer wir unser Klimasystem kennen, umso sicherer können wir planen, wie wir uns am besten auf den Klimawandel einstellen. Da Forschung nicht zum Nulltarif zu haben ist, appelliere ich als Präsident der Bundesbehörde Deutscher Wetterdienst an das Parlament: Stellen Sie für die Klimaforschung in den Ressorts trotz drückender Haushaltsprobleme weitere Mittel bereit. Das wird sich langfristig für Deutschland auszahlen. Wer rechtzeitig etwas tut, kann die Schäden durch den Klimawandel besser minimieren und den ineffizienten Einsatz finanzieller Ressourcen weitgehend vermeiden.

Der Deutsche Wetterdienst wird seinen Beitrag zur Beobachtung und Erforschung des Klimawandels weiter ausbauen. Schon heute sind wir mit unserem flächendeckenden Messnetz die Institution in Deutschland zur Beobachtung des Klimas. Es bietet sich an, diese Infrastruktur auch für neue Messprogramme zu nutzen, so zum Beispiel für die Erfassung der Kohlendioxid-Konzentration am Boden.

Eine weitere zentrale Aufgabe des DWD ist die Klimaberatung aus einer Hand. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind auf eine fundierte Beratung zu den Folgen des Klimawandels angewiesen. So beantworten wir heute schon Fragen zur Entwicklung des städtischen Klimas bis zur Mitte des Jahrhunderts oder zu den Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit, die Wasserwirtschaft oder die Landwirtschaft.

Dabei nutzt der DWD alle verfügbaren Klimabeobachtungsdaten und wertet die verschiedenen regionalen, bis zum Jahr 2100 reichenden Klimaszenarien für Deutschland aus. In der alltäglichen Praxis denkt man allerdings nicht in Jahrhunderten, sondern muss im Rahmen überschaubarer Planungszeiträume handeln. Der DWD beteiligt sich daher in den nächsten Jahren mit anderen deutschen Forschungseinrichtungen an der geplanten Entwicklung eines Klimavorhersagesystems für die kommenden zehn Jahre. Dieser enge zeitliche Focus schneidet die Klimaberatung recht genau auf die Erfordernisse von Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu - vor allem mit Blick auf die bestmögliche Anpassung an die Folgen der Klimaveränderung. Wir werden darüber hinaus noch 2010 mit einem eigenen Klimarechenzentrum ein regionales Klimamodell für Deutschland rechnen, um auch hier besser auf die Anforderungen unserer Kunden eingehen zu können.

Kompetenzen in der Klimaforschung müssen gebündelt werden

Angesichts der Komplexität des Themas Klimawandel und knapper Ressourcen ist es notwendig, dass Kompetenzen gebündelt werden. Es lohnt sich für die Klimaforscher, gemeinsam die Auswirkungen der Klimaveränderung zu erforschen. Der DWD ist mit seinen Beobachtungsdaten und seiner langjährigen Erfahrung bei der Klimaberatung an fast allen Projekten und Kooperationen in Deutschland beteiligt. Ein wichtiges Beispiel im Bereich des Bundes ist das Projekt KLIWAS. Hier erforschen das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, die Bundesanstalt für Gewässerkunde, die Bundesanstalt für Wasserbau und der Deutsche Wetterdienst gemeinsam die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserstrassen. Ganz konkret geht es um die Frage: Wird der Klimawandel die Leistungsfähigkeit unserer Wasserwege beinträchtigen und -wenn ja -was können wir dagegen tun?

Solche Partnerschaften sind wissenschaftlich sinnvoll und helfen, personelle und finanzielle Engpässe einzelner Institutionen auszugleichen. Kennzeichnend für die deutsche 'Klima-Community' ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern ihre Vielfalt. Gründe liegen in unserer föderalen Tradition und einer sehr heterogenen Wissenschaftslandschaft. Diese produktive Vielfalt ist ein Standortvorteil. Schaffen wir es dann noch, die vielfältigen Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln, können wir daraus den grössten Nutzen für die Forschung und die Daseinsvorsorge ziehen. Ich bin überzeugt: Die bisherigen Kooperationen wie KLIWAS oder auch das Deutsche Klimakonsortium (DKK) zeigen, dass Deutschland in der Klimaforschung auf dem richtigen Weg ist.

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Quelle: Text Deutscher Wetterdienst DWD 2010

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Jahresdurchschnittstemperaturen in Deutschland
IPCC Bericht über den globalen Klimawandel 2007

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