Alplandwirtschaft - Berglandwirtschaft in der Schweiz
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Alplandwirtschaft unter Druck

Konsequenzen der Aufgabe von Alpweiden

Grünerlen überwuchern die Alpen

Die Landwirtschaft zieht sich aus den Alpen zunehmend zurück. Die damit einhergehende Verbrachung und Verbuschung von jahrhundertealtem Kulturland wirkt sich nicht nur auf das Landschaftsbild, sondern auch auf den Wasserhaushalt und zukünftig auf die Stromgewinnung aus. Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte interdisziplinäre Forschungsgruppe.

Das Urserntal bei Andermatt ist in vielerlei Hinsicht ein typisches Hochgebirgstal der Alpen. Als es vor ungefähr 800 Jahren besiedelt wurde, wich der Wald an mancher Stelle offenem Kulturland, wo Ziegen, Schafe oder Kühe weiden konnten und Bauern jahrhundertelang nachhaltige Alplandwirtschaft betrieben.

Alplandwirtschaft befindet sich jetzt jedoch im Rückzug: Vor 60 Jahren gab es noch über 100 landwirtschaftliche Betriebe im Urserntal, heute sind es nur noch 30. Viele der weniger gut zugänglichen Weideflächen an den Berghängen wurden aufgegeben. Nun wächst da dichter Erlenbusch.

Explosionsartige Ausbreitung der Grünerle

In einem gross angelegten Sinergia-Forschungsprojekt haben von Erika Hiltbrunner koordinierte Fachpersonen aus den Gebieten Pflanzenökologie, Hydrologie, Bodenkunde und Ökonomie unter der Leitung von Christian Körner von der Universität Basel die Auswirkungen des Rückzugs der Landwirtschaft aus den Hochlagen des Alpenbogens untersucht (*). Im Urserntal breitet sich vor allem die Grünerle explosionsartig aus, 2,5 Mal so schnell wie der Wald im schweizerischen Alpenraum. Die mit Grünerlen besetzte Fläche hat allein in den letzten zehn Jahren um einen Viertel zugenommen. Der eigentlich in Bachgräben und Lawinenstrichen beheimatete Busch dominiert inzwischen die Nordhänge.

Wenn es so weitergeht, ist der mögliche Lebensraum der Grünerle im Urserntal bis 2045 komplett besetzt.

Dazu kommt, dass die Grünerle zu denjenigen Pflanzen gehört, die in ihren Wurzeln mit stickstoffbindenden Bakterien eine Symbiose bilden. "Die Grünerle ist eine Stickstoffpumpe und überdüngt die von ihr besetzten Flächen", sagt Körner. Wo sie wächst, sinkt die pflanzliche Artenvielfalt. Gegen den üppigen Unterwuchs unter den Erlen können sich junge Nadelbäume nicht durchsetzen. "Ohne menschliche Eingriffe gibt es keinen zügigen Weg zurück zum Wald", sagt Körner.

Eine Million Franken Verlust

Die Ausbreitung der Grünerle wirkt sich auf die Wasserqualität aus, denn der Busch belastet die Gewässer durch erhöhte Nitrateinträge.

Zudem verändert sich der lokale Wasserhaushalt: Mit Erlenbüschen oder mit langem unbeweidetem Gras bestandene Flächen verdunsten zwischen zehn und zwanzig Prozent mehr als genutztes Grasland gleicher Grösse.

An der Abflussmenge der Reuss lässt sich das verdunstete Wasser zwar nicht eindeutig ablesen, denn der Niederschlag in Form von Regen und Schnee über einem Gebiet ist im Gebirge nur ungenau messbar. Doch die stetige Abnahme des Abflusses im Hochsommer während der letzten 40 Jahre steht mit einer grösser werdenden Verdunstung im Einklang.

Rechnet man die verdunstete Wassermenge auf das ganze Urserntal hoch, entgehen den Kraftwerken je nach Witterung jährlich zwischen sechs und elf Gigawattstunden Energie. Umgerechnet verlieren sie zukünftig also bis zu einer Million Franken pro Jahr.

Landschaftspflege mit Engadinerschafen

"Die Grünerle ist invasiv. Ihr bei ihrer Verbreitung einfach nur zuzuschauen, ist mit vielen Nachteilen verbunden - und die schlechteste Option", sagt Körner.

In ihrem Projekt haben die Forschenden eine andere - aussichtsreichere - Option getestet: Sie haben Engadinerschafe auf die sich verbuschenden Alpweiden geführt. "Diese Schafe schälen die Rinde von den Grünerlen ab, die beschädigten Büsche sterben ab, weil entweder der Zuckertransport von den Blättern zur Wurzel blockiert ist, oder weil parasitische Pilze ihr den Garaus machen", sagt Körner. Die Förderung der Haltung von Schafen dieser alten, robusten Rasse stelle eine wirksame und einfache Massnahme dar, um der unerwünschten Verbuschung in den Alpen entgegenzuwirken. Allerdings kommen die Forschenden in ihrer ökonomischen Analyse zum Schluss, dass der finanzielle Mehrwert einer nachhaltigen Landnutzung nicht ausreicht, um das Offenhalten des Kulturlandes zu gewährleisten.

(*) Christian Körner, Erika Hiltbrunner, Christine Alewell, Rolf Weingartner, Frank Krysiak, (associated: Martin Schaffner). VALUrsern Final Report. (2012). (als PDF beim SNF erhältlich; E-Mail: com@snf.ch)

Sinergia
Mit dem Förderinstrument "Sinergia" unterstützt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) kleine Netzwerke, die durch Initiative und Zusammenarbeit von Forschungsgruppen entstehen. Mit dieser Plattform für inter-, multi- und unidisziplinäre Vorhaben ermöglicht er synergetische Ansätze, um komplexe wissenschaftliche Fragestellungen anzugehen oder in viel versprechende neue Forschungsgebiete vorzudringen.

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Quelle: Text Schweizerischer Nationafonds SNF, Dezember 2012

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