Astronomen haben im Weltall ein Objekt entdeckt, das ein Schwarzes Loch sein könnte, das aus einer Galaxie katapultiert wurde. Oder es handelt sich dabei um einen riesigen Stern, der während einer sehr langen Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten explodiert. In jedem Fall ist es ein sehr besonderes Objekt. Auch jene Physiker, welche die viel diskutierten und von Albert Einstein vorausgesagten Gravitationswellen experimentell nachweisen möchten, interessieren sich dafür. In seiner Allgemeinen Relativitätstheorie sagte Albert Einstein voraus, dass es Gravitationswellen gibt. Mehr noch: Einsteins Theorie steht und fällt mit der Existenz dieser Wellen. Obschon Physiker in den vergangenen Jahrzehnten grosse Anstrengungen unternommen haben, ist es bisher jedoch nicht gelungen, Gravitationswellen mit einer Messung direkt nachzuweisen. Zu einem wichtigen Teil dürfte dies daran liegen, dass dafür geeignete Messgeräte eine Präzision haben müssen, wie sie sich heute kaum herstellen lässt. Schliesslich gilt es, geringste Stauchungen und Streckungen des Raums zu messen, die nach Einsteins Theorie entstehen, wenn Gravitationswellen diesen durchqueren. Und selbst mit künftigen hochpräzisen Messgeräten dürften nur Wellen mit ausgesprochen grosser Intensität detektiert werden können, wie sie etwa bei der Fusion zweier Schwarzer Löcher entstehen. Um die Gravitationswellen zu detektieren, darf ein solches Ereignis nicht allzu weit weg von der Erde stattfinden. Steuern zwei Galaxien im All aufeinander zu und kollidieren sie schliesslich, dann verschmelzen sie zu einer einzigen. Auch die beiden supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der beiden Galaxien vereinen sich dabei, wobei nach der Allgemeinen Relativitätstheorie Gravitationswellen entstehen, die sich im Raum ausbreiten. Wenn die Schwarzen Löcher unterschiedliche Massen haben oder sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten drehen, breiten sich die Gravitationswellen asymmetrisch aus. Das fusionierte Schwarze Loch erfährt dabei einen Rückstoss in die Gegenrichtung. In manchen Fällen ist dieser Rückstoss verhältnismässig schwach, das Schwarze Loch pendelt wieder zurück ins Zentrum. In anderen Fällen ist er so stark, dass das Schwarze Loch für immer aus der Galaxie geschleudert wird und einsam im Universum verbleibt. Überbleibsel einer Kollision zweier Galaxien… Astronomen suchten in der Vergangenheit nach solchen wegkatapultierten Schwarzen Löchern, fanden jedoch keine. Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Kevin Schawinksi, Professor am Institut für Astronomie, und Michael Koss, der als sogenannter Ambizione-Fellow des Schweizerischen Nationalfonds in Schawinskis Gruppe forscht, observierten ein Objekt, bei dem es sich um ein solches wegkatapultiertes Schwarzes Loch handeln könnte. Das Objekt mit der Bezeichnung SDSS1133 liegt rund 90 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, was für astronomische Verhältnisse als «nahe» gilt. An der Entdeckung beteiligt sind ausserdem Wissenschaftler der University of Maryland, der University of Hawaii, des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien, der University of Arizona, der Universität Kopenhagen, der University of California Berkeley und der Ohio State University. Dass SDSS1133 ein besonderes Objekt sein muss, ist den Forschenden aufgefallen, als sie es letztes Jahram einem Spiegelteleskop am Keck Observatorium in Hawaiibeobachteten. Es leuchtete zehnmal schwächer als noch 2001, wie ein Vergleich mit einer Himmelskarte aus diesem Jahr zeigte. Auf Karten aus den 1950er und 1990er Jahren war das Objekt ebenfalls zu sehen, jedoch leuchtete es auch damals nur schwach. Weil SDSS1133 im Jahr 2001 so hell leuchtete, nachher aber nicht komplett verblasste, kann es nicht von einer gewöhnlichen Supernova stammen, also einer Explosion eines Sterns am Ende seiner Lebenszeit. Denn solche Phänomene sind oft nur während wenigen Monaten sichtbar und verblassen danach sehr stark. Aus einem Vergleich des Wellenlängenspektrum des von SDSS1133 und einer Zwerggalaxie in der Nähe schlossen die Wissenschaftler, dass es sich bei SDSS113 um ein Schwarzes Loch handeln könnte, das zu einem früheren Zeitpunkt zu ebendieser Zwerggalaxie gehörte und aus dieser geschleudert wurde. … oder eine der am längsten Supernovae? Ganz so sicher sind sich die Forschenden allerdings nicht, denn es gibt zumindest theoretisch eine zweite, etwas exotische Erklärungsmöglichkeit: Es könnte sich bei SDSS 1133 um einen neuen Typus einer lange andauernden Supernova eines riesigen Sterns handeln. Dabei hätte dieser riesige Stern bereits vor seiner finalen Explosion während mindestens 50 Jahren in einer Folge mehrerer Eruptionen einen Grossteil seiner Masse verloren. Solche sich verändernden Sterne wurden schon beobachtet: Eta Carinae, einer der massereichsten Sterne unserer eigenen Galaxie, war 1843 während einer kurzen Zeit der zweithellste Stern am Nachthimmel. Wären solche Ausbrüche auch bei SDSS 1133 die Erklärung, dann würde es sich dabei um die längsten kontinuierlichen Eruptionen handeln, die je vor einer Supernova beobachtet worden sind. Lösung des Rätsels in Sicht Die ETH-Forschenden werden nächstes Jahr die Gelegenheit erhalten, das Rätsel zu lösen. Schwarze Löcher und Supernovae emittieren beide ultraviolettes Licht, jedoch von unterschiedlicher Wellenlänge. Um das Spektrum sehr präzise messen zu können, wurde den Wissenschaftlern für Oktober 2015 Beobachtungszeit mit dem Hubble Weltraumteleskop zugesichert. Auch die Veränderung der Helligkeit des Objekts in den nächsten Jahren wird den Wissenschaftlern Hinweise darauf geben, ob es sich um ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch oder einen explodierenden Megastern handelt: Für ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch erwarten sie eine veränderliche Helligkeit, während die Explosion einer Supernova mit der Zeit immer schwächer wird. «Unabhängig davon, ob SDSS1133 ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch oder ein explodierender Megastern ist, haben wir etwas entdeckt, das nie zuvor beobachtet wurde», sagt Michael Koss. Und sollte es sich herausstellen, dass das Objekt tatsächlich ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch ist, dann würde dies die Chance, dereinst Gravitationswellen nachweisen zu können, deutlich erhöhen. Der Rückstoss läge nach Aussage der Wissenschaftler rund zehn Millionen Jahre zurück. Für die konkrete Messung von Gravitationswellen wäre daher nicht dieses Objekt selbst bedeutend, sondern die Tatsache, dass es überhaupt existierte. «Zwerggalaxien sind sehr häufig», so Koss. «Die Wahrscheinlichkeit wäre damit gross, dass bald weitere solcher Rückstossereignisse aufträten. Damit bestünde die Hoffnung, dass sich ein solches in der Nähe der Erde beobachten liesse, und dabei Gravitationswellen gemessen werden könnten.» Missionen zur Suche nach Gravitationswellen In einer ihrer nächsten grossen Missionen mit dem Namen eLISA wird die Europäische Weltraumagentur ESA mit Raumsonden und einem sogenannten Laser-Interferometer im All Gravitationswellen zu detektieren versuchen. Der Start der Sonden ist für das Jahr 2034 geplant. Bereits nächstes Jahr läuft dazu die Vorbereitungsmission «LISA Pathfinder» an, mit der Schlüsseltechnologien für eLISA getestet werden sollen.An «LISA Pathfinder» ist auch die ETH Zürich beteiligt. Literaturhinweis Koss M, Blecha L, Mushotzky R, Hung CL, Veilleux S, Trakhtenbrot B, Schawinski K, Stern D, Smith N, Li Y, Man A, Filippenko AV, Mauerhan JC, Stanek K, Sanders D: An Unusually Persistent Transient in a Nearby Dwarf Galaxy, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2014. 445: 515, doi: 10.1093/mnras/stu1673
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