Spitzenforschung an der Leibniz Universität Hannover: Ohne wissenschaftliches Know-how und hochspezialisierte Lasertechnologie aus Hannover wäre die gestern vorgestellte epochale Entdeckung, die Albert Einsteins Relativitätstheorie beweist, nicht möglich gewesen. Professor Karsten Danzmann, Leiter des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover und gleichzeitig Direktor des Albert-Einstein-Instituts (eine Kooperation des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität) hat mit seinem Team Messtechnologie für die beiden grossen Gravitationswellen-Detektoren in den USA entwickelt, die am 14. September 2015 zum ersten Mal direkt Gravitationswellen gemessen haben. Die sensationelle Beobachtung der LIGO-Observatorien in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington) wurde in parallelen Pressekonferenzen, auch an der Leibniz Universität Hannover, der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Messungen - Signale zweier verschmelzender schwarzer Löcher - bestätigen die von Einstein vor 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte Existenz von Gravitationswellen. Für Professor Karsten Danzmann markiert die Entdeckung der Signale den absoluten Höhepunkt seiner langjährigen Arbeit in der Astrophysik. "Wissenschaftler suchen seit Jahrzehnten nach Gravitationswellen, aber erst jetzt verfügen wir über die unglaublich präzisen Technologien, um diese extrem schwachen Echos aus dem fernen Universum wahrzunehmen", erläutert er. Das von Professor Danzmann und seinem Team entwickelte hochpräzise Laser-Messsystem bildet das Herz der Advanced LIGO (aLIGO)-Observatorien in den USA und hat damit die Voraussetzung für das bahnbrechende Ereignis in der Physik geliefert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leibniz Universität Hannover und des Max-Planck-Instituts haben in Zusammenarbeit mit britischen Forschern viele der Laser-Schlüsseltechnologien, die zur nie zuvor erreichten Empfindlichkeit von aLIGO beigetragen haben, entwickelt und im Gravitationswellen-Detektor GEO600 in Ruthe bei Hannover getestet. GEO600 dient als Ideenschmiede und Prüfstand für fortschrittliche Detektortechnologien. Das Team um Karsten Danzmann und Benno Willke hat gemeinsam mit Kollegen des Laser Zentrums Hannover e.V. die Hochleistungslasersysteme des Projekts entwickelt. Die Wissenschaftler arbeiten zudem eng mit Forschern von britischen Institutionen zusammen. Auch die Datenanalyse läuft zum grossen Teil in Hannover. Die meisten Messdaten der Observatorien in den USA landen im hannoverschen Cluster Atlas, dem weltweit grössten Computercluster zur Datenanalyse von Gravitationswellen. Daher waren es zwei junge Datenanalytiker aus der Abteilung von Bruce Allen in Hannover, die das entscheidende Signal zuerst sahen. Marco Drago und Andrew Lundgren konnten zunächst kaum glauben, was sie sahen, als der Online-Suchalgorithmus anschlug und die Daten aus den USA auf den deutschen Rechnern ankamen. Da es in Amerika mitten in der Nacht war, hatten sie das Privileg, das "Bilderbuchsignal" als erste zu sehen. Die Beobachtung ist der Höhepunkt und die Bestätigung jahrzehntelanger Forschungsarbeit- aber zugleich erst der Anfang von etwas Grossem. "Da ist noch ganz viel draussen im Universum, was es zu erforschen gilt; es braucht Visionäre", sagt Professor Danzmann. Karsten Danzmann selber hat sich den Rätseln des Universums seit frühester Jugend verschrieben. Die Mondlandung 1969 war für den 1955 geborenen Wissenschaftler ein Schlüsselerlebnis. Daraufhin ging er mit grosser Zielstrebigkeit sein Studium in Clausthal und Hannover an, promovierte mit 25 Jahren und ging dann in die USA, wo er als Professor an der Stanford University forschte und lehrte. Er wollte eigentlich in Kalifornien bleiben, doch dann liess er sich vom Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in München Ende der achtziger Jahre zur Rückkehr nach Deutschland überreden. Damals galten Gravitationswellen gemeinhin noch als Randgebiet der Forschung. Karsten Danzmann sorgte entscheidend mit dafür, dass sich das ändern sollte. Dazu trägt sein Talent bei, Wissenschaftsthemen auch für Laien verständlich und populär aufzubereiten. "Wir wollen der Astronomie Ohren geben", umschreibt er gerne sein Ziel. Noch Generationen von Forschenden würden sich zukünftig mit den ungelösten Rätseln des Universums beschäftigen. Einen grossen Meilenstein dafür hat Karsten Danzmann mit seinen Forscherkolleginnen und -kollegen jetzt gelegt.
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut (AEI)) Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut (AEI)) ist ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft mit Teilinstituten in Potsdam-Golm und in Hannover, wo es eng mit der Leibniz Universität Hannover zusammenarbeitet. Seit seiner Gründung im Jahr 1995 hat sich das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik als international führende Forschungseinrichtung etabliert. Fünf Abteilungen und mehrere unabhängige Forschungsgruppen bearbeiten am AEI das gesamte Spektrum der Gravitationsphysik: von den gewaltigen Dimensionen des Universums bis zu den winzigen Strings. Das AEI ist die einzige Forschungseinrichtung weltweit, die all diese Felder unter einem Dach vereint. Drei der fünf Abteilungen sind Teil der LIGO Scientific Collaboration und haben entscheidend dazu beigetragen, den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen Realität werden zu lassen. Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover Das Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover befindet sich am gleichen Ort wie das AEI Hannover. Unter einem Dach arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beider Institutionen eng an allen Aspekten der Gravitationswellenforschung. Mehr als 50 Studierende arbeiten als Doktoranden an der Leibniz Universität in der gemeinsamen International Max Planck Research School (IMPRS) on Gravitational Wave Astronomy.
Gravitationswellenforschung in der Max-Planck-Gesellschaft hat eine lange Tradition und reicht bis zu den ersten Anfängen in den 1960er Jahren zurück. Die Max-Planck-Forschungsgruppe führte Koinzidenz-Experimente zwischen resonanten Detektoren durch und widerlegte so die frühen Behauptungen eines direkten Nachweises von Gravitationswellen in den 1960er Jahren. Danach wandte sich die Gruppe der Laserinterferometrie zu und baute die ersten ernstzunehmenden Prototypen von laserinterferometrischen Gravitationswellen-Detektoren. Dabei entwickelten und/oder demonstrierten sie die meisten der Kernkonzepte, die nun ein zentraler Bestandteil aller grossen Gravitationswellen-Observatorien sind: optische Modenfilter, Streulichtunterdrückung, Leistungsüberhöhung und später in der Zusammenarbeit mit der Leibniz Universität Hannover duales Recycling, resonante Seitenband-Extraktion, thermisch-adaptive Optik, mehrstufige monolithische Aufhängungen und stabilisierte Hochleistungslaser. Neues Zeitalter der Astronomie Gravitationswellen sind eine wichtige Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Danach erzeugen beschleunigte Bewegungen grosser Massen Kräuselungen in der Raumzeit, die sich noch in grosser Entfernung als winzige Abstandsänderungen zwischen Objekten nachweisen lassen. Doch selbst Gravitationswellen, die von astrophysikalischen Quellen - wie Sternexplosionen oder verschmelzenden schwarzen Löchern - erzeugt werden, verändern die Länge einer einen Kilometer langen Messstrecke nur um den Tausendstel Durchmesser eines Protons (10-18 Meter). Erst jetzt haben die Detektoren die erforderliche Empfindlichkeit erreicht, um Gravitationswellen zu messen. Die Beobachtung des bislang dunklen "gravitativen Universums" läutet ein neues Zeitalter der Astronomie ein. Kollaboration Die Kollaboration umfasst interferometrische Gravitationswellen-Detektoren wie aLIGO (in den USA), GEO600 (in Deutschland) und Virgo (in Italien) sowie die geplanten Detektoren in Japan und Indien. Ein Detektor für niederfrequente Gravitationswellen im Weltraum (LISA) wird von ESA- und NASA-Wissenschaftlern und Forschenden der Leibniz Universität Hannover und vom AEI, die eine führende Rolle spielen, vorbereitet. Entdecktes Signal Das Signal, das nun entdeckt wurde, wird als GW150914 bezeichnet, da es die Erde am 14. September 2015 um 09:50:45 Weltzeit erreichte. Es wurde von beiden LIGO-Detektoren in Hanford und in Livingston registriert. Es dauerte rund 0,2 Sekunden, während derer das Signal in Frequenz und Amplitude zunahm. Über diesen Zeitraum stieg die Frequenz von 35 Hertz auf 250 Hertz an, und das Signal hatte eine Spitzenamplitude von 10-21. Aus den Ankunftszeiten des Signals - der Detektor in Livingston registrierte das Signal 7 Millisekunden vor dem Detektor in Hanford - schliessen die Wissenschaftler, dass die Quelle in der südlichen Himmelshalbkugel liegt. Das Signal stimmt mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie für das Signal des finalen Umrundens und der letztendlichen Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern mit der 36- und 29-fachen Masse unserer Sonne überein. Das dabei entstehende schwarze Loch hat die 62-fache Masse unserer Sonne. Das Energieäquivalent von rund 3 Sonnenmassen wurde in einem Sekundenbruchteil in Gravitationswellen umgesetzt - das entspricht einer maximalen Leistung von rund 50-mal der des gesamten sichtbaren Universums. Aus den Beobachtungen wurde auf eine Entfernung von rund 410 Millionen Parsec (1,3 Milliarden Lichtjahre) zu dem System geschlossen. Durch Charakterisierung der zufälligen Schwankungen des Rauschens in den Advanced LIGO-Detektoren ermittelten die Forschenden die statistische Signifikanz des Signals zu 5,1 Standardabweichungen. Das bedeutet, dass ein solches Signal in den 16 Tagen ausgewerteter Beobachtung weniger als einmal in 200'000 Jahren durch zufällige Rauschschwankungen entstehen kann. Detektoren Advanced LIGO Advanced LIGO besteht aus interferometrischen Gravitationswellen-Detektoren an zwei Standorten, einer in Hanford (Washington State, USA) und einer in Livingston (Louisiana, USA). Die beiden Standorte liegen rund 3'000 km auseinander. An beiden Detektoren wird Laserlicht durch vier Kilometer lange, L-förmig angeordnete Vakuumröhren geschickt, um hochpräzise die Position von Spiegeln an den Röhrenenden zu vermessen. Nach Einsteins Relativitätstheorie ändert sich der Abstand der Spiegel minimal, wenn eine Gravitationswelle den Detektor durchläuft. Längenänderungen von weniger als dem Zehntausendstel eines Protondurchmessers (10-19 Meter) lassen sich so nachweisen. Unabhängige und weit voneinander entfernte Observatorien sind erforderlich, um sicherzustellen, dass die Signale tatsächlich aus dem Weltall kommen und um die Himmelsposition ihrer Quelle zu bestimmen. Advanced LIGO beendete die erste wissenschaftliche Datenaufnahme am 12. Januar 2016 nach vier Monaten Laufzeit. Während dieser Zeit war die Empfindlichkeit 3 bis 5 Mal höher als die von initial LIGO vor dem Ausbau. Beim Erreichen der Design-Empfindlichkeit wird eine 10-fache Erhöhung erwartet. GEO600 GEO600 ist ein interferometrischer Gravitationswellen-Detektor nahe Hannover mit 600 Meter langen Röhren für die Laserstrahlen. Entwicklung und Betrieb wurden und werden von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität Hannover zusammen mit Partnern in Grossbritannien durchgeführt. GEO600 ist Teil des weltweiten Netzwerks von Gravitationswellen-Detektoren und ist derzeit der einzige Detektor, der durchgängig Messdaten aufnimmt. GEO600 ist ausserdem eine Ideenschmiede für fortschrittliche Detektortechnologien wie nicht-klassisches (gequetschtes) Licht, Signal- und Leistungsüberhöhung und monolithische Aufhängungen für die Optik. Atlas ist ein grosser Computercluster am Albert-Einstein-Institut in Hannover mit enormer Rechenkraft. Atlas besteht aus mehr als 14'000 CPU- und 250'000 GPU-Rechenkernen. Dies macht Atlas zum leistungsfähigsten speziell für die Gravitationswellen-Datenanalyse gebauten Computercluster der Welt. Atlas wird hauptsächlich von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert und erhält Betriebsmittel von der Leibniz Universität Hannover. Finanzierung der Detektoren Der Betrieb von LIGO wird von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) finanziert, die Detektoranlagen werden von Caltech und MIT betrieben. Das LIGO-Upgrade wurde von der NSF finanziert mit wichtigen finanziellen und technischen Beiträgen von der Max-Planck-Gesellschaft, dem britischen Science and Technology Facilities Council (STFC) und dem Australian Research Council (ARC). Die Finanzierung von GEO600 tragen das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Land Niedersachsen, die Max-Planck-Gesellschaft, der Science and Technology Facilities Council und die VolkswagenStiftung.
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