Ein Team von Astrophysikern am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat mit deutschen und europäischen Kollegen das bisher umfangreichste Planetensystem an einem anderen Stern entdeckt: Um den Stern KOI-351 kreisen sieben Planeten, so viele, wie in keinem anderen bekannten Planetensystem ausserhalb unseres Sonnensystems. Sie sind darüber hinaus ähnlich angeordnet wie unsere acht Planeten, mit kleinen Gesteinsplaneten nahe dem Zentralgestirn und riesigen Gasplaneten in grösserer Entfernung. Allerdings ist das Planetensystem KOI-351 wesentlich dichter zusammengedrängt, bietet aber trotzdem einen interessanten Vergleich zu unserer kosmischen Heimat. Wichtiger Schritt auf der Suche nach einem "Zwillingssonnensystem" Schon lange sind Astrophysiker auf der ganzen Welt auf der Suche nach einem Sternensystem, das dem unseren ähnelt. Nun hat das Team um den Astrophysiker Dr. Juan Cabrera vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof einen grossen Schritt in diese Richtung getan. Insgesamt sieben Planeten umkreisen den Stern KOI-351. Drei von ihnen wurden bereits in den letzten Jahren entdeckt. Sie umkreisen den Stern mit Perioden von 331, 211 und 60 Tagen, also Umlaufzeiten, die mit denen der Erde, der Venus und des Merkur vergleichbar sind. Die Planeten, die jetzt von Cabrera und seinem Team entdeckt wurden, befinden sich zum Teil noch näher am Stern und haben Umlaufzeiten von 7, 9, 92 und 125 Tagen. Der äusserste der sieben Planeten umkreist den Stern in einer Entfernung von etwa 150 Millionen Kilometern. Das ist eine "Astronomische Einheit" (AE) und entspricht ziemlich genau der Distanz der Erde von der Sonne. Das bedeutet, das System aus sieben Planeten ist auf einem Raum zusammengedrängt, der dem Raum zwischen Erde und Sonne entspricht. Juan Cabrera und seine Kollegen betonen in ihrem Aufsatz im Fachjournal Astrophysical Journal, der jetzt erschien, die Ähnlichkeit zwischen KOI-351 und unserem Sonnensystem: "Kein anderes Planetensystem zeigt eine solche Übereinstimmung mit der 'Architektur' unserer kosmischen Heimat wie dieses System um KOI-351", sagt Dr. Cabrera. "Genau wie bei unserem Sonnensystem sind auf den inneren Bahnen Gesteinsplaneten in ähnlicher Grösse wie die Erde zu finden, und auf den äusseren Bahnen Gasriesen ähnlich zu Jupiter und Saturn." "Wir können nicht genug betonen, wie wichtig diese Entdeckung ist. Es ist ein grosser Schritt auf der Suche nach einem 'Zwilling' zu unserem Sonnensystem und damit auch auf der Suche nach der zweiten Erde", so Cabrera. Heike Rauer, Leiterin der Abteilung Extrasolare Planeten und Atmosphären am DLR-Institut für Planetenforschung und Professorin im Zentrum für Astronomie und Astrophysik an der TU Berlin fügt hinzu: "Die Entdeckung dieses komplexen Planetensystems hilft uns, die Prozesse, die solche Planetensysteme entstehen lassen, besser zu verstehen." Prof. Dr. Tilman Spohn, Leiter des DLR-Instituts für Planetenforschung, betont: "Das DLR ist stolz, einen wesentlichen Beitrag zur Entdeckung von neuen Planetensystemen geleistet zu haben." Eigens entwickeltes Computerprogramm ermöglichte Entdeckung Erst die Entwicklung eines speziellen Computer-Algorithmus ermöglichte Juan Cabrera die Entdeckung der vier neuen Planeten an KOI-351. Der DLR-Astrophysiker war dadurch in der Lage, die charakteristischen Lichtkurven, die den "Transit" eines Planeten vor dem Stern verraten, aus den Kepler-Messungen herauszufiltern. Unter einem Transit versteht man ein winziges, periodisch wiederkehrendes Abdimmen des Sternenlichts beim Vorbeiziehen des Planeten vor der Sternenscheibe. Cabreras Technik dürfte wegweisend für die Suche nach ähnlichen Mehrfachsystemen in den grossen Datensätzen zukünftiger Weltraumteleskope sein. Die Entdeckung wurde kurz darauf auch von einer amerikanischen Gruppe um Joseph R. Schmitt von der amerikanischen Universität Yale durch visuelle Inspektion der von Kepler aufgezeichneten Lichtkurven bestätigt. KOI ist die Abkürzung für "Kepler Object of Interest", das bedeutet, der Stern wurde während der Mission des Weltraumteleskops Kepler der NASA zwischen 2008 und 2013 beobachtet und dabei als Kandidat für die Existenz von Exoplaneten eingestuft. KOI-351 ist nun der Stern mit den meisten bekannten "extrasolaren" Planeten, oder auch kurz Exoplaneten. Der Stern befindet sich in 2500 Lichtjahren Entfernung. Ungewöhnliche Resonanzen zwischen den einzelnen Planeten "Die Resonanzen der Planetenbahnen sind ein weiteres interessantes Merkmal dieses Systems", erklärt Dr. Szilárd Csizmadia vom DLR und Mitglied des Teams um Dr. Cabrera. Von Resonanzen spricht man, wenn zwei oder mehrere Himmelskörper periodisch auf ihren Bahnen so zueinander stehen, dass sie sich mit ihrer Schwerkraft gegenseitig beeinflussen. "Resonanzen spielen auch in unserem Sonnensystem eine wichtige Rolle, beispielsweise bei den Jupitermonden. Sie machen KOI-351 zu einer Art 'Goldmine' für alle Forscher, die sich mit Planetenformation und der Stabilität von Mehrkörpersystemen beschäftigen". Diese Resonanzen um KOI-351 erschwerten allerdings die Suche nach den Planeten erheblich. Durch die starke Wechselwirkung zwischen den Planeten waren die Signale, die Juan Cabrera in den Keplerdaten suchte, nicht mehr wie üblich streng periodisch, sondern wiesen starke Abweichungen in den Umlaufzeiten auf. Prof. Rudolf Dvorak von der Universität Wien hebt daher den Planeten KOI-351g als besonders interessant hervor: "Bei ihm dauerte der zuletzt beobachtete Umlauf überraschend einen Tag länger als der vorangegangene. Störungen dieser Art kannte man schon vorher, aber bisher nur mit maximalen Abweichungen von wenigen Minuten." Wegweisende Entdeckung für die Zukunft der Exoplanetenforschung Die Entdeckung ist auch ein Zeichen in die Zukunft bei der Suche nach extrasolaren Planeten. Nachdem die beiden erfolgreichen Weltraumteleskope Kepler und CoRoT in diesem Jahr ihren Dienst aufgeben mussten, schauen die Planetenjäger nun voller Hoffnung auf die zur Entscheidung anstehende PLATO-Mission. PLATO (PLAnetary Transits and Oscillations of Stars) soll auf den Erfahrungen von CoRoT und Kepler aufbauen und nach Planetensystemen um nahe und damit helle Sterne suchen, für die umfangreiche Nachbeobachtungen möglich sind. Dadurch könnte man neben dem Radius (wie bei dem System KOI-351) der Planeten auch ihre genaue Masse bestimmen. Dies würde einen ersten Blick auf die Zusammensetzung der Planeten erlauben. Ausserdem wäre es für solche nahen Systeme sogar möglich, die Atmosphäre der Planeten zu untersuchen, in denen vielleicht Hinweise auf die Aktivität von Lebewesen zu finden sein könnten. Dies wäre ein entscheidender Durchbruch auf der Suche nach der 'zweiten Erde'. Die Europäische Weltraumorganisation ESA wird Anfang 2014 eine Entscheidung über die PLATO-Mission fällen. Erst vor kurzem, nur etwa 25 Jahre nach der ersten, zunächst gar nicht realisierten Entdeckung eines extrasolaren Planeten, wurde der 1000. Exoplanet entdeckt. Insgesamt sind heute 771 Sterne mit Planeten bekannt. Die meisten der an anderen Sternen entdeckten Planeten sind allerdings "Einzelgänger". Lediglich von 170 Sternen ist bekannt, dass sie von mehr als einem Planeten umkreist werden. Grosse Planetensysteme sind dabei jedoch die Ausnahme, aber nicht, weil es sie nicht geben würde, sondern weil sie besonders schwierig zu entdecken und zu charakterisieren sind. So sind derzeit nur eine Handvoll Systeme mit wenigstens fünf Planeten bekannt. Autoren des oben genannten Aufsatzes im Astrophysical Journal sind: J. Cabrera, Sz. Csizmadia (Institut für Planetenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), H. Lehmann (Thüringer Landessternwarte), R. Dvorak (Universitätssternwarte Wien), D. Gandolfi (Research and Scientific Support Department, ESTEC/ESA und INAF - Catania Astrophysical Observatory), H. Rauer (Institut für Planetenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Zentrum für Astronomie und Astrophysik, TU Berlin), A. Erikson, C. Dreyer, Ph. Eigmuller (Institut für Planetenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und A. Hatzes (Thüringer Landessternwarte).
Details zu einzelnen Planeten um KOI-351: - Die Planeten KOI-351b und KOI-351c wurden neu entdeckt. Sie sind nur 31 Prozent bzw. 19 Prozent grösser als die Erde. Um solch kleine Planeten entdecken zu können, wurde von Dr. Juan Cabrera ein spezieller Algorithmus entwickelt. Neben der Grösse dieser Planeten ist bemerkenswert, dass sie sich in einer sogenannten 5:4 Resonanz befinden: In der Zeit, in der Planet "b" den Stern 5 mal umkreist, hat Planet "c" den Stern genau 4 mal umkreist. Ähnliche Resonanzen kennen wir auch von den inneren Monden des Jupiter. - Planet KOI-351d war schon bekannt. Er umkreist den Stern mit einer Periode von 60 Tagen. Der Durchmesser ist 2,9-mal so gross wie der der Erde. Er ist damit wahrscheinlich eine sogenannte "Super-Erde" oder ein "Mini-Neptun". Da die Masse nicht bekannt ist, ist es bisher nicht möglich zu entscheiden, welcher der beiden Klassen dieser Planet angehört. - Der Planet KOI-351e ist ebenfalls eine Neuentdeckung und in etwa so gross wie KOI-351d (2,9-facher Durchmesser der Erde). Das Phänomen, dass benachbarte Planeten in Planetensystemen ähnliche Grössen haben, kennen wir auch von unserem Sonnensystem, beispielsweise bei Neptun und Uranus bzw. bei Venus und der Erde. Bei Exoplaneten wurde dies jetzt erstmalig beobachtet. Auch dies unterstreicht die Ähnlichkeit dieses Systems zu unserem Sonnensystem. - Die grossen Gasriesen KOI-351g und KOI-351h (etwa 8-facher bzw. 11-facher Durchmesser der Erde) umkreisen ihren Stern auf langperiodischen, äusseren Bahnen (211 bzw. 331 Tage). Dies erinnert sehr an unser Sonnensystem, in dem es ebenfalls nach den vier Gesteinsplaneten (Merkur, Venus, Erde, Mars) zwei Gasriesen (Jupiter und Saturn) mit 10- bzw. 8-fachem Erddurchmesser gibt.
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