Weltdrogenbericht 2009 unterstreicht Verbindung zwischen Drogen und Kriminalität Märkte für Opiate, Kokain und Cannabis stagnieren oder schrumpfen, Aufwärtstrend dagegen bei synthetischen Drogen UNODC-Direktor fordert stärkere Investitionen in Drogentherapie und Verbrechenskontrolle
In Afghanistan, einem Land mit 93 Prozent der weltweiten Opiumernte, ging der Schlafmohnanbau 2008 um 19 Prozent zurück. In Kolumbien, das die Hälfte des globalen Kokainvolumens produziert, sank der Anbau um 18 Prozent und die Produktion, verglichen mit 2007, um unglaubliche 28 Prozent. Die globale Kokaproduktion befindet sich trotz einiger Steigerungen beim Anbau in Peru und Bolivien mit 845 Tonnen auf einem Fünfjahrestief. Cannabis bleibt die am häufigsten angebaute und konsumierte Droge weltweit, allerdings liegen weniger genaue Schätzungen vor. Erhobene Daten verdeutlichen auch, dass die Droge schädlicher ist als gemeinhin angenommen. Der durchschnittliche THC-Gehalt (der schädliche Bestandteil) von Marihuana aus Hydrokultur in Nordamerika hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Das hat weitreichende Folgen für die Gesundheit, wie sich an der signifikant gestiegenen Anzahl von Menschen zeigt, die sich in eine Therapie begeben. Was
den Konsum betrifft, so sind die grössten Absatzmärkte für
Cannabis (Nordamerika, Ozeanien und Westeuropa), Kokain (Nordamerika und
einige Teile Westeuropas) und Opiate (Südostasien und Westeuropa)
allesamt stagnierend oder rückläufig. Für die Entwicklungs-
und Schwellenländer sind die Daten weniger deutlich.
Die Nachrichten bezüglich synthetischer Drogen - Amphetamine, Methamphetamine und Ecstasy - sind gemischt. In den Industrieländern hat sich der Konsum stabilisiert. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist man besorgt, dass Produktion und Konsum steigen könnten; allerdings liegen nur begrenzte Datenmengen vor. Was einmal ein Kleingewerbe war, ist zum grossen Geschäft geworden. Labors von Fabrikgrösse in Südostasien - besonders in der Greater Mekong Subregion - produzieren gewaltige Mengen an Methamphetamintabletten, Crystal Meth und anderen Substanzen wie Ketamin. Einige Länder der Europäischen Union sind Hauptlieferanten von Ecstasy; Kanada hat sich zu einem wichtigen Umschlagplatz für Crystal Meth und Ecstasy entwickelt. Im
Nahen und Mittleren Osten ist der Konsum des Amphetamins Captagon sprunghaft
angestiegen. 2007 beschlagnahmte Saudi-Arabien ein Drittel aller Substanzen
der Amphetamingruppe weltweit, insgesamt mehr als China und die Vereinigten
Staaten zusammen.
"Der 50 Milliarden Dollar schwere globale Kokainmarkt erlebt Veränderungen seismischen Ausmasses", so Costa. Und weiter: "Der Reinheitsgrad und die Beschlagnahmungen (in den wichtigsten Konsumländern) sind zurückgegangen, die Preise gestiegen und die Konsummuster im Wandel begriffen. Das könnte zur Erklärung des erschreckenden Anstiegs von Gewalt in Ländern wie Mexiko beitragen. In Mittelamerika kämpfen Kartelle um einen schrumpfenden Markt." In Westafrika scheint nach fünf Jahren raschen Wachstums die Abnahme der Konfiszierungen jetzt einen geringeren Kokainfluss widerzuspiegeln. "Internationale Bemühungen zeitigen Erfolge", so Costa. Doch mit Drogenkriminalität verbundene Gewalt und politische Instabilität bestehen fort, besonders in Guinea-Bissau. "Solange es Nachfrage nach Drogen gibt, werden schwächere Länder immer wieder von illegalen Händlern angepeilt. Wenn Europa Afrika wirklich helfen will, sollte es seine Kokaingelüste dämpfen", so der höchste Drogenkontrollbeamte der Vereinten Nationen. Während 41 Prozent des weltweiten Kokainvolumens beschlagnahmt werden (hauptsächlich in Kolumbien), kann nur ein Fünftel (19 Prozent) aller Opiate abgefangen werden. Iran und Pakistan sind vom illegalen Drogenhandel am schlimmsten betroffen, und sie sind es auch, die die meisten Opiate (Opium, Morphin und Heroin) beschlagnahmen. 2007 wurden im Iran 84 Prozent des weltweiten Opiumvolumens konfisziert und 28 Prozent des gesamten Heroins. Pakistan rangiert an zweiter Stelle, was Beschlagnahmungen von Heroin (und Morphinen) betrifft. Um
den Informationsaustausch zu verbessern und gemeinsame Aktionen zur Drogenbekämpfung
durchzuführen, hat UNODC eine Dreiecksinitiative zwischen Afghanistan,
Iran und Pakistan entwickelt. "Je mehr Opium in Afghanistans Nachbarschaft
beschlagnahmt wird, desto weniger Heroin gelangt auf die Strassen Europas.
Und umgekehrt, je weniger Heroinkonsum im Westen, desto mehr Stabilität
im Nahen und Mittleren Osten", so Costa, der diese Botschaft am 27. Juni
in Triest auf einer ministeriellen Kontaktkonferenz der G8-Staaten zu Afghanistan
verkünden wird.
Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Bericht den Folgen der Drogenkriminalität und den Massnahmen, die man dagegen ergreifen kann. Im Vorwort zum Bericht beleuchtet Costa die Debatte über die Aufhebung von Drogenkontrollen. Er räumt ein, die Kontrollen hätten einen illegalen Schwarzmarkt von makroökonomischen Ausmassen geschaffen, in dem Gewalt und Korruption an der Tagesordnung seien. Doch er warnt vor der Legalisierung von Drogen als einem Weg zur Beseitigung dieser Bedrohung, wie es manche vorgeschlagen haben. Dies wäre ein "historischer Fehler". "Illegale Drogen gefährden die Gesundheit, darum müssen Drogen jetzt und in Zukunft kontrolliert werden", so der UNODC-Direktor. "Befürworter der Legalisierung müssen sich entscheiden", so Costa. "Ein freier Drogenmarkt würde eine Epidemie lostreten, während ein kontrollierter Markt einen parallelen Schwarzmarkt entstehen lässt. Legalisierung ist kein Zaubermittel, mit dem man sowohl mafiöse Organisationen als auch den Drogenmissbrauch abschaffen kann", sagte Costa. "Gesellschaften sollten nicht zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit wählen müssen: Sie können und sollten beides tun", sagte er. Entsprechend forderte er mehr Mittel zur Prävention und Therapie von Drogenmissbrauch, sowie schärfere Massnahmen zur Bekämpfung von Drogenkriminalität. Der
Direktor des amerikanischen Bundesamts für nationale Drogenkontrollpolitik,
Gil Kerlikowske, sagte: "Aus dem Weltdrogenbericht 2009 geht hervor, dass
Drogen für alle Nationen ein Problem darstellen. Wir alle haben die
Pflicht, den Drogenmissbrauch in unseren Gesellschaften anzusprechen. Auf
internationaler Ebene engagiert sich die Obama-Regierung für den Ausbau
von Initiativen zur Nachfragereduzierung, um sicherzustellen, dass Menschen
- besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern -, die kämpfen,
um aus ihrer Abhängigkeit herauszukommen, Zugang zu wirksamen Therapieprogrammen
erhalten. Wir haben viel über die Krankheit Drogenabhängigkeit
gelernt und wissen, dass Therapien erfolgreich sind. Durch umfassende und
wirksame Strafverfolgung, durch Bildung, Prävention und Therapie wird
es uns gelingen, den Drogenmissbrauch und seine verheerenden Auswirkungen
einzudämmen.
Der
Bericht gibt eine Reihe von Empfehlungen zu der Frage, wie man die Drogenkontrolle
verbessern kann.
Zweitens rief Costa dazu auf, "die Tragödie von Städten ausser Kontrolle" zu beenden. So wie der grösste Teil des illegalen Anbaus in Regionen stattfindet, die ausserhalb der Reichweite amtlicher Kontrolle liegen, werden die meisten Drogen in Stadtvierteln verkauft, in denen die öffentliche Ordnung zusammengebrochen ist. "Bessere Wohnverhältnisse, Arbeitsplätze, Bildung, Dienstleistungen der öffentlichen Hand und Freizeitangebote können die Anfälligkeit der Kommunen für Drogen und Verbrechen verringern", so Costa. Drittens müssen Regierungen die internationalen Abkommen gegen die organisierte Kriminalität umsetzen. Internationale Instrumente zur Verbrechensbekämpfung wie die übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Korruption werden nicht eingesetzt. "Daher haben zu viele Staaten ihre hausgemachten Kriminalitätsprobleme", sagte der UNODC-Direktor. Insbesondere seien "die gegenwärtig verfügbaren Mittel zur Bekämpfung von Geldwäsche und Internet-Kriminalität unzureichend". Viertens forderte Costa grössere Effektivität in der Strafverfolgung. Er bestärkte die Polizei darin, sich auf die kleine Anzahl hochkarätiger, gewalttätiger Krimineller mit hohen Umsätzen und nicht auf die hohe Anzahl von Kleinkriminellen zu konzentrieren. In einigen Ländern beträgt das Verhältnis von inhaftierten Dogenkonsumenten zu Drogenhändlern 5:1. "Das ist Geldverschwendung für die Polizei und eine Verschwendung von Lebenszeit für diejenigen, die im Gefängnis sitzen. Jagen Sie die Piranhas und nicht die kleinen Fische", so Costa. Um
mehr Transparenz zu schaffen und die Zuverlässigkeit der Drogendaten
zu verbessern, hat UNODC in diesem Jahr Konfidenzintervalle für die
länderbezogenen Schätzungen eingeführt, die im Weltdrogenbericht
verwendet werden. Für viele Regionen und für einige Drogen (wie
amphetaminartige Stimulanzien und Cannabis) sind die Konfidenzintervalle
relativ breit, da die Datenmengen begrenzt sind. "Ich fordere die Regierungen
dringend auf, mehr Daten zu erheben. So werden wir ein klareres Bild der
Drogentrends erhalten, was in der Folge zu einer Verbesserung der Drogenkontrolle
führen wird", so Costa.
UNODC leitet die Weltweite Anti-Drogenkampagne 2009, um die grosse Herausforderung bewusst zu machen, die illegale Drogen für die Gesellschaft im Ganzen und insbesondere für die Jugend darstellen. Ziel der Kampagne ist es, Unterstützung zu mobilisieren und Menschen anzuregen, gegen Drogenmissbrauch und Drogenhandel vorzugehen. Die Kampagne will junge Menschen ermutigen, ihre Gesundheit an erste Stelle zu setzen und keine Drogen zu nehmen.
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