In den vergangenen vier Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs haben Meldungen über einen Fachkräftemangel zugenommen. Vorwiegend bei hochqualifizierten und spezialisierten Berufsgattungen bekunden die Unternehmen zunehmend Mühe, Fachpersonal zu finden. Nachwuchskräfte mit naturwissenschaftlich-technischem Hintergrund sind nicht nur für den Industriesektor von Bedeutung, sondern ebenso für den stark wachsenden Dienstleistungssektor. Mit der Globalisierung und der damit einhergehenden Vernetzung von wissensbasierten Arbeitsleistungen wird mehr Personal mit technischen Kenntnissen und Fertigkeiten benötigt. Hochqualifizierte Berufsleute sind in allen Funktionsstufen gefragt wie zum Beispiel Informatikfachleute im Finanzsektor, Mediamatikerinnen und Mediamatiker im kaufmännischen Sektor oder Kommunikationsfachleute im Verkehr. Auch im Gesundheitswesen werden modernste Technologien in grossem Stil eingesetzt. Wenn in der Schweiz keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden sind, rekrutieren Schweizer Grossunternehmen vor allem in Deutschland. Gemäss Branchenerhebungen sind rund ein Drittel aller in Deutschland ausgeschriebenen Stellen bei Schweizer Firmen sogenannte "Professionals", sehr gut ausgebildete Fachkräfte mit grosser Berufserfahrung. Auf Platz zwei folgt die Ländergruppe Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und Grossbritannien. Insgesamt wird befürchtet, dass es inskünftig in anspruchsvollen Bereichen der beruflichen Grundbildung schwieriger wird, geeignete Lehrstellenbewerberinnen und -bewerber zu rekrutieren. Auf politischer Ebene werden vermehrt Forderungen erhoben, dem drohenden Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu begegnen. Es ist deshalb wichtig, frühzeitig ein gemeinsames Verständnis für den Sachverhalt zu entwickeln sowie bestehende und allenfalls neue Lösungswege aufzuzeigen.
Fachkräftemangel kann mehrere Ursachen haben. In der beruflichen Grundbildung ist aufgrund der Prognosen des Bundesamtes für Statistik davon auszugehen, dass die demografische Entwicklung der Schulabgängerinnen und -abgänger in den nächsten Jahren zu einer Entlastung auf dem Lehrstellenmarkt führen wird. Was für die einen ein Anzeichen einer Entlastung darstellt, ist für die anderen eine neue Sorge, die Nachwuchskräfte im eigenen Land in ausreichender Zahl rekrutieren zu können. Neben der demografischen Entwicklung beeinflussen weitere gesellschaftliche Faktoren wie beispielsweise Karrieremöglichkeiten, Sozialprestige, Höhe des Lohnes oder die Weiterbildungsangebote das Berufswahlverhalten der Jugendlichen. In diese Kategorie von Ursachen gehören auch die veränderten Präferenzen Jugendlicher bezüglich naturwissenschaftlicher oder technischer Berufe. Strukturell bedingter Fachkräftemangel, wie er beispielsweise im wachsenden Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor zu beobachten ist oder im Aufkommen neuer Technologien, wirkt sich längerfristig aus. Auch hier kann zum Teil durch längerfristig angelegte Bildungsmassnahmen oder arbeitsmarktliche Massnahmen entgegengewirkt werden. Beiträge aus der beruflichen Bildung: Neue berufliche Grundbildungen im Gesundheits- und Sozialwesen (Fachangestellte Betreuung und Gesundheit) oder neue Organisationsformen in der beruflichen Grundbildung wie Lehrbetriebsverbünde. Weiter können die konjunkturellen Schwankungen Ursache des Fachkräftemangels sein wie Berechnungen des Seco zeigen: Im zweiten Quartal 2004, zu Beginn der letzten wirtschaftlichen Aufschwungphase auf dem Schweizer Arbeitsmarkt, gaben 45 Prozent der Unternehmen an, Arbeitskräfte mit einer abgeschossenen beruflichen Grundbildung gesucht zu haben. Lediglich 14 Prozent hatten Mühe diese Stellen zu besetzen. Vier Jahre später, im zweiten Quartal 2008 suchten 53 Prozent der Unternehmen Arbeitskräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung; 25 Prozent bekundeten Rekrutierungsprobleme. Schliesslich sind in einer zunehmend globalisierten Welt auch die internationalen Migrationsflüsse zu berücksichtigen, die sich nach dem Angebot und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt richten.
An der Lehrstellenkonferenz 2008 wurde die Situation des Fachkräftemangels in der Schweiz aus drei verschiedenen Blickwinkeln - Arbeitsmarkt, Berufsbildung und Systemkenntnisse - dargestellt und mit den Teilnehmenden diskutiert. Dabei ging es darum, Lücken im bestehenden Instrumentarium zu identifizieren, Handlungsfelder zu bestimmen und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Diverse Statistiken zeigen, dass die Studienanfänger in exakten Wissenschaften in den letzten Jahren in gewissen Studienfeldern drastisch abgenommen haben. Z.B. haben die Anzahl der Erstsemestrigen in den Fachhochschulen von 2001 bis 2006 von ca. 1'300 Studierende auf ca. 980 abgenommen. 1)
Arbeitsmarkt
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Berufsbildung
3)
Systemkenntnisse
Wirkungsmechanismen und Zusammenhänge erkennen und analysieren
Frühwarnsystem zur Fachkräfteproblematik
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