Der Permafrostboden der nördlichen Erdhälfte speichert fast doppelt so viel Kohlenstoff, wie derzeit in der Atmosphäre enthalten ist. "Wenn der Boden auftaut, beginnen Mikroorganismen und Bakterien die Pflanzen- und Tierreste, die seit Jahrtausenden in der Erde lagern, zu zersetzen. Dabei produzieren sie Kohlendioxid und Methan. Steigt also die globale Temperatur weiter an, könnte der Permafrost mehr Treibhausgase freisetzen", erklärt Dr. Guido Grosse, Permafrostforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Co-Autor der aktuellen Studie. Wie schnell der Boden der Arktis auftaut und Treibhausgase freisetzt, sind deshalb entscheidende Fragen. Bisher gab es hierzu allerdings unterschiedliche Antworten.
Hat der Tauprozess allerdings erst einmal begonnen, lässt er sich nicht mehr so schnell aufhalten. Selbst wenn wir jetzt die menschengemachten Emissionen drastisch reduzieren, würde der Permafrost über die nächsten Jahrhunderte weiter tauen", sagt Dr. Guido Grosse. Wie viel Kohlenstoff speichert der Permafrost? Neue Erkenntnisse erlangten die Wissenschaftler vor allem in Bezug auf die Kohlenstoffmenge, die in den Permafrostregionen vermutet wird. Gingen erste Studien noch von 1'600 bis 1'700 Milliarden Tonnen aus, konnte das Team mit Hilfe historischer und aktueller Daten die Werte für die detaillierter untersuchten Permafrostregionen auf 1330 bis 1580 Milliarden Tonnen eingrenzen. Dazu kommen weitere, bis zu 400 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den Regionen, die wegen der dortigen spärlichen Datenlage allerdings noch mit grosser Unsicherheit in der Mengenabschätzung belegt sind. Den grössten Anteil, rund siebzig Prozent, davon erwarten die Wissenschaftler in den oberen drei Metern des Permafrostbodens. Doch auch in Tiefen von bis zu 40 Metern lagern wohl beträchtliche Kohlenstoffmengen. "Wir nehmen an, dass selbst die tiefen gefrorenen Ablagerungen für uns Menschen durchaus klimarelevant sind. Denn diese Schichten enthalten viel Eis, das bei steigenden Temperaturen schmilzt und den Permafrost trotz der Tiefe anfällig für schnelles und tiefes Auftauen innerhalb der nächsten 100 bis 300 Jahre macht und zur Freisetzung von Treibhausgasen führen kann", erklärt der AWI-Permafrostforscher. Ein beträchtlicher Anteil Kohlenstoff noch unbekannter Grössenordnung befindet sich darüber hinaus unter dem Meeresspiegel der Schelfmeere Nordsibiriens und Alaskas. Permafrost, der sich hier während der letzten Eiszeit noch an Land gebildet hat, wurde mit dem Ende der Kaltzeit überflutet und Teile davon bestehen seitdem als so genannter submariner Permafrost weiter. Abruptes, regionales Tauen von Permafrost
Diese Thermokarst-Prozesse sind für uns deshalb ein deutliches Anzeichen dafür, dass das Tauen nicht immer graduell abläuft, sondern unter bestimmten Bedingungen - wie bei einer starken Erwärmung oder veränderten Niederschlägen - regional auch sehr plötzlich stattfinden kann", erklärt Dr. Guido Grosse. Kohlenstoff ist nicht gleich Kohlenstoff Allerdings, fassen die Forscher zusammen, führt das Tauen der Permafrostböden nicht automatisch dazu, dass der gesamte darin gespeicherte Kohlenstoff als Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre abgegeben wird. "Auch Mikroben und Bakterien haben gewisse Futtervorlieben. Teile des Kohlenstoffs können sie sehr leicht aufnehmen, an anderen haben sie mehr zu knabbern, um sie umzusetzen - und einige können sie nur extrem langsam zersetzen", erklärt Dr. Guido Grosse. Erste Langzeitversuche ergaben zudem, dass besonders am Anfang, wenn der Boden zu tauen beginnt, die Kohlenstoff-Verlustrate hoch ist. Über die Zeit jedoch nimmt diese Rate wieder ab. Bereits zum Jahr 2100 könnten allerdings 15 Prozent des leicht zu verwertenden Kohlenstoffs als Treibhausgase freigesetzt werden. Den Wissenschaftlern zu Folge würde dies noch in diesem Jahrhundert zu einer zusätzlichen globalen Erwärmung um bis zu 0,27 Grad Celsius führen. Tauender Permafrost in Klimamodellen Ziel der Permafrost-Forscher ist es nun, die neuen Erkenntnisse in Klimamodelle einzubauen. Denn bisher fanden Permafrost-Prozesse nur wenig Beachtung, wenn es darum ging, Aussagen über das zukünftige Klima zu treffen. "Wenn man bedenkt, dass die Permafrost-Regionen, die immerhin fast ein Viertel der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel einschliessen, vermutlich ebenso viel Treibhausgase freisetzen, wie die historisch viel beachteten menschengemachten Veränderungen in der Landnutzung, dann zeigt sich wie bedeutend diese Vorgänge für unser Klima sind", erzählt Dr. Guido Grosse. Finanziert wurde die Zusammenarbeit des internationalen Forscherteams durch die amerikanische National Science Foundation (NSF). Dr. Guido Grosse wurde durch das European Research Council (ERC) mit dem Projekt PETA-CARB und dem Helmholtz Impuls- und Vernetzungsfonds finanziert. Originalarbeit Das Papier erschien am 9. April 2015 mit dem Originaltitel "Climate Change and the Permafrost Carbon Feedback" im Fachmagazin Nature. DOI: 10.1038/nature14338
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