In Deutschland leben etwa 3,2 bis 3,5 Millionen Menschen muslimischer Prägung bzw. muslimischer Abstammung. Die Abgrenzung ist nicht einfach, da nicht alle Menschen muslimischer Abstammung bekennende Muslime im religiösen Sinn sind. Wenn nach dem Merkmal "Nationalität" untersucht wird, zeigt sich folgendes Bild: von den in Deutschland lebenden Muslime bzw. Menschen muslimischer Abstammung sind 1,8 Millionen Türken, rund 200'000 Bosnier/Herzegowiner, 100'000 Iraner, 80'000 Marokkaner, 70'000 Afghanen, eine unbekannte Zahl deutscher Konvertiten und rund 800'000 Eingebürgerte (zumeist vormals aus der Türkei). In Deutschland leben somit zu fast 95 Prozent Muslime aus nichtarabischen Ländern. Eine
Unterscheidung nach Glaubensrichtungen im Islam ergibt, dass neben rund
2,4 Millionen Sunniten (80 Prozent) noch knapp 500'000 Aleviten (17 Prozent)
und knapp 130'000 Schiiten (3 Prozent) in Deutschland leben (Angaben 2006).
Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil dieser Gruppen sich kaum noch oder gar nicht mehr als Muslim definiert. Die religiöse und kulturelle Vielfalt der in Deutschland lebenden Muslime spiegelt sich auch in einem geringen und uneinheitlichen Organisationsgrad wider. Nur ca. 10 bis 15 Prozent sind in Moscheevereinen und Organisationen zusammengeschlossen. Die wesentlichen islamischen Organisationen in Deutschland sind: DITIB, Islamrat, ZMD, VIKZ und die Alevitische Gemeinde, die zusammen auf etwa 300'000 Mitglieder kommen. Bislang gibt es in Deutschland keine religiöse Gesamtorganisation bzw. keinen Dachverband als überregionalen Ansprechpartner für staatlichen Stellen (Bund, Länder und Kommunen). Die muslimischen Vereinigungen haben zumeist den Rechtsstatus eingetragener Vereine und geniessen i.d.R. keine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund 2'500 Moscheevereine und 2'250 Imame aktiv, die überwiegend in der Türkei oder in arabischen Ländern ausgebildet wurden und befristet nach Deutschland kommen. Laut
Verfassungsschutz sind 1 bis 2 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime
in Organisationen aktiv, die verfassungsfeindliche oder gegen Frieden und
Völkerverständigung gerichtete Absichten verfolgen. Einige Verbände
stehen in begründetem Verdacht, islamistischen Bestrebungen im Rahmen
ihrer Bildungsarbeit Vorschub zu leisten.
Viele der in Deutschland lebenden Menschen muslimischer Prägung lebt integriert in der deutschen Gesellschaft. Allerdings treten bei einem Teil wirtschaftlich-kulturelle und religionspraktische Integrationsschwierigkeiten sowie islamistische Bestrebungen auf, die zu Problemen des Zusammenlebens führen. Die wachsenden Defizite muslimischer Zuwanderer im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt, die zunehmende soziale und emotionale Segmentation vor allem junger Muslime der zweiten bzw. dritten Generation und die damit verbundenen Gefahren einer Entwicklung hin zu so genannten Parallelgesellschaften haben den Bundesminister des Innern dazu bewogen, mit der DIK einen langfristig angelegten Verhandlungs- und Kommunikationsprozess zwischen Vertretern des deutschen Staates und Vertretern der in Deutschland lebenden Muslime zu initiieren. Das Bundesministerium des Innern füllt damit den Koalitionsvertrag mit Leben "Wir
werden einen intensiven Dialog mit den grossen Christlichen Kirchen und
mit Juden und Muslimen führen. Ein interreligiöser und interkultureller
Dialog ist nicht nur wichtiger Bestandteil von Integrationspolitik und
politischer Bildung; er dient auch der Verhinderung und Bekämpfung
von Rassismus, Antisemitismus und Extremismus.
Gerade
dem Dialog mit dem Islam kommt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle
zu. Dabei ist es ein Gebot des wechselseitigen Respekts, auch Differenzen,
die die Dialogpartner trennen, eindeutig zu benennen. Dieser Dialog wird
nur gelingen, wenn wir insbesondere junge Muslime sozial und beruflich
besser integrieren."
Das Bundesministerium des Innern verfolgt mit der DIK das gemeinsam mit den Bundesländern zu erreichende Ziel, das Verhältnis zwischen dem deutschen Staat und den hier lebenden Muslimen auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Ziel der Konferenz ist eine verbesserte religions- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung in Deutschland. Dies dient zum einen der Verhinderung von gewalttätigem Islamismus und Extremismus. Zum anderen wird der Segmentation von Muslimen in Deutschland entgegengewirkt. Die Konferenz ist als langfristiger Verhandlungs- und Kommunikationsprozess zwischen dem deutschen Staat und Vertretern der in Deutschland lebenden Muslime angelegt, der zwei bis drei Jahre dauern soll. Als Ergebnis des Gesprächsprozesses wird ein breit angelegter Konsens über die Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze angestrebt. Hierbei steht insbesondere die Bewahrung und die verbindliche Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Vordergrund. Die DIK ist nicht als "Elitedialog" zwischen dem Staat und Organisationsvertretern konzipiert, sondern unternimmt den Versuch, die in Deutschland lebenden Muslime ihrer Vielfalt angemessen in den Verhandlungsprozess einzubinden. Im Verlauf der DIK soll erörtert werden, wie unterschiedliche religiöse Sitten und Gebräuche des Islam in Einklang mit der deutschen Verfassungsordnung gebracht werden können, ob und wie der Islam (als "Religion ohne Kirche") Organisationserfordernissen des deutschen Religionsverfassungsrechts gerecht werden kann und wie die über viele Jahrhunderte entwickelte deutsche Verfassungs- und Rechtsordnung zur Entwicklung eines modernen, deutschen Islam beitragen kann. Im Mittelpunkt der DIK steht das Verhältnis "Staat und Religion" sowie das damit verbundene Verhältnis "Staat und Bürger". Es geht bei der DIK nicht um Fragen nach dem Verhältnis von Islam zu Christentum (interreligiöser Dialog), sondern um die zentrale Fragestellung, wie das Verhältnis zwischen einem weitgehend säkularen Staatswesen und seinen ihn letztlich konstituierenden Bürgern mit allen ihren Freiheitsrechten (zu denen u.a. die Religionsfreiheit zählt) vor dem Nebeneinander von Kulturen und Religionen zu bewerten und gestalten ist. Bei der Konferenz handelt es sich um einen Dialog auf nationaler Ebene, der die hier lebenden Muslime auf dem Weg der Integration weiter an unser Land bindet: "Muslime in Deutschland - Deutsche Muslime."
Als Arbeitsbereiche der DIK sind u.a. vorgesehen: (1) Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens Gleichberechtigung von Mann und Frau
(2) Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis Trennung von Staat und Kirche als Grundprinzip
(3) Wirtschaft und Medien als Brücke Jugendliche in den Arbeitsmarkt (Qualifikation usw.)
(4) Sicherheit und Islamismus In einer der Konferenz beigeordneten Arbeitseinheit (Gesprächskreis) werden zusätzlich Fragen der inneren Sicherheit, islamistischer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie der Prävention und Aufdeckung islamistischer Gewalttaten erörtert.
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