Bei einem Überflug über den italienischen Vulkan Ätna hat das Satellitenpaar TanDEM-X und TerraSAR-X erstmals auf die Mikrosekunde genau gleichzeitig die Erdoberfläche aufgenommen. Mit den aufgezeichneten Daten erstellten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein dreidimensionales Höhenmodell mit einer bisher noch nicht erreichten Höhengenauigkeit von bis zu zwei Metern. Die Aufnahme, bei der die Satelliten in einem Abstand von nur 350 Metern flogen, ist weltweit die erste, die in einer so engen Satellitenformation gemacht wurde. Die Aufnahme zeigt den Vulkan Ätna an der Ostküste Siziliens, an den Ausläufern des Vulkans ist links im Bild die Stadt Catania als Ansammlung heller Punkte zu erkennen. Die 3D-Ansicht des Vulkans wurde mit den Daten prozessiert, die TanDEM-X und TerraSAR-X aufzeichneten. Dies geschieht im bi-statischen Prinzip, bei dem einer der Satelliten ein Radarsignal zur Erde sendet und die Reflektion dieses Signals von beiden Satelliten gleichzeitig empfangen wird. Dabei entsteht ein hochgenaues dreidimensionales Höhenmodell im 12-Meter-Raster. Eine ähnliche Aufnahmetechnik wurde bei der "Shuttle Radar Topography Mission" (SRTM) im Februar 2000 angewandt, bei der jedoch lediglich 60 Prozent der Erdoberfläche in einer gröberen Auflösung (alle 30 bis 90 Meter ein Höhenmesspunkt) erfasst wurden. Satellitenduo erkennt aus dem Weltall feine Strukturen Ein Vergleich des TanDEM-X-Höhenmodells mit den Daten, die mit SRTM vor zehn Jahren aufgezeichnet wurden, zeigt die verbesserte Präzision: Auf einer TanDEM-X-Radaraufnahme des Vulkangebiets um den Ätna ist die Differenz zwischen den heute vermessenen Höhen und den SRTM-Höhenangaben farbig dargestellt. Vor allem im Bereich des eigentlichen Kraters und entlang der Vulkanflanken ergeben sich Unterschiede bis zu 30 Metern. Zum einen liegt dies an der grösseren Genauigkeit der gemessenen Höhen durch TanDEM-X und TerraSAR-X: Die beiden Radarsatelliten zeichnen bei ihrem Überflug in über 500 Kilometern Höhe auch die vielen feinen Strukturen am Ätna auf, die für das SRTM nicht erkennbar waren. Zum anderen hat sich der Vulkan und seine Umgebung im Laufe der Jahre verändert: Links im Bild ist in Richtung Süden beispielsweise ein Lavastrom aus dem Jahr 2001 zu erkennen. Die aktuellen Aufnahmen mit einem feineren Raster ermöglichen also auch die Beobachtung von geodynamischen Prozessen, da das Satellitenduo bei der Erstellung eines dreidimensionalen Höhenmodells der gesamten Erdoberfläche jedes Gebiet mehrfach überfliegt und aufzeichnet.
Die Veränderungen am isländischen Vulkan Eyjafjalla sind ebenfalls im neuen Höhenmodell der beiden Radarsatelliten sichtbar. Bei ihrem Überflug konnten TanDEM-X und TerraSAR-X den Vulkan, dessen Asche-Ausstoss im Frühjahr 2010 in Europa für Flugverbote sorgte, ins Visier nehmen und die schroffe Fels- und Eislandschaft genau vermessen. Die Farben der Aufnahme geben dabei die Höhen wieder - so sind die höchsten Stellen, die Spitzen des Vulkans, in weiss dargestellt, die Ebene, in die das Schmelzwasser im Frühjahr floss, ist grün eingefärbt. Gut erkennbar ist der Krater des Vulkans, der durch seine Aktivität vom Eis freigelegt wurde. Gleich nebenan "schlummert" der Vulkan Katla unter einer massiven Eiskappe. Allerdings: Die kleinen Dellen, die in dieser 3D-Darstellung im Eis zu sehen sind, deuten darauf hin, dass auch dieser Vulkan aktiv ist und sein Eisschild dadurch schmilzt und absinkt. Gebiete wie Island können mit den Radarsatelliten im Formationsflug erstmals mit ihren Höhen kartiert werden, denn während der Shuttle-Mission SRTM reichte die Erstellung von Höhenmodellen nur bis zum 60. Breitengrad. Patentierte Erfindungen Um dreidimensionale Höhenmodelle in dieser Genauigkeit zu erstellen, betraten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Astrium GmbH Neuland: Unter anderem patentierten sie Verfahren, bei dem die Satelliten zur gegenseitigen Synchronisation Radarpulse austauschen. Damit ist gewährleistet, dass TanDEM-X und TerraSAR-X auf die Mikrosekunde genau gleichzeitig dieselben Gebiete aufzeichnen. Bisher liessen die Wissenschaftler des DLR beide Satelliten, die noch im Abstand von 20 Kilometern flogen, zeitlich versetzt auf die Erdkugel blicken und erstellten dabei etwa 2000 Höhenmodelle unterschiedlicher Regionen. Die jetzt erstellten Höhenmodelle wurden hingegen aus Daten prozessiert, die die Satelliten zeitgleich aufzeichneten. Für die automatische Berechnung der 3D-Höhenmodelle entwickelte das DLR speziell auf die Mission abgestimmte Algorithmen. "Die Verarbeitung der bi-statischen Datenpaare ist eine grosse Herausforderung. Alles muss exakt zusammenpassen, um diese Präzision zu erreichen. Von den Synchronisationssignalen bis zu millimetergenauen Orbit-Berechnungen fliessen vielfältige Informationen in die Algorithmen ein", sagt Processing Engineer Thomas Fritz vom DLR. "Alle beteiligten Systeme von der Berechnung und Planung der Aufnahmen bis hin zur Verarbeitung der Höhendaten haben bestens funktioniert", bestätigt Birgit Schättler, zuständig für die Inbetriebnahme des Bodensegments. Anwendungsfelder der Zukunft Der flexible Formationsflug und der bi-statische Betrieb der beiden Radarsalliten ermöglichen es, die gewonnenen Daten für verschiedenste Untersuchungen der Erde auszuwerten. Erstmals können jetzt auch beispielsweise Wasserflächen ohne Störungen aufgezeichnete werden. Dabei erstellen die Satelliten zeitsynchron eine Momentaufnahme des Gebiets. In einem ersten erfolgreichen Test beobachteten die Wissenschaftler des DLR die Inseln des Franz-Josef-Landes im Nordpolarmeer. Wie im Moment eingefroren sind sogar die Wellenmuster des Wassers in dem Höhenmodell der Inselgruppe zu erkennen. Forscher aus der Ozeanographie oder der Klimaforschung können mit solchen Aufnahmen unter anderem die Meeresströmung genau untersuchen. In dieser Aufnahme sind die höchsten Punkte in weiss eingefärbt – die Farbgebung entspricht dabei ungefähr der Eisbildung auf den Inseln. Meilenstein auf dem Weg zum 3D-Höhenmodell der Erde Die ersten Aufnahmen im engen Formationsflug sind die Basis für das Missionsziel: Ab 2011 werden die beiden Satelliten drei Jahre lang systematisch die komplette Landoberfläche der Erde mehrfach mit grösster Präzision vermessen. Dabei können die Radarsatelliten von Wetter und Wolken unbeeinträchtigt rund um die Uhr die 150 Millionen Quadratkilometer Erdoberfläche beobachten. Die gewonnenen Daten können unter anderem für die Kartierung von Landschaftsnutzung und Städteplanung sowie Navigation, aber auch für die Einsatzplanung in Katastrophengebieten eingesetzt werden. Sie dienen auch der wissenschaftlichen Erforschung beispielsweise von Gletschern, Erdbebengebieten oder Vulkanregionen. Öffentlich-private Partnerschaft Das DLR ist verantwortlich für die wissenschaftliche Nutzung der TanDEM-X-Daten, die Planung und Durchführung der Mission, sowie die Steuerung der beiden Satelliten und die Erzeugung des digitalen Höhenmodells. Astrium hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für die Entwicklung und Nutzung beteiligt. Wie bei TerraSAR-X ist die Infoterra GmbH, ein Tochterunternehmen von Astrium, verantwortlich für die kommerzielle Vermarktung der TanDEM-X-Daten. TanDEM-X wird im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in Form einer Public-Private-Partnership mit der Astrium GmbH durchgeführt.
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