Die Fokussierung auf die Chiasso-Linie, wie sie in den massgeblichen Kreisen bei Bahnen und Administrationen heute zu beobachten ist, schränkt die Entwicklungsperspektiven des bestehenden Kombi-Systems ein und schiebt die Vorteile, welche durch die Inbetriebnahme der NEAT angestrebt wurden, in weite Ferne. Dies entwertet die bereits getätigten Investitionen in den Kombinierten Verkehr und stellt die Verlagerungspolitik in Frage. Es braucht beides: - den massvollen Ausbau der Linie Bellinzona-Luino-Novara für den bestehenden Verkehr in einer ersten Phase - und die Einrichtung eines Güterverkehrskorridors via Chiasso-Seregno-Bergamo in einer zweiten Phase für den künftigen Verkehr. Die Argumente Mit der NEAT soll eine wettbewerbsfähige Infrastruktur für den Schienengüterverkehr auf dem Nord-Süd-Korridor geschaffen werden. Doch die Einschränkungen auf den Zulaufstrecken bleiben bestehen. Zuglängen von 750 Meter und Zuggewichte von 2'000 Tonnen sind die zentralen Voraussetzungen für Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs. Für die Verlagerung des wichtigen Segments der Sattelauflieger ist zudem der Ausbau auf das Vier-Meter-Profil erforderlich. Diese Parameter müssen korridorweit umgesetzt werden, damit der Kombinierte Verkehr eigenwirtschaftlich ohne Fördermittel betrieben werden kann. Engpassfaktor sind weiterhin die bestehenden Linien auf der Alpensüdseite via Domodossola, Luino und Chiasso. 80% des UKV via Gotthard fährt über die Linie Bellinzona-Luino-Novara. Die Luino-Linie wurde über Jahrzehnte systematisch für den Güterverkehr ausgebaut. Trotz ihrer Eigenschaft als Einspurstrecke ist sie ein wichtiges Element im italienischen Konzept der "Gronde" zur Umfahrung von Mailand. Zahlreiche internationale Richtlinien und Verträge positionieren die Luino-Linie als prioritäre Strecke für den Kombinierten Verkehr, zum Beispiel der Alpentransit-Beschluss von 1990, das "Europäische Übereinkommen über wichtige Linien des Kombinierten Verkehrs" von 1991, die FinöV-Vorlage von 1997 und das Abkommen "Piattaforma Luino" von 2001. Die grossen Terminals in Norditalien sind an die Luino-Linie angeschlossen. Es ist kein Zufall, dass sich zahlreiche Umschlagterminals wie Busto Arsizio-Gallarate, Novara, Oleggio und verschiedene kleinere Terminals im Schnittfeld der Luino- und der Lötschberg-Linie angesiedelt haben. Diese Terminals sind via Chiasso nicht oder nur mit hohem Aufwand erreichbar. Die Luino-Linie ist künftig die einzige Flachbahn durch die Schweiz. Auf der Chiasso-Linie dagegen verbleiben Neigungen von 15 bis 21‰ im Raum Mendrisio. Das bedeutet, dass die Güterzüge auch künftig trotz der Basistunnel Gotthard und Ceneri mit aufwändiger, kostenintensiver Doppeltraktion geführt werden müssen. Der Raum Mailand bildet das Nadelöhr für den Kombinierten Verkehr via Chiasso. Güterverkehrskonzepte, die ein Durchfahren von Mailand vorsehen, gehen an der Realität vorbei. Der Metropolraum Mailand ist mit 2000 Personenzügen pro Tag bereits heute am Rande seiner Leistungsfähigkeit. Via Chiasso können die Güterzüge nur nachts in wenigen Zeitfenstern zu sehr hohen Trassenpreisen verkehren. Wegen der dichten Besiedlung bestehen starke Einschränkungen für die Beförderung von Gefahrgütern. Im Stadtgebiet ist ein Ausbau der Strecken auf 750 Meter Zuglänge undenkbar. Ein Ausbau der NEAT-Zufahrtsstrecken via Chiasso ist nur in Kombination mit der Gronda Est via Seregno/Bergamo zielführend. Entlastung für den Leitungsweg via Chiasso/Mailand soll die sogenannte Gronda Est zwischen Seregno und Bergamo schaffen. Die Realisierung dieser anspruchsvollen Neubaustrecke dürfte jedoch weit nach 2025 erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt müssten alle Güterzüge via Chiasso auf den bestehenden Linien mit ihren starken Kapazitäts- und Produktivitätseinschränkungen geführt werden. Dies gefährdet die Verlagerung und torpediert das Produktivitätsziel des Kombinierten Verkehrs. Die Terminalkapazitäten im Raum Mailand entlang der Chiasso-Achse sind ausgereizt. Bestehende kleinere Umschlagterminals im Stadtbereich von Mailand sollen abgebaut werden, um Kapazitäten für den Personenverkehr zu schaffen. Östlich von Mailand können erst mittelfristig neue Terminalkapazitäten aufgebaut werden, beispielsweise mit den Terminalprojekten für Brescia (Hupac gemeinsam mit Trenitalia) und für Treviglio (Trenitalia). Bis weit nach 2025 erfolgt die Anbindung Richtung Osten jedoch über den Knoten Mailand mit den genannten Einschränkungen. Fazit • Ein Strategiewechsel von der Luino-Linie zur Chiasso-Linie hätte gravierende Auswirkungen für den kombinierten Verkehr. • Die Linie Bellinzona-Luino-Novara muss massvoll weiter entwickelt werden, damit das bestehende Verkehrsvolumen effizient und wirtschaftlich abgewickelt werden kann. • Dringend erforderliche, seit Jahren vereinbarte Ausbauarbeiten kleineren Umfangs wie beispielsweise die Verlängerung von Überholspuren ("Piattaforma Luino II") sind zügig in Angriff zu nehmen. • Erste Priorität muss die Ertüchtigung der bestehenden Strecke Bellinzona-Luino-Novara sein. • In zweiter Priorität sollte die Errichtung eines KV-Korridors via Chiasso und die Gronda Est Seregno-Bergamo in Angriff genommen werden. • Langfristiges Ziel muss es sein, den Kombinierten Verkehr ausgewogen über die drei bestehenden Linien via Luino, Chiasso und Domodossola zu führen.
Über HUPAC HUPAC ist das führende Unternehmen im kombinierten Verkehr durch die Schweiz und gehört zu den Marktleadern in Europa. Das Unternehmen setzt sich dafür ein, dass immer mehr Güter auf der Schiene anstatt auf der Strasse befördert werden und leistet somit einen Beitrag zur Verkehrsverlagerung und zum Umweltschutz. 2011 betrug das Verkehrsvolumen 725'000 Strassensendungen. Das Netzwerk der Hupac zählt 100 Züge täglich zwischen den grossen europäischen Wirtschaftsräumen. Die Hupac Gruppe beschäftigt rund 400 Mitarbeiter in zehn Unternehmen mit Standorten in der Schweiz, in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Polen. Die Hupac AG wurde 1967 in Chiasso gegründet. Das Aktienkapital wird zu 72% von Logistik- und Transportunternehmen und zu 28% von Bahnen gehalten. Damit ist Marktnähe und Unabhängigkeit von den Bahnen gewährleistet.
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