Jugendliche in Schwierigkeiten |
Sozialpolitik
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Junge
Erwachsene in Schwierigkeiten: Nicht an die Sozialhilfe delegieren! |
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Nachhaltig
integrieren statt kurzfristig sparen |
Fallzahlen
und Kosten der Sozialhilfe steigen seit Jahren an. Die ersten Monate des
laufenden Jahres zeigen eine besorgniserregende Beschleunigung des Anstiegs.
Von diesem Trend sind viele junge Menschen, sind insbesondere die Städte
betroffen. Immer mehr junge Erwachsene in der Sozialhilfe - eine alarmierende
Entwicklung. Die politische Debatte verläuft polemisch. |
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Die
dominierende Finanzpolitik stellt das Sparen in den Vordergrund. Die Städteinitiative
Sozialpolitik fordert, dass die Diskussion mit Fakten statt Schuldzuweisungen
geführt wird:
Junge
Menschen in der Sozialhilfe sind nicht nur als Kostenfaktor oder als Belastung
für die Gesellschaft wahrzunehmen. Sie haben oft mit mehr als nur
einem Problem zu kämpfen - in vielen Fällen schon seit ihrer
Kindheit. Den jungen Sozialhilfebezüger/-innen persönliches Versagen,
den Sozialämtern mangelndes Kostenbewusstsein zu unterstellen, ist
unzulässig und kontraproduktiv. Die jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe
sind keine homogene Gruppe:
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Es
gibt Personen mit guten Perspektiven, bei denen die Sozialhilfe eine überbrückungsfunktion
wahrnimmt. |
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Andere
befinden sich in einer schwierigeren Situation mit mehrfacher Problematik
in Form von Bildungslücken, mangelnder Sprachkenntnisse, fehlender
Integration, ungewisser Zukunftsperspektiven. |
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Eine
weitere Gruppe sind jene jungen Erwachsenen, bei denen mit gängigen
Methoden keine Motivation zu erreichen ist. |
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Verfestigung
von Armut |
Ein
Drittel der jungen Erwachsenen kommt aus Familien, die Sozialhilfe beziehen.
Einkommensschwäche und Armut sind für sie nicht kurzfristige
Notlage, sondern oft ein Dauerzustand - teilweise über Generationen
hinweg. Seit einigen Jahren ist dieser Trend zur Verfestigung von Armut
zu beobachten. Diese Entwicklung mit ihren Folgekosten nachhaltig zu stoppen,
muss erstes Ziel der Sozialpolitik sein.
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Rechnung
über Sozialhilfebezug hinaus machen |
Es
gilt, die Rechnung über den Zeitraum des Sozialhilfebezugs hinaus
zu machen. Der Spardruck führt zur Forderung nach rasches möglicher
Ablösung aus der Sozialhilfe. Bei jungen Erwachsenen, die im Erwerbsleben
noch nicht Tritt fassen konnten, bietet eine schnelle Ablösung aus
der Sozialhilfe indessen keine Gewähr für nachhaltige Integration.
Wird die Integrationsfähigkeit nicht verbessert, kann die Ablösung
sogar kontraproduktiv sein, weil soziale Ungleichheit zementiert, Armut
im schlimmsten Fall 'vererbt' wird. Gemäss Bundesverfassung sollen
sich Kinder und Jugendliche nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und
weiterbilden können; sie sollen in ihrer Entwicklung zu selbstständigen
und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen,
kulturellen und politischen Integration unterstützt werden. Das kann
die Sozialhilfe aber nicht alleine leisten.
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Früherkennung
aufbauen |
Erziehungs-,
Sozialisations- und Bildungslücken müssen möglichst früh
aufgefangen und in vernetzter Zusammenarbeit aller beteiligten Systeme
getragen werden. Früherkennung im Sinne von Prävention von Armut
hat im Rahmen der obligatorischen Schulzeit anzusetzen und ist systematisch
zu fördern. Die Risikoträger sind möglichst früh zu
erfassen.
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Begleitung
besonders wichtig für junge Erwachsene |
Generell
fehlen vielen jungen Erwachsenen zuverlässige Beziehungsnetze und
Unterstützung durch nicht Gleichaltrige. Rund zehn Prozent haben keinen
Kontakt mehr zu den Eltern. Die Unterstützungspflicht endet mit Erreichen
der Volljährigkeit. Sind die Eltern selber in sozial oder wirtschaftlich
schwierigen Situationen, bedeutet die Unterstützung der jungen Erwachsenen
auf ihrem Weg ins Erwerbsleben oft eine überforderung. Diese bleiben
dann allein gelassen.
In der Praxis wird festgestellt, dass problembelastete
junge Erwachsene spezialisierte Institutionen nur mangelhaft in Anspruch
nehmen. Oft suchen sie sehr spät um Unterstützung nach. Kommt
schliesslich die Sozialhilfe zum Zug, ist es für Prävention als
Problemverhinderung meist schon zu spät.
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Neue
Ansätze - zum Beispiel individuelles Coaching |
Die
bestehenden Angebote sind zielgruppenspezifisch anzupassen. Eine ständig
wachsende Anzahl junger erwerbsloser Erwachsener fällt durch die Maschen
des Hilfenetzes. Diese jungen Menschen sind grundsätzlich motiviert,
sich in die Arbeitswelt zu integrieren. Aber ihre Verhaltensweisen und
die zugrunde liegenden Denkmuster wie auch die Interaktionen im Umfeld
(Familie, Peergroup etc.) und im Hilfesystem behindern einen erfolgreichen
Veränderungsprozess. Herkömmliche Interventionen wirken oft problemstabilisierend.
Hier sind neue, problemlösende Ansätze zu entwickeln.
Erfolg
versprechend ist die Methode des niederschwelligen, individualisierten
Coachings der jungen Erwachsenen, um ihre Anschlussfähigkeit an weiterführende
Integrationsmassnahmen zu verbessern oder wieder herzustellen. Früherkennung
und Begleitung kosten, sie zahlen sich aber aus. Investitionen in die persönliche
Hilfe, kontinuierliche Begleitung, der Aufbau von beruflichen und sozialen
Basiskompetenzen sind Voraussetzung, diese jungen Erwachsenen überhaupt
zur Integration zu befähigen. Mit Früherkennung und Begleitung
kann der Schritt in den ersten Arbeitsmarkt gelingen, können soziale
und volkswirtschaftliche Folgekosten dauernder Armut verhindert werden.
Interinstitutionelle
Zusammenarbeit forcieren und Städte dabei besser unterstützen!
Die
jungen Sozialhilfebezüger/-innen sind arm geworden im Umfeld von Familie,
Schule und Arbeitsmarkt, ihre Schwierigkeiten haben nicht erst mit dem
Sozialhilfebezug begonnen. Jung, arm und erwachsen - das ist ein strukturelles
Phänomen, das neue Lösungsansätze, neue Allianzen erfordert
und nicht einfach an die Sozialhilfe delegiert werden kann. Massnahmen
zur sozialen, schulischen und beruflichen Integration müssen viel
früher ansetzen, und es braucht neue Formen interinstitutioneller
Zusammenarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene. Ansätze
zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit
IIZ auf kommunaler Ebene sind viel versprechend.
Die Umsetzung erfolgt jedoch noch viel zu zögerlich:
Zu wenig Gewicht hat IIZ im Sinne von vertikaler Kooperation zwischen Städten/Gemeinden,
Kantonen und Bund. Der Vollzug der Sozialhilfe obliegt den Kommunen praktisch
in alleiniger Verantwortung und grösstenteils auf eigene Kosten. Dies
im Gegensatz zur Organisation von Arbeitslosenversicherung (ALV) und
Invalidenversicherung (IV), wo Bund und Kantone grossen finanziellen
und organisatorischen Einfluss haben.
Unterstützung braucht es auch bei der Bereitstellung der Beratungs-
und Integrationsangebote - die Städte, die Sozialhilfe dürfen
hier nicht allein gelassen werden! Vielmehr muss eine nachhaltig wirksame
Sozialhilfe auf ein adäquates Angebot an Beratungsund Integrationsmassnahmen
zurückgreifen können, die sich an verschiedenen Schwellenniveaus orientieren: vom individualisierten, niederschwelligen Coaching über
einfachste Motivationskurse bis hin zu qualifizierenden, berufsvorbereitenden
Programmen. Die Angebote müssen spezifisch auf die Situation der
jungen Erwachsene angepasst sein. In der Sozialhilfe muss der Beratungsteil für junge Erwachsene besonders gewichtet werden. Denn junge Menschen
in Schwierigkeiten haben einen ungleich grösseren Beratungsbedarf
als ältere.
Zudem ist die Zusammenarbeit mit dem Bildungsbereich (Sekundarstufen
1 und 2) zu verstärken. Wenn die Jugendlichen die Schule verlassen,
sind sie auf sich selbst gestellt. Die Bildungswege sind in den letzten
Jahrzehnten länger und komplizierter geworden, die Dauer der obligatorischen
Schulzeit hingegen wurde nicht verlängert. Läuft die Berufslehre,
die Integration in die Arbeitswelt oder die berufliche Entwicklung aus
dem Ruder, kommt die Unterstützung oft zu spät. · Deshalb
ist eine funktionierende Schnittstelle zwischen Bildung und Arbeit zu schaffen.
Die Lehrerschaft ist beispielsweise oft nicht informiert, dass sich Jugendliche
beim RAV anmelden müssen, um an einem Motivationssemester teilnehmen
zu können.
Schulsozialarbeit
ist ein Mittel zur Früherkennung und kann einen wichtigen Beitrag
präventiver Art leisten: Vorbereiten auf die Zeit nach der Schule,
Vernetzung, frühzeitig Kontakt zu Fachstellen aufnehmen, übergänge
organisieren. Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickeln Neben den Institutionen
aus dem Bildungsbereich ist auch die Wirtschaft in die IIZ für junge
Erwachsene mit einzubeziehen. Fruchtbare Kontakte zur Wirtschaft ergeben
sich indessen nicht von selbst, eine aktive Rolle der Politik und der Verwaltung
ist nötig.
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Berufsbildung:
Differenzierte Lösungen suchen |
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Für
tendenziell immer mehr mangelhaft qualifizierte Schulabgängerinnen
und Schulabgänger stehen immer weniger geeignete, einfache Ausbildungen
und Berufstätigkeiten zur Verfügung. Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz ist die Anlehre ersetzt worden durch
eine berufliche Grundbildung mit Attest. Diese ist gegenüber
der Anlehre deutlich höherschwellig. |
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Für
zahlreiche Jugendliche bedeutet dies, gar keine Ausbildung absolvieren
zu können. Für die Wirtschaft bringt die Grundbildung mit Attest
mehr Aufwand.
Jugendliche
mit schmalem Schulrucksack brauchen massgeschneiderte Unterstützung
und direkte Vermittlung in die Arbeitswelt.
Soll
die berufliche Integration von Jugendlichen trotz schwierigen Startbedingungen
gelingen, brauchen auch Firmen Entlastung und fachliche Begleitung. Sowohl
die jungen Menschen wie auch Lehrlingsbetreuer und Personalchefs brauchen
eine Ansprechperson, welche die Fallführung übernehmen,
koordinieren und vermitteln kann. IIZ für junge Erwachsene ist anspruchsvoll
und muss unterschiedliche Partner vernetzen. Berufsberatung, Berufsschulen
und Berufsbildungsämter sind mit einzubeziehen.
IIZ
für junge Erwachsene bedeutet auch, der Vielzahl von Brückenangeboten eine Strategie zu geben in Zusammenarbeit zwischen kantonalen Behörden,
privaten Anbietern, auf Bundesebene zwischen BBT und seco. Die Angebote
sind mit Lehrbetrieben und Anschlussschulen zu vernetzen. Nötig
sind gemeinsame Programme von Arbeits- und Sozialämtern, z.B. in Form
von Motivationssemestern, die zielgruppengerecht zugeschnitten sind.
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Gezielte
Aus- und Weiterbildung |
Interinstitutionelle
Zusammenarbeit will gelernt sein. Professionelle Fachkenntnisse und
Methoden der Früherkennung und Begleitung müssen erworben
und ausgetauscht werden, um Erfolg versprechende Angebote machen zu können.
Für diese Weiterbildung sind Ressourcen frei zu stellen.
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Von
Ruedi Meier, Präsident Städteinitiative Sozialpolitik; Sozialdirektor
der Stadt Luzern
Quelle:
Städteinitiative Medienmitteilung - 28. Juni 2005 |
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Externe
Links |
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Städetinititative
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