Mehrere Vorfälle schwerer Jugendgewalt haben in der Bevölkerung die Befürchtung aufkommen lassen, die Gewaltbereitschaft Jugendlicher habe massiv zugenommen. Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD), Bundesrat Christoph Blocher, hat dies zum Anlass genommen, das Phänomen Jugendgewalt näher untersuchen zu lassen. Zu diesem Zweck hat er am 30. Januar 2007 und am 18. Juni 2007 Brainstormings mit verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten durchgeführt und verschiedene Amtsstellen des EJPD mit weiteren Abklärungen beauftragt. Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse dieses Prozesses zusammen.
Die bestehenden amtlichen Statistiken geben über das Ausmass der bestehenden Jugendgewalt keinen genauen Aufschluss: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist mit zahlreichen methodischen Mängeln behaftet, so dass deren Aussagekraft teilweise in Frage gestellt werden muss. Die Strafvollzugsstatistik erfasst lediglich erwachsene Straftäter. über den Vollzug von Strafen und strafrechtlichen Massnahmen gegenüber Jugendlichen fehlen verlässliche Zahlenangaben. In der Fachwelt besteht deshalb nach wie vor keine Einigkeit darüber, ob bzw. in welchem Ausmass die Jugendgewalt in den vergangenen Jahren tatsächlich zugenommen hat. Unbestritten ist aber, dass das Problem als solches ernst zu nehmen ist. Die
Ursachen der Jugendgewalt sind vielfältig. Man geht heute ganz allgemein
davon aus, dass es zahlreiche Faktoren gibt, welche das Risiko von Gewaltausbrüchen
erhöhen. Genannt werden etwa mangelnde elterliche Aufsicht, inkonsequenter
Erziehungsstil, schulische Probleme, Zugehörigkeit zu einer Gewalt
verübenden Clique, soziale Benachteiligung (Armut, prekäre Wohnverhältnisse),
der kulturelle Hintergrund, usw.
Der Jugendgewalt lässt sich nur dann wirksam begegnen, wenn die involvierten Behörden und Privaten gemeinsam geeignete Massnahmen treffen. Erforderlich sind sodann zahlreiche verschiedenartige Massahmen. - Weder Prävention noch Repression sind für sich alleine ausreichend. Die Zuständigkeit des EJPD ist demgegenüber beschränkt. Die geprüften Massnahmen betreffen daher in erster Linie die Arbeit von Polizei-, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden, sowie von Migrationsbehörden: Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat verschiedene Massnahmen geprüft und ist dabei zu folgenden Schlussfolgerungen gelangt:
Das Jugendstrafverfahren richtet sich derzeit noch nach kantonalem Recht, doch soll auch hier demnächst eine Vereinheitlichung auf Bundesebene erfolgen. Die neue Eidgenössische Jugendstrafprozessordnung soll die Zusammenarbeit zwischen den Behörden erleichtern und die durchschnittliche Verfahrensdauer verkürzen. Auch der Jugendstrafvollzug ist grundsätzlich Sache der Kantone, doch beteiligt sich der Bund massgeblich an den anfallenden Kosten. Das BJ wird wie bis anhin überprüfen, ob die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Sollte Handlungsbedarf bestehen, soll durch geeignete Subventionierungskriterien allenfalls verstärkt auch lenkend eingegriffen werden. Der Kenntnisstand in Bezug auf das Ausmass der Jugendgewalt und den Erfolg strafrechtlicher Sanktionen ist nicht ausreichend. Regelmässige Dunkelfeldforschung und eine Jugendstrafvollzugsstatistik sollen diese Wissenslücken betreffend Täter und Opfer schliessen. Das Bundesamt für Migration (BFM) hat festgestellt, dass die zuständigen kantonalen Be-hörden bei der Wegweisung von straffälligen Ausländerinnen und Ausländern zum Teil keine konsequente Praxis verfolgen. Dies ist hauptsächlich auf unterschiedliche Beurteilungskriterien sowie fehlende Ressourcen für die notwendige genaue Abklärung der Fälle zurückzuführen. Diese Situation soll durch geeignete Massnahmen verbessert werden. Der Integrationsbericht 2006 wird zudem Aufschluss über spezifische Massnahmen geben, welche geeignet sind, der Jugendgewalt vorzubeugen. Im übrigen müssen die Einbürgerungsbehörden ihre Entscheide nicht selten ohne ausreichende Kenntnis der tatsächlichen Ausgangslage fällen. In diesem Bereich muss der Informationsaustausch erleichtert werden. Gemäss internationalen Forschungsresultaten kann man davon ausgehen, dass vier bis sechs Prozent eines Geburtenjahrgangs für die weit überwiegende Mehrzahl - zirka 40 bis 60 Prozent - der (registrierten) Delikte verantwortlich sind, die dieser Geburtenjahrgang insgesamt begeht. Mehr als die Hälfte der von solchen "Intensivtätern" begangenen Straftaten werden von mehreren Tätern gemeinsam begangen. Eine
systematische Untersuchung zu Intensivtätern und Jugendbanden ist
in der Schweiz nicht vorhanden. Das Bundesamt für Polizei (FEDPOL)
wird Massnahmen in die Wege leiten, welche die bestehenden Wissenslücken
schliessen sollen.
Das EJPD schlägt verschiedene konkrete Massahmen vor, welche in zeitlicher Hinsicht wie folgt zu unterscheiden sind:
Mittelfristige Massnahmen Verkürzung der Dauer von Jugend-Strafverfahren Verbesserung von Behördenzusammenarbeit und Verfahrenskoordination Erstellung einer Jugend-Strafvollzugsstatistik Verbesserung des Datenaustausches zwischen den Einbürgerungsbehörden und den übrigen von Integrationsfragen betroffenen Behörden Langfristige Massnahmen Gezielter Mitteleinsatz bei der Unterstützung von Vollzugseinrichtungen
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