Ich freue mich, im Namen der OECD hier in Bern den zweiten Umweltprüfbericht für die Schweiz vorstellen zu dürfen. Der Bericht untersucht die bisherigen Erfolge und die noch verbleibenden Herausforderungen der Schweiz im Umweltbereich. Er erörtert die gesamthafte Umweltperformance der Schweiz seit 1998, das heisst die Bemühungen der Bundes-, Kantons- und Gemeindebehörden, aber auch jene der Zivilgesellschaft, also der Unternehmen und der Umwelt-NGOs. Herr Minister, eines darf ich Ihnen vorab versichern: Die Bemühungen, die Ihr Land seit 1998 zugunsten der Umwelt an den Tag gelegt hat, tragen Früchte. Dennoch sind weitere Verbesserungen unverzichtbar. Gefordert ist namentlich eine nachhaltigere Nutzung der natürlichen Ressourcen.
Der Bericht geht der Frage nach, inwieweit die Schweiz ihre nationalen Ziele und internationalen Verpflichtungen im Umweltbereich erfüllt hat. Die Beurteilung stützt sich auf gesicherte Daten und handfeste Tatsachen sowie auf die politische Erfahrung, die die OECD im Laufe von mittlerweile 58 Umweltperformance-Prüfungen in verschiedenen Ländern gesammelt hat. Eine frühere Fassung des Berichts diente als Grundlage für die formelle eintägige Prüfung im September 2006 in Brüssel, in deren Rahmen die Schweizer Delegation von Vertretern aller OECD-Mitgliedsländer befragt wurde. Der Bericht nennt 46 Empfehlungen, die von der Gesamtheit der OECD-Länder - einschliesslich der Schweiz - befürwortet wurden. Die überprüfung der Politiken und Fortschritte der einzelnen
Länder ist eine der Kernaufgaben der OECD. Damit will die Organisation
den Politdialog und den Austausch bester Praktiken unter den Mitgliedsländern
fördern. Bedeutende Nichtmitgliedsländer wie China und Russland
haben sich ebenfalls einer Umweltprüfung durch die OECD unterzogen.
Aber auch in anderen Politikbereichen führt die OECD systematische
Länderexamen durch. 2006 beispielsweise hat sie ihren Bericht zur
Wirtschaftslage in der Schweiz veröffentlicht.
Die Schweiz kann in mehreren Umweltbereichen bedeutende Erfolge verbuchen. Auf einige möchte ich im Folgenden näher eingehen: Umweltmanagement
Beim SOx- und NOx-Ausstoss weist die Schweiz OECD-weit die niedrigste Emissionsintensität
auf. Die Intensität der SOx-Emissionen pro BIP-Einheit (kg pro 1000
USD) beträgt in der Schweiz 0,1 gegenüber 0,3 in Frankreich,
Deutschland und Japan bzw. 1,4 in den USA. Für die NOx-Emissionen
liegt die Intensität pro BIP-Einheit in der Schweiz bei 0,4, in Japan
bei 0,6, in Frankreich und Deutschland bei 0,8 und in den USA bei 1,8.
Die Schweiz verfügt über eine fortschrittliche Abfall- und Lärmschutzpolitik. Auch bei der nachhaltigen Waldwirtschaft wurden beachtliche Fortschritte erzielt. Nachhaltige
Entwicklung
In vielen Bereichen kommt das Verursacherprinzip heute deutlich stärker zur Anwendung. Es werden vermehrt marktwirtschaftliche Instrumente eingesetzt, beispielsweise in der Abfall- und in der Wasserwirtschaft. Vor allem aber hat der Fortschritt im Umweltbereich einen wirtschaftlichen Nutzen bewirkt, etwa im Gesundheitswesen, im Tourismus, in der ökoindustrie und in der Nahrungsmittelproduktion. Es wurden agrarökologische Massnahmen konzipiert und erfolgreich umgesetzt. Als weitere Meilensteine sind der Aktionsplan Umwelt und Gesundheit sowie das Programm Energie-Schweiz zu nennen. Internationale
Zusammenarbeit
Auf internationaler Ebene nimmt die Schweiz in Umweltfragen eine sehr proaktive Haltung ein. Aufgrund ihrer offenen Wirtschaft und ihrer Lage im Zentrum Europas steht die Schweiz in zahlreichen geografischen und wirtschaftlichen Wechselbeziehungen mit anderen Ländern in Europa und in der ganzen Welt. Die Schweiz hat mehrere multilaterale Umweltabkommen - insbesondere solche, die den Handel betreffen - wirksam umgesetzt, darunter das Protokoll von Montreal über ozonschichtabbauende Stoffe, das übereinkommen von Washington über gefährdete Arten, das Basler übereinkommen über gefährliche Abfälle und die OECDübereinkommen über Chemikalien. Auch die regionale Zusammenarbeit - etwa in Bezug auf Rhein und Rhone -
sowie die Kooperation mit der EU gestalten sich sehr fruchtbar. Diese Erfolge
der Schweiz beruhen auf fest etablierten Umweltbehörden, einer umfassenden
Umweltgesetzgebung, einer stark ausgeprägten Umweltdemokratie, auf
fachlichem Knowhow sowie auf einer aktiven Zusammenarbeit und Partnerschaft
mit der Zivilgesellschaft. Die Umweltausgaben sind zwar mit 1,4% des BIP
nicht sehr hoch, führen aber zu greifbaren Ergebnissen. Es gibt keinerlei
Anzeichen dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer
Wirtschaft unter den Bemühungen des Landes leidet, die Verschmutzung
einzudämmen.
Dennoch sind weitere Verbesserungen möglich. Dazu nennt der Bericht 46 Empfehlungen. Einige davon möchten ich besonders hervorheben: Es müssen vermehrt marktwirtschaftliche Instrumente und ökonomische Analysen eingesetzt werden, und in Wirtschaftszweigen wie Landwirtschaft, Energie, Verkehr und Tourismus, aber auch in der Raumplanung und in der Steuerpolitik gilt es, Umweltanliegen verstärkt zu berücksichtigen. Zwar hat die Schweiz die traditionellen Formen der Verschmutzung gut in den Griff bekommen, aber es besteht noch Handlungsbedarf auf zahlreichen Gebieten, von denen einige mit der Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen im Zusammenhang stehen. Umweltmanagement
Bei der Luftverschmutzung sind neue gesundheitsschädigende Schadstoffe wie Feinpartikel und Ozon auf dem Vormarsch. In der Wasserwirtschaft müssen die Einzugsgebietsbewirtschaftung und die Erhaltung der aquatischen Ökosysteme (Renaturierungen von Fliessgewässern, Hochwasserschutz, Mindestwassermengen) erheblich weiterentwickelt werden. Der Biodiversitätsverlust verlangt dringend nach der Erarbeitung und konsequenten Umsetzung einer nationalen Strategie, wie sie durch die Biodiversitätskonvention gefordert wird. Der rapide voranschreitende Verlust an Kulturland und natürlichen Böden erfordert eine Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung. Das Netz der Schutzgebiete muss erweitert, gestärkt und durch zusätzliche Korridore zwischen den Objekten ausgebaut werden. Gegebenenfalls könnten neue Nationalpärke errichtet werden. Nachhaltige
Entwicklung
Es sollte eine Kommission gebildet werden, die Steuern, marktwirtschaftliche Instrumente und Subventionen aus der Sicht der Umwelt evaluiert. Voraussetzung für eine verstärkte Anwendung des Verursacherprinzips ist eine gründliche Prüfung der Notwendigkeit, die Folgen der Luftverschmutzung und der Lärmbelastung auf jene abzuwälzen, die sie hervorrufen. Ferner sollten insbesondere über marktwirtschaftliche und regulatorische Instrumente nachhaltigere Konsummuster gefördert werden (z.B. im Verkehr, bei der Landnutzung und im Freizeitbereich). Internationale
Zusammenarbeit
Die Schweiz sollte danach streben, ihr internationales Image als umweltbewusstes Land und die damit verbundenen Vorteile zu bewahren. Voraussetzungen dafür sind unter anderem ... die Erfüllung der nationalen Ziele und internationalen Verpflichtungen im Klimabereich und die Einführung der CO2-Abgabe, die baldige Ratifizierung internationaler übereinkommen (z.B. übereinkommen von Aarhus und von Espoo sowie die Protokolle der Alpenkonvention) und die Stärkung der Umweltkomponente in der öffentlichen Entwicklungshilfe.
Lassen Sie mich zum Abschluss die drei Kernaussagen der OECD wiederholen: Die Schweiz hat bemerkenswerte Fortschritte bei der Bekämpfung der Umweltverschmutzung erzielt. Ihre Bilanz zählt OECD-weit zu den besten. Dazu gratuliere ich Ihnen. Dennoch sind in zahlreichen Themenbereichen auf nationaler Ebene weitere Anstrengungen nötig, etwa bei der Beeinträchtigung der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt, beim rapiden Verlust von Kulturland und natürlichen Böden und bei der Förderung nachhaltigerer Konsummuster. Auf internationaler Ebene gilt es, das Image des Landes als umweltbewusstes Land und die damit zusammenhängenden Vorteile zu bewahren. Die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen setzt voraus, dass die Schweiz in den entsprechenden Politikbereichen vermehrt marktwirtschaftliche Instrumente und ökonomische Analysen einsetzt. Ebenso muss sie auf institutionellem Weg und über die Marktmechanismen dafür sorgen, dass in den betroffenen Wirtschafssektoren wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Tourismus sowie in der Landnutzung die Umweltanliegen verstärkt berücksichtigt werden. Sehr
geehrter Herr Minister, verehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen. Danken
möchte ich an dieser Stelle aber auch den zahlreichen Behördenvertretern
und Sachverständigen, die mit ihrem Fachwissen und ihrem Engagement
entscheidend dazu beigetragen haben, dass diese Umweltprüfung in einem
Klima der Offenheit und der Transparenz durchgeführt werden konnte.
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