Forscher des Alfred-Wegener-Instituts erweitern gängige Theorie zur Klimageschichte Klimaforscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) erweitern eine gängige Theorie zur Entstehung von Eiszeiten. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" präsentieren drei Physiker aus der AWI-Arbeitsgruppe "Dynamik des Paläoklimas" neue Berechnungen zum Zusammenhang von natürlicher Sonneneinstrahlung und langfristigen Änderungen im globalen Klimageschehen. Bisher galt die Vermutung, Temperaturschwankungen in der Antarktis, die für die letzte Million Jahre aus Eisbohrkernen rekonstruiert sind, seien durch die erdumspannende Wirkung von Klimaänderungen auf der Nordhalbkugel ausgelöst worden. Die neue Studie zeigt jedoch, dass wesentliche Teile der Temperaturschwankungen ebenso gut durch lokale Klimaänderungen auf der Südhalbkugel erklärt werden können.
Die AWI-Wissenschaftler Thomas Laepple, Gerrit Lohmann und Martin Werner haben die Temperaturrekonstruktionen aus Eisbohrkernen für die jetzt veröffentlichte Studie nochmals grundlegend analysiert. Dabei berücksichtigten sie erstmals, dass in dem aufgezeichneten Signal in antarktischen Eiskernen die Wintertemperatur einen stärkeren Einfluss als die Sommertemperatur hat. Wird dieser Effekt in die Modellrechnungen einbezogen, lassen sich die aus Eiskernen rekonstruierten Temperaturschwankungen auch über lokale Klimaänderungen auf der Südhalbkugel erklären. Bisherhaben viele Forscher versucht, erdgeschichtliche Klimadaten aus der Antarktis mit der klassischen Hypothese von Milankovitch zu erklären. "Diese Hypothese lässt sich bisher aber nicht in allen Aspekten plausibel begründen", so Laepple. "Nun ist das Spiel wieder offen, und wir können versuchen, die langfristigen physikalischen Mechanismen, die den Wechsel von Eis- und Warmzeiten bestimmen, besser zu verstehen."
Der Wechsel von Kaltzeiten mit ausgedehnten Vereisungen (Glaziale) und Warmzeiten mit Gletscherrückgang (Interglaziale) ist für die geologische Epoche des Quartärs kennzeichnend. Die Zeitspanne des Quartärs umfasst die letzten 2 Millionen Jahre und wird unterteilt in das Pleistozän und das Holozän. Verbunden mit diesen Klimaschwankungen ist der Auf- und Abbau ausgedehnter Eisschilde. Die Warmzeiten ähneln in Klima und Vegetation der Gegenwart. Während der letzen Eiszeit vor 20'000 Jahren war die Temperatur in Europa ca. 10-20 Grad niedriger als heute. Milutin Milankovitch stellte diese Hypothese in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als erster auf eine mathematische Grundlage. Seine Theorie beruht auf der Variation dreier Parameter der Erdumlaufbahn: Die Bahn der Erde um die Sonne ist nicht kreisrund. Die Abweichung der Bahnellipse vom Kreis wird durch die Exzentrizität beschrieben. Die wichtigsten Perioden dieser Schwankungen liegen bei etwa 100'000 und 400'000 Jahren. Die Exzentrizität schwankt aufgrund der Massenanziehung der anderen Planeten, vorzugsweise der beiden grössten, Jupiter und Saturn. 2. Nutation, Obliquität Die Neigung der Erdachse gegenüber der Ebene, die durch die Erdumlaufbahn beschrieben wird, hat eine dominante Periode bei 41'000 Jahren. Dieser Winkel beträgt derzeit 23,5 Grad und variierte etwa zwischen 22 und 24,5 Grad im Quartär. 3. Präzession Der Mond wirkt auf den Kreisel Erde mit einem Drehmoment, das bemüht ist, die Kreiselachse der Erde senkrecht zur Bahnebene des Mondes aufzurichten. Die Erde vollführt eine Präzession der Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien) die im Zusammenspiel mit der Rotation des Erdorbits eine charakteristische Periode von 21.000 Jahren hat.
Eiszeiten Das globale Klima hat sich vor etwa 2,7 Millionen Jahren deutlich abgekühlt. Seitdem haben wir eine permanente Eiskappe auf Grönland. Darauf folgten bis heute etwa 55 Wechsel zwischen Eiszeiten und Warmzeiten. Vor etwa 800'000 Jahren haben das Ausmass und die Dauer der Vereisungen auf der Nordhemisphäre deutlich zugenommen. Seitdem pendelt das Erdklima regelmässig zwischen zwei Extremen: Der Zyklus einer Eiszeit gefolgt von einer Warmzeit dauert nun jeweils 100'000 Jahre. Warmzeiten oder Interglaziale wie das "Holozän", in dem wir leben, überdauerten nur etwa 10'000 bis 15'000 Jahre. Danach begannen die Eismassen auf den Kontinenten wieder anzuwachsen, um auf den Höhepunkten der Vereisungszyklen den Meeresspiegel um bis zu 130 Meter gegenüber heute fallen zu lassen. Grosse Gebiete der nördlichen Kontinente waren dann von kilometerdicken Eismassen überdeckt, die sich von Skandinavien immer wieder auch bis in den norddeutschen Raum ausgedehnt haben. Zum letzten Mal hat sich das vor 21'000 Jahren ereignet. Welche Rolle der Arktische Ozean in diesem Wechselspiel hatte, ist bislang wenig erforscht.
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der siebzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der grössten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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