Gemeinsame Messflüge von DLR, NCAR und NASA Gewitter haben einen erheblichen Einfluss auf die globale Ozonbildung: Blitze setzen Stickoxide frei, die in Höhen von zehn Kilometern Ozon produzieren, starke Aufwinde in Gewittern transportieren Emissionen vom Boden in die obere Atmosphäre. Doch wie gross ist dieser Einfluss - auch im Vergleich zum Luftverkehr? Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehen gemeinsam mit dem amerikanischen National Center for Atmospheric Research (NCAR) und der Weltraumagentur NASA sowie weiteren Partnern diesen Fragen nach. Hierzu führen sie noch bis Mitte Juni 2012 Messflüge in den USA durch. Die Forscher wollen bestehendes Datenmaterial erweitern und die Prozesse in Gewittern besser verstehen. "Gewitter sind wie Staubsauger", erklärt Dr. Heidi Huntrieser vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. Als DLR-Projektleiterin begleitet sie die Messflüge in den USA. "Gewitter saugen mit teilweise über 100 Stundenkilometern die Luft vom Boden in rund zehn Kilometer Höhe in den so genannten Ambossbereich. Dies ist die pilzförmige Schicht ganz oben ‚auf‘ dem Gewitter - hier strömt die Luft nur noch seitlich, aber kaum mehr weiter nach oben." Wird verschmutzte Luft wie beispielsweise Auto-Emissionen vom Boden in diese Region transportiert, ändert sich aufgrund der dort herrschenden kalten Temperaturen, anderer Feuchtigkeit und intensiveren Sonneneinstrahlung auch deren Chemie: Der Abbau dauert sehr viel länger, die Produktion von Ozon wird erhöht: "Stickoxide können in diesen Höhen bis zu zehn Mal so viel Ozon produzieren wie am Boden", erläutert Huntrieser.Mit den Messungen wollen Huntrieser und ihre Projekt-Partner die bestehenden Datensammlungen erweitern: "Vorherige Messungen lassen den Schluss zu, dass der globale Luftverkehr etwa ein Teragramm Stickoxide pro Jahr produziert - Gewitter aber für etwa fünf Mal so viel verantwortlich sind. Alle Stickoxid-Quellen zusammen verursachen in der Atmosphäre etwa 50 Teragramm Stickoxide pro Jahr, die Gewitter sind also für rund 10 Prozent verantwortlich", sagt Huntrieser. Teragramm bedeutet 10 hoch 12, also eine Zahl mit 12 Nullen. Neue Modellsimulationen zeigen, dass der Einfluss von Gewittern auf den Ozonhaushalt sehr hoch sein kann. "Das waren zum Teil sehr überraschende Ergebnisse", sagt Huntrieser. "Wir brauchen jetzt mehr Messdaten, um das zu bestätigen." Einsatz von drei Forschungsflugzeugen Drei Forschungsflugzeuge sind bei dieser Mission im Einsatz: Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon wird in zehn Kilometern Höhe messen, das amerikanische Forschungsflugzeug Hiaper in bis zu 15 Kilometern Höhe und eine DC-8, ein wesentlich grösseres Flugzeug, misst hauptsächlich in den niedrigeren Höhen. "Unser ehrgeiziges Ziel ist es, dass alle Flugzeuge gleichzeitig in Gewitternähe in unterschiedlichen Höhen arbeiten - das wäre weltweit einzigartig", sagt Huntrieser. Einfluss verschiedener Blitz-Typen Im Fokus stehen neben den Transportprozessen vom Boden in die obere Atmosphäre der Einfluss verschiedener Blitz-Typen: - Es existieren verhältnismässig kurze Blitze von einigen Kilometern Länge und welche, die horizontal auf eine Länge von über 100 Kilometern vorkommen. Die Blitzbildung hängt auch von den Gewittertyp ab: Bisherige Messungen über Europa zeigen, dass diejenigen, die mit viel Hagel und Graupel in den mittleren Breiten vorkommen, verhältnismässig viele und auch zum Teil längere Blitze enthalten können. Im Verhältnis dazu, zeigen Messungen in tropischen Gewittern in Brasilien weniger Eispartikel, mehr Wolkentröpfchen und viele, aber kürzere Blitze. Zusätzlich zeigen bisherige Messungen, dass Gewitter mit kürzeren Blitzen im Verhältnis zu denen mit längeren Blitzen auch weniger Stickoxide pro Blitz produzieren. Dank der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in den USA können die Wissenschaftler beide Arten untersuchen: Über Alabama existieren Gewitter mit weniger Eis, über Colorado mit mehr Graupel und Hagel. Oklahoma ist für seine heftigen Gewitter, so genannten Superzellen, die auch Tornados auslösen können, bekannt. Die Forschungsflüge sind hochanspruchsvoll, aber kaum gefährlich für die Insassen: "Wir fliegen nicht direkt in die Gewitter hinein, das wäre aufgrund der starken Turbulenzen, Vereisungsgefahr, Blitzeinschlag und den hohen Windgeschwindigkeiten viel zu gefährlich. Unsere Messungen finden im ruhigeren Amboss-Bereich statt", erklärt Huntrieser. Die robuste Falcon ist für diese Einsätze ideal geeignet, die DLR-Piloten haben schon viele ähnliche Messungen mit dem Forschungsflugzeug über Europa, Brasilien, Australien und Afrika durchgeführt. Ein Stück Neuland betreten die Forscher bei ihren Messflügen ebenfalls: Rund zwölf bis 48 Stunden, nachdem sich das Gewitter aufgelöst hat, wollen die Wissenschaftler Messflüge in den übrig gebliebenen Gewitterluftmassen durchführen und beispielsweise erfassen, wie viel Ozon produziert wurde und wie sich die chemische Zusammensetzung durch das Gewitter verändert haben. Die Partner Neben dem DLR sind an den Messungen die Partner u.a. die amerikanische Weltraumagentur NASA, das National Center for Atmospheric Research (NCAR), die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und die Uni Innsbruck beteiligt. Die Mission wird von der amerikanischen National Science Foundation (NSF) gefördert. Über das DLR Das DLR ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Seine umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Über die eigene Forschung hinaus ist das DLR als Raumfahrtagentur im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig.
Das Ozon in der oberen Atmosphäre spielt bei den Prozessen des Klimawandels eine wichtige Rolle, weil Ozon viel Sonnenenergie absorbiert. Es ist schwierig, Ozon nachzuweisen, weil das Gas wie die meisten Treibhausgase nicht direkt durch eine Emissionsquelle oder einen natürlichen Prozess erzeugt wird. Sonnenlicht fördert eine Interaktion zwischen den Luftschadtoffen wie Stickoxideoder anderen Gasen. Diese Reaktion erzeugt Ozon. Diese Interaktion ist in erdnahen Schichten gut erforscht, und ihre Mechanismen sind bekannt. In der oberen Troposphäre, der untersten Schicht der Atmosphäre, konnte diesen Reaktion noch nicht durch Messungen bestätigt werden. Aufwinde in Gewitterwolken können Geschwindigkeiten von 30 - 160 km/h aufweisen. Die Aufwinde transportieren Luftverunreinigungen wie Stickoxide bis in eine Höhe von 10 bis 16 km. Die Aufwinde können die Tropopause, die Schicht zwischen der Troposphäre und der Stratosphäre nicht durchbrechen. Die Tropopause wirkt wie eine Mauer. Die Luft mit den Luftschadstoffen breitet sich beidseitig entlang die Barriere aus. Es bildet sich ein Gewitteramboss. In diesem Amboss befinden sich viele Schadstoffe, welche noch nicht chemisch regiert haben. Die Stickoxide haben sich im Amboss oft noch nicht zu Ozon umgewandelt. Forscher sind dabei die komplexen Vorgänge in den Gewitterwolken zu messen und die Resultate zu analysieren.
|