Dr. Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück: "Es bleibt aber dabei: Auch wegen der globalen Erwärmung steigt auf längere Sicht die Zahl schwerer wetterbedingter Naturkatastrophen. Zusammen mit den weiter steigenden Wertekonzentrationen in exponierten Gebieten führt dies zu immer höheren Schadenpotenzialen. Selbst so scheinbar widersprüchliche Ereignisse wie enorme Schneedruckschäden in Europa Anfang 2006 und jetzt am Jahresende der zunächst extrem warme Winter mit Potenzial zu schweren Winterstürmen passen zu diesem Muster." Zum
Jahresende wurde die indonesische Provinz Aceh von schweren Unwettern und
Überschwemmungen betroffen. Bisher kamen mindestens 100 Menschen ums
Leben, mehr als 200 weitere wurden vermisst. Das Schadenausmass kann erst
nach dem Ablaufen der Fluten geschätzt werden. Die Provinz war vor
zwei Jahren am stärksten von der Tsunami-Katastrophe in Südasien betroffen, allein dort kamen damals rund 160.000 Menschen
ums Leben. Ein Erdbeben vor Taiwan und Tornados in Florida über die
Weihnachtstage verursachten nach ersten Schätzungen keine grösseren
Schäden.
Januar bis März: Rekordschäden durch Schneedruck in Österreich; hunderte Tote durch Kältewelle in Osteuropa 20. März: Warnschuss für Australien: Stärkster Zyklon seit Beginn der Messungen; 400 Mio. US$ versicherter Schaden in dünn besiedeltem Gebiet 27. Mai: Erdbeben auf Java überrascht durch starke Zerstörungen, zeigt Verwundbarkeit von Ballungsräumen in Südostasien. Weit über 5000 Todesopfer 28. Juni: 300 Mio. US$ versicherte Schäden nach Unwetter mit schwerem Hagelschlag im Schwarzwald (Süddeutschland) Milliardenschäden bei Tornados in USA; kleinere Tornados in London, Hamburg und Nürnberg zeigen Schadenpotenziale
auch in europäischen Grossstädten
Die Hurrikan-Saison im Nordatlantik brachte diesmal deutlich weniger Stürme und den niedrigsten Schaden für die Versicherungen seit dem Jahr 2000. Am Ende schlugen 250 Mio. US$ versicherte Schäden aus tropischen Wirbelstürmen zu Buche, nachdem im Jahr zuvor eine Hurrikan-Serie ohnegleichen die Versicherungswirtschaft mit 87 Mrd. US$ belastet hatte. 2006 verursachten nur drei tropische Wirbelstürme substanzielle Schäden, im Vorjahr waren es 17. Meteorologische Sonderfaktoren reduzierten die Hurrikan-Aktivität: Staubpartikel, die aus der Sahara in das Hurrikan-Entstehungsgebiet geweht wurden, absorbierten die Sonnenstrahlung, wärmten und trockneten die Luftschicht in mittlerer Höhe. Das dämpfte vor allem im August die Entstehung von Wirbelstürmen. Im Oktober wirkte das El Niño-Phänomen im Pazifik als Bremse. Im September dagegen, als dieser Effekt von El Niño noch nicht ausgebildet war, entstanden vier Hurrikane. Viele Stürme bogen wieder auf den offenen Atlantik ab, ohne Festland zu erreichen.
"Den
Klimawandel bestreitet ernsthaft eigentlich niemand mehr. Er wird langfristig
zu einer höheren Zahl schwerer Naturkatastrophen beitragen", sagt
Prof. Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung der Münchener
Rück. Aufgrund der anhaltenden zyklischen Warmphase im Nordatlantik,
die durch die Erderwärmung verstärkt wird, geht die Münchener
Rück für die nächsten ein bis zwei Dekaden von einer überdurchschnittlichen
Zahl von Hurrikanen im Vergleich zum
Mittelwert der Zeit 1950 bis 2006 aus (jährlicher Durchschnitt: 10
benannte Wirbelstürme, davon sechs mit Hurrikanstärke).
In Asien richteten Wirbelstürme mit 1,5 Mrd. US$ versicherten Schäden und 15 Mrd. US$ volkswirtschaftlichen Schäden grössere Zerstörungen an als im Vorjahr. Der mit Abstand schadenträchtigste Tropensturm war der Taifun "Shanshan", der zwischen 16. und 19. September mit Windgeschwindigkeiten bis zu 145 Kilometern pro Stunde über Japan und Korea hinwegzog. Der versicherte Schaden betrug 1,2 Mrd. US$. Als
"Warnschuss" gilt der Zyklon Larry,
der am 20. März mit Windgeschwindigkeiten bis zu 290 Kilometern pro
Stunde als schwerster Tropensturm seit Beginn der Messungen im Norden Australiens
die dünn besiedelte Küste von Queensland traf. In einzelnen Orten
wurden fast alle Gebäude beschädigt. Nur wegen der relativ dünnen
Besiedelung der Region blieb der wirtschaftliche Schaden bei 1,1 Mrd. US$,
der versicherte Schaden lag bei 400 Mio. US$. Hätte der Sturm eine
Grossstadt wie Brisbane getroffen - ein vielfach höherer Schaden
wäre die Folge gewesen.
In den Schadensummen kommen menschliche Tragödien unzureichend zum Ausdruck. Weltweit starben 2006 rund 18.000 Menschen bei Naturereignissen - im Vorjahr waren, vor allem wegen des verheerenden Erdbebens in Pakistan und Indien am 8. Oktober 2005, über 100.000 Menschen getötet worden. Auch 2006 war die Naturkatastrophe mit den meisten Todesopfern ein Erdbeben: Am 27. Mai erschütterte ein Beben der Stärke 6,3 die dicht besiedelte, aber wirtschaftlich wenig entwickelte Region um die Stadt Yogyakarta auf der indonesischen Insel Java. 5.750 Menschen kamen nach offiziellen Angaben ums Leben, etwa eine Million Menschen wurden binnen Sekunden obdachlos. 154.000 Häuser wurden zerstört, der ökonomische Schaden belief sich auf 3,1 Mrd. US$. Das
Ausmass der Schäden und die trotz adäquater Bauvorschriften festzustellende
Anfälligkeit neuerer Gebäude wie Einkaufszentren oder Hotels
sind beunruhigend - zumal das Erdbeben nur mittelstark war. Der versicherte
Schaden betrug zwar nur 35 Mio. US$, gut ein Prozent des Gesamtschadens.
Aber: Ein grösserer Schaden für die Assekuranz blieb nur wegen
der geringen Versicherungsdichte aus. In der Region um die ebenfalls erdbebengefährdete
Hauptstadt Jakarta, wo 40 Prozent der versicherten Werte ganz Indonesiens
angesiedelt sind, wäre ein solches Beben mit ähnlichen Zerstörungen
verheerender - für die Menschen wie für die Versicherungen.
Die Münchener Rück wird im Frühjahr 2007 ein neues Erdbeben-Risikomodell
für diese Region vorstellen, in das die neuen Erkenntnisse einfliessen.
Erneute
Grossschäden für die Assekuranz in Indien
durch Überschwemmungen zeigen die Risiken aus steigenden Wertekonzentrationen
auch in Schwellenländern. Im August entstanden vor allem im westindischen
Bundesstaat Gujarat versicherte Schäden von mehr als 350 Mio. US$.
Ein Jahr zuvor hatten extreme Monsun-Regenfälle
der Region mit der Metropole Mumbai im benachbarten Bundesstaat Maharashtra
einen versicherten Schaden von einer dreiviertel Mrd. US$ gebracht -
für die wachsende indische Versicherungswirtschaft die bis dahin teuerste
Naturkatastrophe aller Zeiten.
In Europa ragte der schneereiche Winter als folgenreichstes Naturereignis des Jahres hervor. Ab November 2005 fielen in weiten Teilen Mitteleuropas grosse Schneemengen. Wegen vielerorts nur kurzer Antauphasen im Wechsel mit weiteren Schneefällen türmten sich in den folgenden Monaten zusehends hohe Schneelasten auf den Gebäuden. In Süddeutschland, Österreich und Teilen Osteuropas stürzten zahlreiche Dächer wegen der tonnenschweren Lasten ein, tausende Helfer schaufelten Schneemassen von Häusern und Hallen. Beim Einsturz einer Eislaufhalle in Bad Reichenhall (Süddeutschland) am 2. Januar kamen 15 Menschen ums Leben, allerdings spielten dabei technische Mängel eine wesentliche Rolle. In Österreich entstanden durch Schneedruck versicherte Schäden von fast 400 Mio. US$ - für die Österreichische Versicherungswirtschaft ein sehr grosser Schaden, der fast zehn Prozent der Jahresprämien der Sachversicherung ausmachte. Der ungewöhnlich schneereiche Winter 2005 in Europa passt ebenso wie der warme Winterauftakt 2006 zum Phänomen des Klimawandels: Neben dem Trend zu wärmeren Wintern ist auch eine Zunahme der Wetterextreme mit einer grösseren Variationsbreite zu erwarten. Grösster Einzelschaden in Deutschland war ein Unwetter mit Hagelsturm im Schwarzwald, bei dem am 28. und 29. Juni ein versicherter Schaden von rund 300 Mio. US$ entstand. Die Verwundbarkeit und die Schadenpotenziale insbesondere in Ballungsräumen wurden auch durch einige Tornado-Ereignisse in Europa deutlich. Die versicherten Schäden waren mit jeweils einstelligen Millionensummen zwar nicht sehr gross, aber: Bei den Tornados handelte es sich immerhin um Stürme der Stufe 2 der 5-stufigen Fujita-Skala mit Windgeschwindigkeiten bis 250 Kilometer pro Stunde. Tornados bestehen meist nur kurz, in den genannten Fällen schlugen sie eine wenige hundert Meter lange Schneise in Wohngebieten. Die dabei entstandenen Zerstörungen weisen auf das enorme Schadenpotenzial insbesondere in Ballungsräumen hin. Höppe: "Bei besonders schweren Gewittern kommen diese Stürme weltweit immer wieder vor, eine Vorhersage ist kaum möglich." Während
der Weihnachtstage verursachten im US-Bundesstaat Florida Tornados nochmals
Schäden - ein für diese Winterjahreszeit relativ seltenes
Ereignis. Ein Tornado ereignete sich nur rund 60 Kilometer von Orlando
mit dem Vergnügungspark "Disney World" entfernt. Die Münchener
Rück hat immer wieder auf die Risiken durch Wertekonzentration -
Stichwort Megacities - Megarisiken - hingewiesen.
Die Münchener Rück geht durch die steigenden Schadenpotenziale aus Naturkatastrophen von einer auf längere Sicht deutlich wachsenden Nachfrage nach Rückversicherung aus. Vorstand Dr. Torsten Jeworrek: "Wir betrachten die Preiserhöhungen nach dem Hurrikan-Jahr 2005 als nachhaltig. Die sich ständig verbessernde Modellierung der steigenden Katastrophenrisiken ermöglicht es uns, in Verbindung mit geschicktem Risikomanagement Versicherungsschutz zu risikoadäquaten Preisen und Bedingungen anzubieten."
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