Das
Bundesamt für Umwelt BAFU hat rund 50 Indikatoren zu Ursachen des
Klimawandels, zu dessen Auswirkungen und zu Massnahmen zusammengetragen. Diese erstmalige Dokumentation illustriert wichtige Entwicklungstendenzen
und Handlungsfelder für Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft.
Der
Klimawandel manifestiert sich nicht nur in den Wetter-Anomalien und Naturkatastrophen.
Von mindestens ebenso grosser Bedeutung wie die Extremereignisse sind die
subtilen, oft unumkehrbaren Veränderungen, die in den letzten Jahrzehnten
eingesetzt haben und unseren Alltag immer stärker beeinflussen werden.
Das
Bundesamt für Umwelt BAFU hat klimapolitisch bedeutsame Daten aus
Wissenschaft und Verwaltung zusammengestellt. Diese zeigen die Entwicklung
des Klimas in der Schweiz und die Folgen der Klimaänderung für
Natur und Mensch auf. Ergänzend wird der Umsetzungsstand von Vorsorge-
und Anpassungsmassnahmen dokumentiert, und die Daten geben Hinweise auf
Handlungsfelder, die in Zukunft vermehrte Beachtung verdienen.
Er
greift aus den zahlreichen Indizien für die Klimaänderung einzelne,
gut belegte Beispiele heraus, anhand derer sich die komplexen gegenseitigen
Abhängigkeiten von Klima, Natur und Gesellschaft anschaulich illustrieren
lassen.
Der
Indikatorenbericht gibt einen Überblick über die Entwicklung
des Klimas und die damit verbundenen Auswirkungen in der Schweiz. Er verdeutlicht,
dass die Herausforderung Klimaänderung auch im Alltag Spuren hinterlässt:
Der
Wintertourismus begegnet der abnehmenden Schneesicherheit mit vermehrter
künstlicher Beschneiung, m Mittelland nehmen die Subventionsanträge
für Bewässerungsanlagen zu. Ebenso zeigt sich, dass die bisherigen
Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen erst zum Teil erreicht
wurden und noch bedeutende Handlungsspielräume zur Realisierung einer
klimaverträglichen Schweiz bestehen.
Der
bestehende Indikatorensatz ist noch lückenhaft. Er wird in Zukunft
zu einem leistungsfähigen Monitoringsystem weiterentwickelt, welches
neue Entwicklungen frühzeitig erfasst und Grundlagen für die
Massnahmenplanung und Erfolgskontrolle liefert.
Die
im neuen BAFU-Bericht zusammengefassten Indikatoren beruhen auf Messreihen,
Erhebungen und Statistiken sowie auf Evaluationen einzelner klimapolitisch
bedeutsamer Massnahmen. Die benötigten Daten und Analysen wurden von
zahlreichen Fachstellen des Bundes, Forschungsinstitutionen und Experten
zur Verfügung gestellt. Die wichtigsten Datenquellen:
Ein
funktionierendes Monitoringsystem bedingt, dass bestehende Beobachtungsinsturmentatarien
(z.B. die langen Messreihen zur Klimaentwicklung bei Meteo-Schweiz) auch
in Zukunft kontinuierlich weitergeführt werden.
Die
Tabelle zeigt eine Auswahl an Indikatoren und die dazugehörigen wichtigsten
Aussagen und Trends aus den verschiedenen Bereichen. Weitere Indikatoren
sind im Bericht dargestellt.
Bereich |
Indikator |
Wichtigste
Aussagen und Trends |
Treibhausgas-
emissionen |
Treibhausgasemissionen
nach Sektoren |
In
der Schweiz stagnieren die THG-Emissionen (THG: Treibhausgas) seit
1990, die Anteile der einzelnen Sektoren haben sich jedoch leicht verschoben.
Der Verkehrssektor ist der grösste THG-Emittent, gefolgt von den Haushalten
und der Industrie.
(Treibhaus-Effekt) |
|
Treibhausgasemissionen
der Haushalte |
Der
Heizenergieverbrauch pro m2 Wohnfläche konnte seit 1990 reduziert
werden. Die CO2-Emissionen der Schweizer Haushalte sind jedoch im internationalen
Vergleich deutlich höher. Tiefe Abgaben auf Brenn- und Treibstoffen
und grössere Autos tragen dazu bei. |
|
Treibhausgasemissionen
der Industrie |
Industrieproduktion
und THG-Emissionen laufen noch immer Hand in Hand. Eine Entkoppelung der
Entwicklung von Produktion und Emissionen ist nicht erkennbar. |
|
Treibhausgasemissionen
des Verkehrs |
Die
THG-Emissionen des Strassenverkehrs sind seit 1990 markant angestiegen.
Die Emissionen des Flugverkehrs steigen nach einem Einbruch zwischen 2001
und 2003 wieder an. |
|
Treibhausgasemissionen
nach Gasen |
Aufgrund
der grossen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen änderungen seit
1950 hat sich der Anteil von CO2 von 54 % auf 85 % erhöht, und der
Anteil von CH4 und N2O ist von 46 % auf 13 % gesunken.
(Treibhaus-Effekt) |
|
Treibhausgasintensitäten |
Im
Verhältnis zur Bevölkerung, zum Bruttoinlandprodukt (BIP) und
zum Energieverbrauch sind die Emissionen bis Ende der 1990er Jahre gesunken.
Seither stagnieren sie.
(Treibhaus-Effekt) |
|
Pro-Kopf-CO2-Emissionen
im Ländervergleich |
Der
Einbezug der Emissionen aus Vorleistungen im Ausland erhöht die durchschnittlichen
Pro-Kopf-CO2-Emissionen der Schweiz von 5,8 auf 9,5 t CO2 (Stand 1995).
(Energie-Perspektiven
2006-2030) |
Entwicklung
des Klimas in der Schweiz |
Jahresmitteltemperatur |
Seit
1900 haben die mittleren Jahrestemperaturen um rund 1,5 °C zugenommen,
alleine seit 1961 um 0,4 °C pro Dekade. Von den 20 wärmsten Jahren
seit 1900 entfallen 13 auf die Zeit seit 1990. Dabei sind die Temperaturen
im Sommer stärker gestiegen als im Winter.
(Temperaturanstieg
in der Schweiz ab 1970) |
|
Temperaturmaxima
und -minima |
Die
Jahresmittelwerte der Tageshöchst- und Tagestiefsttemperaturen sind
seit 1960 in allen Landesteilen um 0,3 bis 0,5 °C pro Jahrzehnt gestiegen.
(Temperaturanstieg
in der Schweiz ab 1970) |
|
Hitze-
und Frosttage, Tropennächte und Tautage |
In
der ganzen Schweiz hat die Anzahl Hitzetage in den letzten Jahrzehnten
deutlich zugenommen, während die Anzahl Frosttage deutlich gesunken
ist. Tropennächte haben bisher lediglich in der Südschweiz stark
zugenommen. Die beobachtete Zunahme der Tautage ist v.a. für hochalpine
Regionen mit Permafrost von Bedeutung.
(Sommerhitze) |
|
Starkniederschläge |
Während
bei den Niederschlägen (Jahresdurchschnitt) keine signifikante Trendaussage
zur Entwicklung seit Beginn des 20. Jahrhunderts möglich ist, hat
die Häufigkeit von intensiven Niederschlägen vor allem auf der
Alpennordseite im Winter und Herbst um bis zu 70 % zugenommen.
(Starkniederschläge) |
|
Schneebedeckung
im Mittelland und in den Voralpen |
Die
Nullgradgrenze ist in den letzten 50 Jahren in den Wintermonaten um 67m
pro Jahrzehnt gestiegen. Schneemengen und -häufigkeit nehmen im Mittelland
und den Voralpen entsprechend ab. |
Auswirkungen
auf den Naturraum |
Gletschermassenbilanz |
Gletscher
gehören in der globalen Umweltbeobachtung zu den aussagekräftigsten
Klimaindikatoren. Seit Mitte der 1980er Jahre zeigt sich ein klarer Trend
zum kontinuierlichen und beschleunigten Massenverlust der Alpengletscher.
(Gletscher
Schweiz) |
|
Temperaturvariationen
im Permafrost |
Die
Mächtigkeit der Auftauschicht des Permafrosts zeigt an vielen Standorten
einen zunehmenden Trend, mit Maximalwerten seit Beginn dieses Jahrzehnts.
(Permafrost) |
|
Eisbedeckung
der Mittellandseen |
Bei
elf Seen im Mittelland zeigt sich seit den 1940er Jahren ein Trend zu seltenerer
Eisbedeckung. |
|
Wassertemperatur
von Fliessgewässern und Bachforellenbestand |
Die
Flüsse im Mittelland werden seit den 1960er Jahren immer wärmer.
Ebenso steigt die Anzahl Stunden, an denen die Wassertemperatur über
18 °C steigt. Zeitgleich mit dieser Erwärmung nimmt der Bestand
an Bachforellen ab. |
|
Blütezeit
der Kirschbäume |
Die
Beobachtung der Entwicklungsstadien von Pflanzen liefert gute Indizien
für die lokalen Auswirkungen von Klimaänderungen. Seit 1950 zeigt
sich ein Trend zur Vorverschiebung der Blütezeit von Kirschbäumen
um 15 bis 20 Tage. |
|
Ausbreitung
der Hanfpalme in der Südschweiz |
Die
vermehrt auftretenden Winter ohne Frost haben die Ausbreitung der Hanfpalme
im Tessin seit den 1950er Jahren begünstigt. Heute gibt es bereits
Hinweise auf eine Ausdehnung nördlich der Alpen. |
|
Heiz-
und Kühltage |
Heiztage
(mittlere Aussentemperatur < 12 °C) nehmen in der ganzen Schweiz
ab und Kühltage (mittlere Aussentemperatur > 18,3 °C) nehmen tendenziell
zu. |
Auswirkungen
auf Gesellschaft und Wirtschaft |
Schneesicherheit
von Wintersportgebieten |
Die
Anzahl Tage mit Schnee nehmen vor allem in Lagen unter 1500 m.ü.M.
tendenziell ab. Eine zeitliche Verschiebung des Schneefalls in die späteren
Wintermonate zeigt sich auch in höheren Lagen.
(Klimawandel
und Tourismus in den Alpen )
(Klima
und Wintertourismus ) |
|
Ausbreitung
von Zecken und Zecken-Enzephalitis-Fälle |
Die
Zunahme der Zeckenenzephalitis-Fälle ist nur zum Teil mit dem wärmer
gewordenen Klima zu erklären. Andere Faktoren spielen ebenso eine
Rolle. (Infektionen
durch Zecken) |
|
Extremereignisse
und versicherte Schäden |
Seit
Beginn der 1970er Jahre kann ein Anstieg der Schadenskosten durch Hochwasser
und Rutschungen beobachtet werden. Dieser ist jedoch im Vergleich zur Zunahme
der Bevölkerung, Siedlungsfläche und Wertdichte unterproportional.
(Hochwasserschutz
Hochwasser-Management) |
Antworten
auf die Klimaänderung |
|
|
a)
Verminderung der Treibhausgasemissionen |
Umsetzung
CO2-Gesetz |
Die
Treibhausgasemissionen konnten seit 1990 stabilisiert, aber nicht gesenkt
werden. Die Energiepolitik (Programm «EnergieSchweiz»), die
freiwilligen Massnahmen der Industrie und die rückläufigen Emissionen
in der Landwirtschaft bewirken eine Emissionsreduktion; der Anstieg im
Verkehrssektor sowie der Trend zu Mehremissionen infolge Bevölkerungszunahme
und Wirtschaftswachstum kompensieren diese Abnahme.
(«Graue»
Treibhausgas-Emissionen der Schweiz )
(Energie-Perspektiven
2006-2030) |
|
CO2-Emissionen
neuer Personenwagen |
Die
durchschnittlichen CO2-Emissionen von Neuwagen konnten zwar auf 187g CO2/km
gesenkt werden; das vereinbarte Ziel für die Reduktion des Treibstoff
verbrauchs bis 2008 ist mit der gegenwärtigen Trendentwicklung jedoch
unvereinbar. |
|
Energiebezugsfläche
zertifizierter Gebäude |
Die
Energiebezugsfläche zertifizierter Gebäude (Minergie und Minergie-P)
nimmt seit 1998 stetig zu, betrug 2006 jedoch erst 0,9 % der gesamten Energiebezugsfläche
der Schweiz. |
|
Kantonale
Förderprogramme |
Der
Kanton Basel-Stadt erzielt mit Fördermassnahmen im Rahmen des Programms
«EnergieSchweiz» die mit Abstand höchste Einsparung an
CO2-Emissionen. Einige Kantone verfügen nach wie vor über kein
Förderprogramm. |
|
Gefahrenkarten
und Gefahrenprävention |
Gefahrenkarten
sind ein zentrales Instrument des Naturgefahrenmanagements. Für gegen
30 % der Landesfläche existieren Gefahrenkarten für Hochwasser,
Rutsch- und Sturzprozesse. In der Nutzungsplanung der Gemeinden sind diese
Karten jedoch erst zu einem kleinen Teil umgesetzt.
(Geomorphologie:
Massenbewegungen) |
b)
Strategien im Umgang mit der Klimaänderung |
Massnahmen
im Wintertourismus |
Beschneiungsanlagen
sind vor allem in höheren Lagen ein geeignetes Mittel, um in schneearmen
Wintern einen sicheren Skibetrieb zu gewährleisten. Ihr Einsatz ist
in der Schweiz seit anfangs der 1990er Jahre exponentiell gestiegen. 2005
konnten fast 20 % aller Pisten beschneit werden.
(Klima
und Wintertourismus )
(Klimawandel
und Tourismus in den Alpen ) |
|
Bewässerung
in der Landwirtschaft |
Der
Bund hat seit 2005 seine Subventionspraxis für Bewässerungsanlagen
geändert. Nicht nur in den inneralpinen Trockentälern des Wallis
und Südbündens werden heute Zuschüsse ausgerichtet. Die
generelle Regelung der Ansprüche verschiedener Nutzer bei häufigerer
Wasserknappheit steht noch aus. |
|
Anpassung
der Waldbewirtschaftung |
Mischwälder
mit einheimischen Laubhölzern sind besser an die Klimaerwärmung
angepasst als Nadelwälder. Dem Kriterium der Standortangepasstheit
der Baumarten wird seit einiger Zeit vermehrt Beachtung geschenkt.
(Wälder
und der globale Klimawandel Alpen)
(Schweizer
Wald) |