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Kenia Menschenrechte im Spannungsfeld der Kulturen
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Kenia: «Menschenrechte im Spannungsfeld der Kulturen»
Bericht von Romana Büchel, Fastenopfer, Fachfrau für Kultur und Religion

Die Menschenrechte sind eigentlich universal gültig, doch bei der Durchsetzung kommt es in manchen Kulturen zur Kollision mit bestehenden Werten. Diese Spannungsfelder stellen zuweilen eine enorme Herausforderung dar für ein Hilfswerk wie Fastenopfer.

1946 wurde ein Komitee eingerichtet, das aus Mitgliedern unterschiedlicher kultureller, politischer und religiöser Herkunft bestand und sich das ambitiöse Ziel setzte, die Rechte der Menschen zu untersuchen. Damit hatte das Komitee die schier unmögliche Aufgabe, zu definieren, welche Rechte und Werte als universell gültig festzulegen sind. Nach zweijähriger Debatte wurde 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formuliert. Als Kompromissprodukt legte man im Artikel 18 auch das Prinzip der kulturellen Freiheit sowie der Religionsfreiheit fest.

Nicht zuletzt daran entzündete sich die Debatte über die Universalität der Menschenrechte - eine Diskussion, die bis heute anhält. So können sich einige Religionsgemeinschaften nicht mit dem Recht auf Religionswechsel einverstanden erklären. Im Islam etwa gilt ein Austritt als Blasphemie.

Auch das Zusatzdokument von 1981 "Deklaration zur Beseitigung aller Arten von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Überzeugung" enthält Stolpersteine für einige Religionsgemeinschaften. So wird darin das Recht auf Agnostizismus, Atheismus und Rationalismus unterstrichen.

Weitere Reibungsflächen entstehen aus Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder aufgrund sexueller Orientierung, aus menschenunwürdigen Bestrafungen, Genitalverstümmelungen, Zwangsheiraten etc.

Universalitätsanspruch versus Kulturrelativismus?

Dies zeigt, wie komplex das Spannungsfeld zwischen Kulturrelativismus und Universalität der Menschenrechte ist. Zudem neigen die meisten Staaten - auch westliche - dazu, die Menschenrechte für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren oder zu umgehen. So gibt es nicht wenige Staaten, welche die Uno-Konvention gegen Folter ratifiziert haben, ihre Häftlinge aber nach wie vor systematisch misshandeln.

Das chinesische Informationsministerium greift gar auf die Menschenrechtsrhetorik zurück, wenn es seinen Plan vorstellt, 76'000 Nomadinnen und Nomaden sesshaft zu machen. In diesem Zusammenhang hat der chinesische Schriftsteller Bo Yang das Bild des "Sojasaucenfass" geprägt, in welches China von aussen kommende kulturelle Einflüsse - wie die Menschenrechte - so lange einlegen würde, bis diese einen chinesischen "Geschmack" angenommen hätten.

Aushandeln statt Missionieren

Hierzulande drängt sich das Bild eines Sauerkrautfasses auf, in welchem die Menschen- und Frauenrechte so lange eingeweicht werden, bis sie beispielsweise auch ein Burka-Verbot rechtfertigen. Menschenrechte laufen also überall Gefahr, instrumentalisiert zu werden. Die Frage, ob es legitim sei, dass "wir" mit unserem historischen Hintergrund "den Anderen" mit den Menschenrechten ein moralisches Korsett überstülpen, beschäftigt Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten denn auch seit längerem.

Alex Sutter plädiert dafür, dass sich der universalistische Eifer in Zaun halten muss, damit er diskussionsfähig bleibe. Denn werden Menschenrechte mit einem absolutistisch verstandenen Universalismus eingefordert, der allen Menschen rasenmäherhaft bestimmte normative Setzungen wie Grundwerte oder Moralvorschriften diktieren will, erfolge dies oft mit dem Verweis auf absolut gesetzte Autoritäten wie "die Vernunft" oder "Gott". Wer diese Referenz nicht teile, werde als irrational, dumm oder gottlos abgestempelt. Dabei wird gern übersehen, dass in jeder Kultur Diebstahl, Mord oder Lüge sanktioniert werden.
Christoph Antweiler fordert daher eine Kombination aus der Suche nach Universalien einerseits, und aus der Erkenntnis menschlicher Vielfalt andererseits. Diese bringt er mit folgender Formel auf den Punkt: "Jeder Mensch ist wie alle Menschen, wie einige andere Menschen, wie kein einziger Mensch."

Ein selbstkritischer Universalismus legt deshalb das Gewicht auf Selbstreflexion, dies auch im Bewusstsein um die Kontextgebundenheit der jeweiligen Selbsteinschätzungen und Überzeugungen. Deshalb ist die Entweder-Oder-Mentalität nicht auf der Höhe der Zeit. Vielmehr muss die Gültigkeit der Menschenrechte in einem unaufhörlichen kommunikativen Prozess jenseits von moralisch aufgeladener Missionierung ständig neu ausgehandelt werden.

Und es funktioniert doch

Für ein gelungenes Vorgehen eines solchen Aushandlungsprozesses steht das Fastenopferprojekt EEON im Südwesten Kenias, welches sich gegen die Beschneidung junger Massai-Mädchen engagiert. Der Anstoss zum Projekt gab eine Primarschullehrerin, selber Massai und als junges Mädchen beschnitten.

Das Projekt verfolgt dreierlei Ziele: Die Abnahme der groben Menschenrechtsverletzungen in Form von Mädchenbeschneidung, die Förderung der Schulbildung von Mädchen und die Erhöhung des Heiratsalters von jungen Frauen. Denn obwohl dies in Kenia gesetzlich verboten ist, wird die Mehrheit der Massai-Mädchen immer noch beschnitten. Diese äusserst schmerzhafte Operation, die in der Regel ohne Narkose und ohne sterile Instrumente vorgenommen wird, kann für die Mädchen das Todesurteil bedeuten.

Inzwischen haben sich bereits 40 Familien im Projekt entschlossen, ihre Töchter nicht mehr beschneiden zu lassen und 140 Mädchen konnten die Schulzeit ordentlich abschliessen. Und es werden täglich mehr.

Der Projekterfolg rührt daher, dass die Initiative von der Bevölkerung selbst ergriffen worden ist und, dass Fastenopfer nicht westliche Moralvorstellungen gepredigt hat. Vielmehr haben sich betroffene Mütter und Väter in einem Netzwerk zusammengeschlossen, in welchem sie gemeinsam alternative Formen von Übergangsritualen entworfen haben, welche einerseits die Kultur der Massai respektieren und andererseits die Menschenrechte der jungen Frauen nicht verletzen.

Auf Augenhöhe

Das Fastenopfer-Projekt aus Kenia zeigt eindrücklich: Selbst in einem Dilemma, das kaum lösbar wirkt und bei dem die Grenzen der Toleranz ausgereizt scheinen, verpflichtet der moralische Ethos zu einer angemessenen Intervention. Dabei gilt es auf einen Dialog auf gleicher Augenhöhe zu setzen, der vom Willen des gegenseitigen Verstehens und von der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel geprägt ist. Die grosse Herausforderung besteht darin, Brücken zu bilden zwischen lokalen kulturellen Werten und universell anerkannten Menschenrechten.

Quelle: Text und Bilder Fastenopfer Schweiz, 2014

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Kenia: «Menschenrechte - Im Zentrum steht das Recht auf Nahrung»
Bericht von Blanca Steinmann

Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die UNO-Vollversammlung die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Nach den ungeheuerlichen Erfahrungen von Weltkrieg und Genozid war weltweit der Wille vorhanden, dies dürfe nie mehr geschehen. Die auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufbauenden Konventionen wie die Antirassismus-Konvention oder die Frauen-Konvention haben die Idee der Menschenrechte weitergeführt. Es wurden auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte definiert. Jede der Konventionen stellt einen Meilenstein dar auf dem steinigen Weg zur Durchsetzung menschenwürdiger Lebensumstände für alle. Sämtliche Konventionen zusammen bilden einen gemeinsamen normativen Rahmen, der einem einvernehmlichen und gegenseitig respektvollen menschlichen Zusammenleben dienen könnte. Leider sieht die Realität in vielen Ländern anders aus.

Solange Menschen hungern, ist keine Entwicklung möglich

Die Mehrzahl der Projekte von Fastenopfer bezieht sich auf die Menschenrechte. Im Zentrum steht das grundlegende Recht auf Nahrung. Es ist "das Recht jeden Mannes, jeder Frau und jedes Kindes, allein und in Gemeinschaft mit anderen jederzeit (…) Zugang zu angemessener Nahrung (…) zu haben". Festgehalten ist es in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie im Uno-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der von 160 Staaten unterzeichnet wurde.

Konkret geht es in den Projekten von Fastenopfer darum, dass sich die Menschen von den Schulden befreien, ihren Landbesitz legalisieren, ertragreiches Saatgut züchten, ihre Anbaumethoden verbessern. Es geht darum, die fruchtbaren Böden und die Biodiversität zu erhalten. Eine gesicherte Ernährung setzt zudem voraus, dass Frauen gleichberechtigt behandelt werden und Konflikte um Wasser- oder Landnutzung möglichst friedlich beigelegt werden.

Es braucht viele weitere kleine und grosse Schritte und dauerhafte Anstrengungen von allen, um nach und nach den Hunger zu überwinden und eines Tages den idealen Zustand zu erreichen, den die Menschenrechte vor mehr als 60 Jahren skizziert haben. Fastenopfer leistet seinen Teil zur Durchsetzung der Menschenrechte, indem es Armut und Hunger mit dem Menschenrechtsansatz begegnet.

Quelle: Text und Bilder Fastenopfer Schweiz, 2014
Menschenrechte UN-Menschenrechtserklärung
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