In der Schweiz sind mehr als die Hälfte der Befragten (53%) der Meinung, dass Korruption in diesem Zeitraum vermehrt aufgetreten ist. Trotz dieser Ergebnisse zeigt die Umfrage auch, dass sieben von zehn Befragten weltweit bereit wären, einen Korruptionsfall zu melden. "Die Folgen der Finanzkrise bestimmen weiterhin die Meinung über Korruption vor allem in Europa und Nord-Amerika. Institutionen und Unternehmen auf der ganzen Welt müssen entschlossen handeln, um das Vertrauen in ihr Wirken wiederherzustellen", bekräftigt Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International. "Es ist ermutigend, dass so viele Menschen bereit sind gegen Korruption Stellung zu beziehen. Diese Bereitschaft müssen wir nutzen." Für das Global Corruption Barometer 2010 wurden mehr als 91.000 Teilnehmer in 86 Ländern befragt. Im Fokus des Barometers stehen geringfügige Bestechungszahlungen (sog. petty bribery), die Wahrnehmung, die man von öffentlichen Institutionen hat und wem die Befragten beim Kampf gegen Korruption vertrauen. Bestechungszahlungen an Behörden: Regionale Unterschiede Die Umfrage zeigt, dass in den letzten zwölf Monaten jede vierte Person Schmiergeld an eine von neun Institutionen und Dienstleistern in verschiedenen Bereichen - bspw. Gesundheitswesen, Bildung oder Steuerbehörden - gezahlt hat. Die Polizei wird von den Befragten als häufigster Empfänger von Bestechungszahlungen genannt; 29% derer, die mit der Polizei in Kontakt gekommen sind, geben an, Schmiergelder gezahlt zu haben. Im zentralen und südlichen Afrika wurden am häufigsten Bestechungsgelder gezahlt: mehr als jede zweite Person gibt an, in den vergangenen zwölf Monaten bestochen zu haben. Demgegenüber sind es im Nahen Osten und Nord-Afrika 36% der Befragten, in den ehemaligen sozialistischen Staaten 32%, in Lateinamerika 23%, auf dem Westbalkan und in der Türkei 19%, im Asien-Pazifik-Raum 15% und in der Europäischen Union und Nordamerika nur 5%. In mehr als 20 Ländern waren diese Zahlen deutlich höher als noch 2006, als die gleiche Frage gestellt wurde. Die höchsten Anteile von Menschen, die Schmiergeld bezahlten, wurde im Jahr 2010 in Afghanistan, Indien Irak, Kambodscha, Kamerun, Liberia, Nigeria, Palästina, Senegal, Sierra Leone und Uganda festgestellt, wo mehr als 50% der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten Schmiergelder bezahlten. Fast die Hälfte aller Befragten gibt an, Bestechungsgelder bezahlt zu haben, um Probleme mit den Behörden zu vermeiden; ein Viertel gibt an, dies getan zu haben, um bestimmte Prozesse zu beschleunigen. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass sich Schmiergeldzahlungen an die Polizei seit 2006 fast verdoppelt haben. Ausserdem melden mehr Befragte Bestechungszahlungen an Justiz, Registrierungs- und Genehmigungsbehörden getätigt zu haben, als dies noch vor fünf Jahren der Fall war. Armut und Bestechung Unter den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten sind Junge und Arme weiterhin am stärksten von Korruption betroffen. Wie schon in den Umfragen vergangener Jahre geben Menschen mit tieferem Einkommen öfter als Besserverdienende an, Bestechungsgelder bezahlt zu haben. Die Ärmeren tätigen solche Zahlungen doppelt so häufig, um sich den Zugang zur Grundversorgung (wie z. B. Bildung) zu sichern. "Korruption ist wie eine regressive Steuer. Es ist nötig etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu unternehmen. Die marginalisierten und armen Gruppen sind weiterhin am stärksten der Erpressung ausgesetzt. Die Regierungen sollten mehr tun, um Korruptionsrisiken in der Grundversorgung zu identifizieren und ihre Bürger zu schützen", bestätigt Labelle. Ein Drittel aller unter 30-Jährigen melden, in den vergangenen zwölf Monaten Schmiergeld bezahlt zu haben. Bei den über 51-Jährigen sind es weniger als jeder Fünfte. Mangelndes Vertrauen in Behörden Bedauerlicherweise haben nur wenige Befragte Vertrauen in ihre Regierungen und Politiker. Acht von zehn sind der Ansicht, politische Parteien seien korrupt oder extrem korrupt. Dahinter reihen sich die öffentliche Verwaltung und das Parlament auf den Plätzen zwei und drei der korruptesten Institutionen ein. In der Schweiz hingegen nehmen die Befragten den privaten Sektor als am korruptesten wahr. Gleich dahinter folgen die Medien und die politischen Parteien. Dies unterstreicht die wiederholten Forderungen von TI Schweiz nach intensiveren Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung in der Privatwirtschaft und nach mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. 54% aller Schweizer Befragten sagen aus, dass die von ihrer Regierung ergriffenen Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung ineffizient seien. Dies sind deutlich mehr als noch im vergangenen Jahr, als nur 26% aller Befragten dieser Meinung war. Und obwohl eine grosse Mehrheit - sieben von zehn aller weltweit Befragten - signalisieren, dass sie bereit wären, korrupte Handlungen, die sie beobachten, zu melden, reduziert sich dieser Anteil auf die Hälfte, wenn sie es selbst sind, die Schmiergelder bezahlen müssen. "Die Ergebnisse des Global Corruption Barometer 2010 zeigen, dass Korruption heimtückisch ist und das Vertrauen der Menschen erodiert. Die gute Nachricht ist, dass die Menschen bereit sind zu handeln", sagt Huguette Labelle. "Ein besserer Schutz für Whistleblower und ein breiterer Zugang zu Information sind entscheidend. Das öffentliche Engagement im Kampf gegen Korruption wird die Behörden zum Handeln zwingen und den Menschen Mut geben, ihre Stimme zu erheben für eine sauberere und transparentere Welt", fügt sie hinzu. Anmerkung: Für das Barometer, das in diesem Jahr zum siebenten Mal erscheint, wurden in 86 Ländern im Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. September 2010 Befragungen durchgeführt. Das Unternehmen Gallup International war in 84 Ländern für die Befragungen verantwortlich. In Bangladesch führte die nationale Sektion von Transparency International die Umfragen durch. In der Mongolei wurde die Umfrage von der nationalen Antikorruptionsbehörde "Independent Authority against Corruption of Mongolia" durchgeführt. Hingegen erklärt sich die Mehrheit der SchweizerInnen nicht bereit mehr Geld für Produkte von korruptionsfreien Unternehmen zu bezahlen. Diese Reaktion überrascht, denn mehr als die Hälfte aller Befragten, die an der weltweiten Meinungsumfrage teilgenommen haben, erachten, dass Korruption einen negativen Einfluss auf ihre Kaufentscheidung ausübe und zeigen sich gewillt mehr Geld für korruptionsfreie Produkte auszugeben.
Der Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index CPI) der Antikorruptionsorganisation Transparency International misst den Grad der wahrgenommenen Korruption im öffentlichen Sektor. Drei Viertel der 178 untersuchten Länder erzielt auf einer Skala von null (als sehr korrupt wahrgenommen) bis zehn (als wenig korrupt wahrgenommen) weniger als fünf Punkte. Korruption bleibt damit weltweit ein ernst zu nehmendes Problem. Die Schweiz fällt im Vergleich zu den Vorjahren um 0.3 Punkte zurück. Dänemark, Neuseeland und Singapur teilen sich mit einer Punktzahl von 9.3 den ersten Platz. Die unteren Ränge des CPI belegen Länder mit instabilen Regierungen, die häufig unter den Folgen eines Konflikts leiden. Afghanistan und Myanmar teilen sich den vorletzten Platz mit einer Punktzahl von 1.4. Somalia belegt mit einer Punktzahl von 1.1 den letzten Rang. Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International, äussert sich zum diesjährigen CPI: "Dieses Ergebnis zeigt, dass bedeutend mehr unternommen werden muss, um Regierungsführung weltweit zu stärken. Die Existenzgrundlage vieler Menschen steht auf dem Spiel. Regierungen müssen ihren Bekenntnissen zu Korruptionsbekämpfung, Transparenz und Rechenschaftspflicht Taten folgen lassen. Gute Regierungsführung muss ein integraler Bestandteil globaler Lösungen sein." Antikorruptionsmassnahmen müssen in allen Bereichen implementiert werden. Dies gilt ins-besondere für die Finanzmarktreform, den Kampf gegen den Klimawandel und die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, der weltweiten Armut zu begegnen. Transparency fordert daher eine strengere Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC). Die UNCAC ist ein wichtiges globales Regelwerk zur Bekämpfung von Korruption. Huguette Labelle: "Wir dürfen Korruption nicht einfach hinnehmen, denn zu viele arme und schwache Menschen leiden weltweit an ihren Folgen. Die Umsetzung bestehender Regelungen und Gesetze muss verbessert werden, um Korruption den Nährboden zu entziehen." Die Auswirkungen der Finanzkrise Auffällig ist, dass einige Länder, die besonders von der Finanzmarktkrise betroffen waren, im CPI abgerutscht sind. Diese Krise wurde letztendlich auch durch mangelnde Transparenz und Integrität herbeigeführt. Zudem hat sich kein einziger OECD-Mitgliedstaat im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Alle Länder sind dementsprechend aufgefordert, ihre Bemühungen im Kampf gegen Korruption zu verstärken. Huguette Labelle: "Die Ergebnisse des diesjährigen Korruptionswahrnehmungsindex zeigen erneut, dass Korruption ein weltweites Problem ist, mit dem sich politische Reformen auseinandersetzen müssen. Es ist lobenswert, dass die G20 im Rahmen der Finanzmarktreformen bereits im Vorfeld des Gipfels im November weitgehende Verpflichtungen zu Transparenz und Integrität eingegangen sind. Doch der eigentliche Reformprozess muss beschleunigt werden". Transparency International ruft die Regierungen der G20-Staaten auf, bei Reformen sowohl im öffentlichen wie im privatwirtschaftlichen Sektor staatliche Kontrolle und Transparenz walten zu lassen. Die Botschaft ist eindeutig: Überall auf der Welt sind Transparenz und Rechenschaftspflicht wesentliche Vorraussetzung, um Vertrauen wiederherzustellen und eine Kehrtwende hinsichtlich der Korruptionsbekämpfung einzuleiten. Ohne Transparenz und Rechenschaftspflicht sind politische Lösungen für eine Reihe von globalen Problemen gefährdet. Die Situation in der Schweiz Die Schweiz belegt dieses Jahr mit einem Wert von 8.7 Platz 8 des Korruptionswahrnehmungsindexes. Der diesjährige Wert ist der tiefste seit 2003; in den vergangenen 7 Jahren bewegte sich die Schweiz zwischen 8.8 und 9.1 Punkten. Die im CPI berücksichtigten Umfragen für die Schweiz wurden von 4 Institutionen durchgeführt und umfassen die Zeitspanne von Januar 2009 bis September 2010. In dieser Zeit wurden zwar keine grossen Korruptionsfälle im öffentlichen Sektor aufgedeckt, doch sind im Rahmen der damaligen Finanzkrise intransparente Zwischenfälle ans Tageslicht getreten, die das demokratische Image der Schweiz nicht begünstigt haben:
Die Schweiz ist das einzige demokratische Land, das keine Regelung zur Parteienfinanzierung vorsieht. Dem Schweizer Stimmbürger wird somit grundsätzlich ein Einblick in die finanzielle Interessenlage der Parteienlandschaft verwehrt. Diese intransparente Ausgangslage ruft nicht nur Unmut, sondern auch Misstrauen in die staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen hervor. Vorkommnisse dieser Art stärken keinesfalls das Vertrauen der Bürger in ihren Staat. Das unbestechliche Bild der Schweiz wurde damit in den letzten eineinhalb Jahren zwar nicht zerstört, aber etwas - genaugenommen um 0.3 Punkte - angekratzt. Transparency International Schweiz fordert deshalb: Im Sinne von Art.7 Ziffer 3 der UNCAC die Offenlegung der Parteienfinanzen, um für den Stimmbürger Transparenz in der Parteienlandschaft zu schaffen und um mögliche Interessenbindungen und -konflikte aufzuzeigen. dass staatliche und nichtstaatliche Institutionen der Gefahr von Interessenbindungen stärkere Aufmerksamkeit schenken und bei möglichen Interessenskonflikten konsequent Massnahmen ergreifen, damit Entscheidungsprozesse vor missbräuchlicher Einflussnahme geschützt werden. Weitere Informationen: Transparency International Schweiz (www.transparency.ch) ist die Schweizer Sektion von Transparency International und setzt sich fürKorruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ein. Institute for Management Development -World Competitiveness Report 2009/2010 , World Economic Forum - Global Competitiveness Report 2009/2010, Economist Intelligence Unit - Country Risk Service and Country Forecast 2010, IHS Global Insight - Global Risk Service 2010 Klarstellung In ihrer Pressemitteilung kritisiert TI Schweiz den Umstand, dass die Schweiz als demokratischer Staat keine Regelung zur Parteienfinanzierung kennt. Dabei erwähnt TI Schweiz als Beispiel eine Spende der UBS an die CVP im Mai 2009, auf welche die CVP verzichtet hatte, da die UBS damals mit Steuergeldern unterstützt wurde. TI Schweiz tritt für eine klare Regelung zur Parteifinanzierung und ist der Ansicht, dass der Mangel einer solchen geeignet ist, die Wahrnehmung der Schweiz im Bereiche der Korruptionsbekämpfung negativ zu beeinflussen. Dass die erwähnte UBS Spende die Begründung für die Zurücksetzung der Schweiz um einen Rang in der Rangliste des von TI veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindexes, wie dies von ein paar Medien aufgefasst worden ist, ist indes nicht der Fall.
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