 |
Ruanda:
1994 - Beginn des Völkermordes
|
 |
Mit
der Ermordung des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana
am 6. April 1994 begann eines der schlimmsten Massaker des 20. Jahrhunderts.
Fanatische Vertreter der Hutu töteten innerhalb von 100 Tagen zwischen
800'000 und einer Million Tutsi und gemässigte Hutu. Auch 15 Jahre
nach dem Völkermord ist Versöhnungsarbeit nötig. Während
in Ruanda nach dem Genozid Stabilität und Ruhe eingekehrt ist, gibt
es wegen ähnlicher Konflikte in Ruandas Nachbarländern Burundi
und der Demokratischen Republik Kongo weiterhin zahlreiche Tote und Vertriebene.
Friedens-
und Versöhnungsarbeit stehen auch 15 Jahre nach dem Völkermord
im Mittelpunkt der Arbeit von "Brot für die Welt" in Ruanda.
 |
Dort
müssen Täter und Opfer lernen, wieder friedlich miteinander zusammenzuleben.
Zur juristischen Aufarbeitung richteten die Vereinten Nationen Ende 1994
das "International Criminal Tribunal for Rwanda" in Arusha in Tansania
ein. Doch angesichts der riesigen Zahl von Tätern in ruandischen Gefängnissen,
wo sich nach dem Völkermord rund 120'000 Häftlinge drängten,
entschied sich die Regierung 2002 zur Wiedereinführung der traditionellen
Gacaca-Gerichte.
Diese
mit Laienrichtern besetzten rund 13'000"Im-Gras"-Gerichte hatten die Aufgabe,
aufgrund des Dialogs zwischen Tätern und Opfern eine Versöhnung
auf Gemeindeebene zu ermöglichen. |
|
In
den Dörfern leben heute wieder ehemalige Täter Tür an Tür
mit den Opfern. Doch die Vergangenheitsbewältigung ist durch die traditionelle
Gerichtsbarkeit allein nicht gewährleistet. Deshalb muss Versöhnungsarbeit
auch 15 Jahre nach dem Völkermord weitergehen.
"Brot
für die Welt" unterstützt darüber hinaus die Friedensinitiativen
der Allafrikanischen Kirchenkonferenz (AACC) im Gebiet der Grossen Seen,
wo Ruanda an Burundi und den Kongo grenzt. Auch in Burundi gab es zwischen
1993 und 2005 einen Bürgerkrieg zwischen Hutu und Tutsi. Bis heute
ist der Frieden in dem kleinen afrikanischen Land brüchig. Zudem hat
sich die Auseinandersetzung zwischen ruandischen Hutu und Tutsi seit dem
Genozid in Ruanda in den Osten des Kongo verlagert. In das Grenzgebiet
zu Ruanda haben sich nach dem Sieg der Tutsi in Ruanda die Anhänger
der radikalen Hutu-Milizen geflüchtet. Jeder Versuch ihrer Entwaffnung
ist bislang gescheitert. Dies ist ein entscheidender Faktor zur Destabilisierung
der gesamten Region. Im Osten des Kongo leistet die Diakonie Katastrophenhilfe
gegenwärtig Nothilfe.
Quelle:
BROT FüR DIE WELT 2009
nach
oben
Ruanda:
2004 - Der Alptraum hört nicht auf
|
 |
2004
- Zehn Jahre nach dem Völkermord in Ruanda leiden insbesondere die
Kinder unter den Nachwirkungen der Katastrophe. Mehr als 600'000 Kinder
und Jugendliche wachsen heute in Ruanda ohne einen oder beide Elternteile
auf. Jede dritte ruandische Familie hat zwar mindestens ein Pflegekind
aufgenommen - dies ist der höchste Anteil an Pflegekindern weltweit.
Doch weiter müssen sich über 100'000 Heranwachsende ohne Schutz
und Beistand durch Erwachsene in Kinderhaushalten durchschlagen. Die Kinder
und Jugendlichen leiden an dem Verlust ihrer Angehörigen und leben
meist in extremer Armut und Hoffnungslosigkeit.
UNICEF
und die Konrad-Adenauer-Stiftung erinnern heute mit einer gemeinsamen Konferenz
an den Beginn des Völkermords in Ruanda am 7. April 1994 und rufen
dazu auf, Ruanda und die überlebenden nicht zu vergessen. "Nur wenn
die Kinder in den Krisenländern der Erde in Sicherheit aufwachsen
und Perspektiven für ihre Zukunft sehen, können wir hoffen, dass
sich Tragödien wie die in Ruanda nicht wiederholen", sagte Reinhard
Schlagintweit, Vorsitzender von UNICEF Deutschland in Berlin.
In
nur 100 Tagen wurden in Ruanda 1994 mindestens 800'000 Menschen von ihren
Landsleuten und Nachbarn umgebracht - darunter auch 300'000 Kinder. Der
schlimmste Massenmord seit dem Zweiten Weltkrieg hinterliess ein verwüstetes
und traumatisiertes Land. Nach UNICEF-Befragungen waren damals 95 Prozent
aller Jungen und Mädchen Zeuge schrecklicher Gewalttaten, 80 Prozent
verloren während des Völkermords einen Familienangehörigen.
Massenvergewaltigungen und das Chaos der Nachkriegszeit führten zu
einem dramatischen Anstieg der HIV-Infektionen. Heute sind nahezu 14 Prozent
der Bevölkerung Ruandas im Alter von 15 bis 49 Jahre infiziert. Mädchen
und junge Frauen, die allein für ihre Geschwister sorgen müssen,
sind beson-ders bedroht, da sie sich häufig prostituieren müssen,
um das überleben zu sichern.
Über
100'000 Kinder auf sich allein gestellt
UNICEF
schätzt, dass es heute in Ruanda rund 28'000so genannte Kinderhaushalte
gibt:
über
100'000 Jungen und Mädchen in diesen Familien ohne Eltern schlagen
sich weitgehend allein durch. In rund 80 Prozent der Kinderhaushalte kümmern
sich die ältesten Mädchen um die Versorgung ihrer jüngeren
Geschwister.
Der
Alltag der Kinder ist von extremer Armut und Ausgrenzung geprägt.
Viele Kinder haben nach dem Tod der Eltern ihr Zuhause und das Land verloren.
Seit Jahren leben sie in meist einfachsten, selbst gebauten Hütten.
Sie sind unzureichend ernährt, haben nur selten Zugang zu medizinischer
oder psychologischer Hilfe. Viele dieser Kinder werden als billige Arbeitskräfte
auf Plantagen oder in privaten Haushalten ausgebeutet und sexuell missbraucht.
Die Chancen der Kinder, sich eine bessere Zukunft zu erarbeiten, sind gering:
90 Prozent der Jungen und Mädchen aus Kinderhaushalten gehen nicht
zur Schule.
Seit
dem Bürgerkrieg ist auch die Zahl der Strassenkinder drastisch angestiegen.
Schätzungsweise 7'000Kinder schlagen sich auf der Strasse durch,
die Hälfte von ihnen in der Hauptstadt Kigali. Immer wieder sind sie
übergriffen durch die Polizei ausgesetzt, die sie aus der Öffentlichkeit
vertreiben will.
Der
Alptraum hört nicht auf
UNICEF
geht davon aus, dass noch immer jedes fünfte Kind in Ruanda durch
den Tod von Eltern und Angehörigen oder die Gewalt, die es miterleben
musste, schwer traumatisiert ist - psychologische Hilfe ist für die
meisten von ihnen nicht erreichbar. Im Gegenteil: Viele von ihnen müssen
heute wieder in ihren Dörfern mit den Tätern von 1994 zusammenleben.
Denn zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse und der
überforderten Justiz wurden zuletzt Tausende Häftlinge entlassen
und in ihre Heimatdörfer zurückgeschickt. Bei vielen überlebenden
Kindern und Jugendlichen brechen dadurch alte seelische Wunden auf. In
der UNICEF-Umfrage 1996 hatten von über 3'000befragten Kindern 69
Prozent mit angesehen, wie jemand getötet wurde - die Angst ist bei
vielen nicht überwunden. In Interviews berichten Jugendliche immer
wieder darüber, dass sie sich mit ihrem Schmerz allein gelassen fühlen
und Angst vor erneuten Gewaltakten haben.
Minderjährige
Täter
Aber
auch Kinder und Jugendliche selbst waren 1994 an Gräueltaten beteiligt.
Manipuliert und durch Erwachsene und Medien aufgeputscht begingen auch
Heranwachsende Morde, plünderten oder führten Milizen zu den
Verstecken ihrer Opfer. Unter den rund 120'000 Menschen, die nach dem Ende
des Bürgerkrieges unter dem Vorwurf des Völkermordes verhaftet
wurden, waren schätzungsweise 5'000Kinder und Jugendliche. Zehn Jahre
nach den Ereignissen sind über 3'000von diesen mittlerweile jungen
Erwachsenen immer noch im Gefängnis, viele warten weiter auf eine
Anklage. UNICEF hat sich in den letzten zehn Jahren intensiv dafür
eingesetzt, dass in den Gefängnissen minderjährige Häftlinge
getrennt von Erwachsenen untergebracht werden. Bis Ende 2001 wurden alle
angeklagten Kinder, die zum Zeitpunkt ihrer Taten unter 14 Jahre alt waren,
zu ihren Angehörigen zurückgebracht. Kleinkinder, die mit ihren
Müttern im Gefängnis sassen, wurden bei Verwandten untergebracht.
Kinderrechte
sind Menschenrechte
Nach
Schätzungen von UNICEF leiden heute in Ruanda heute rund eine Million
Kinder unter besonders schwierigen Lebensbedingungen. Kinder in Kinderhaushalten,
Pflegekinder, Strassenkinder, Heimkinder, Kinder in Gefängnissen,
Kinder, deren Eltern an AIDS erkrankt sind und behinderte Kinder haben
meist keine Chance, eine Schule zu besuchen, sind oft unzureichend ernährt
und medizinisch versorgt. Häufig sind sie schutzlos wirtschaftlicher
und sexueller Ausbeutung ausgesetzt.
Quelle:
UNICEF Deutschland 2004
nach
oben
Weitere Informationen
|
 |
Links
|
 |
 |
 |
Externe
Links |
|