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Nepal: Von der Monarchie zur Republik
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Erdbeben in Nepal 2015
Nepal: Von der Monarchie zur Republik oder ...

... die Erwartungen sind stärker gestiegen als der Lebensstandard

Die Menschen am Fuss der Himalayakette lebten während Jahrhunderten unter dem Diktat von Herrschern. Immer wieder zogen Heere durch die Täler, welche im Auftrag eines Königs Landgebiete erobern wollten. Die Menschen haben sich Lebens- und Verhaltensweisen verinnerlicht, welche diesen Verhältnissen angepasst waren. Von 1996 bis 2006 tobte einer Bürgerkrieg im Land, welcher viel Leid über das Land brachte. 2006 einigten sich die Kriegsparteien mit einem Friedensvertrag.

Im Jahr 2006 wurde der letzte König Gyanendra abgesetzt. König Gyanendra erhielt die Macht, durch einen bis heute öffentlich nicht aufgeklärten Mordanschlag auf seinen Vorgänger Birendra. Die Monarchie wurde 2006 durch eine demokratische Republik ersetzt. Seit diesem Zeitpunkt ringen die politischen Kräfte im Land um eine Verfassung. Erst seit 2006 lernt das Volk den Umgang mit den demokratischen Spielregeln. Das Beispiel der Schweiz zeigt, dass das Zurückdrängen der alten Machtstrukturen, der vorherrschenden Korruption sowie der bisherigen Interessengruppen und der Aufbau einer demokratisch orientierten Zivilgesellschaft viele Jahrzehnte dauern kann. Nepal hatte bisher dafür lediglich ein Jahrzehnt Zeit. Für die meisten Menschen in Nepal hat der politische Systemwechsel bisher noch nicht die so sehnlichst erwarteten Vorteile gebracht.

Es ist daher nicht erstaunliche, dass in einem Katastrophenfall die organisatorischen Mängel wie langwierige bürokratische Prozesse, Verantwortlichkeitsmängel, Zuständigkeitsdefizite usw. im Land besonders deutlich zum Vorschein kommen. In Nepal liegt die Katastrophenhilfe im Aufgabenbereich der Armee und der Polizeikräfte. Katastropheneinsatzelemente wie etwa ein Zivilschutz oder eine dezentrale Feuerwehr fehlen in Nepal weitgehend.

Es gilt allerdings zu bedenken, dass ein Naturereignis wie das Erdbeben vom 25. April 2015 auch besser organisierte Staatswesen vor grosse, schwierig zu meisternde Herausforderungen gestellt hätte.

Ein geschichtlicher Überblick

Im Jahr 1768 hat der Gurkha-Herrscher Prithvi Narayan Shah Kathmandu erobert und damit den Grundstein für ein vereinigtes Königreich am Fuss des Himalayas gelegt.

1816 wurde das Königreich Nepal nach einem verlorenen Krieg zu einen quasi-britischen Protektorat. 1846 gelangte die Rana-Dynastie an die Macht, welche sie in Nepal bis ins 20. Jahrhundert hinein bewahren konnte.

1923 anerkannte das Vereinigte Königreich (Grossbritannien) formal die Unabhängigkeit des Staates Nepal. Das Land verblieb aber unter britischer Kontrolle.

1951 konnte sich die Rana-Dynastie nach einem einjährigen Krieg mit Rebellen aus Indien die Macht wiedererlangen. Die antiköniglichen Kräfte der «Nepal Congress Party» bildeten im Gegenzug die Regierung.

1959 wurde eine Verfassung in Kraft gesetzt, welche mehrere politische Parteien erlaubt.

1960 setzte der Rana-König Mahendra die Verfassung ausser Kraft und löst das Parlament auf.

1962 wurde eine Verfassung verabschiedet, welche dem König die alleinige Macht gab und die Parteien verbot. Das «Panchayat-Rätesystem» wurde installiert.

1990 erlaubte der Rana-König Birendra auf äusseren Druck hin die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung.

Ab 1995 begann, die «Nepal Communist Party (Maoist)» auf dem Lande zu agitieren. Ihre Wurzeln hatte die Bewegung in der Region um Gorkha. Der «People's war» (Volkskrieg) nahm seinen Anfang.

Am 7. November 2006 besiegelten die Regierung und «Nepal Communist Party (Maoist)» mit ihrer «People's Liberation Army» einen mit Hilfe der UNO Waffenstillstand.

Am 9. Januar 2007 tritt eine Interimsverfassung in Kraft. Ein paar Tage später nahm ein Interimsparlament seine Arbeit auf.

Am 28. Dezember 2007 schaffte das Interimsparlament die Monarchie ab. Der politischen Macht enthobene Rana-König Gyanendra verblieb unbehelligt im Land. Das war die Geburtsstunde der Demokratischen Republik Nepal.

Im April 2008 fanden unter Aufsicht der UNO die ersten Wahlen in die «Verfassungsgebende Versammlung» statt. Die Maoisten erzielten ein grossen Wahlerfolg.

Im May 2012 wurde die «Verfassungsgebende Versammlung» aufgelöst. Die «Verfassungsgebende Versammlung» übernimmt bis zur endgültigen Inkraftsetzung einer neuen Verfassung die Aufgaben eines Parlaments.

Am 19. November 2013 fanden die Wahlen zur «Verfassungsgebenden Versammlung» statt. Die Maoisten haben an politischer Stärke eingebüsst.

Am 8. Juni 2015 haben sich die wichtigsten politischen Parteien in Nepal über die Grundstrukturen einer künftigen, neuen Verfassung geeinigt und eine Vereinbarung unterzeichnet.

Nepal auf dem schwierigen Weg in die Zukunft

Die Völker Nepals wurden während Jahrhunderten von Monarchen befehligt. Eine Zivilgesellschaft existierte nicht. Die neu gewonnene, mit den Wahlen in die «Verfassungsgebende Versammlung» von 2008 bekräftigte Demokratie hat in der Folge Mühe sich zu installieren. Die politischen Parteien stritten um Macht, Einfluss und Geld und waren bisher nicht in der Lage, wichtige zukunftsweisende Entscheide zu fällen. Die sich abwechselnden Regierungen blieben schwach. Die Zivilgesellschaft begann sich zu regen. Sie konnte sich in der kurzen Zeit bis zur Erdbebenkatastrophe zu wenig festigen, um einen entscheidenden Einfluss auf die Politik ausüben zu können.

Wegen den schwachen Regierungen blieb die Entwicklungsarbeit der internationalen Gemeinschaft meist Stückwerk. Der Lebensstandard der meisten Bevölkerungsschichten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig angehoben.

Seit 1959 ist die offizielle Schweiz mit Entwicklungsprojekten in Nepal präsent. Bereits 1952 planten private Hilfswerke aus der Schweiz ihre ersten Projekte in Nepal.

In der Anfangsphase hat sich die Schweiz auf die Entwicklung der ländlichen Räume konzentriert. Die Schweiz hat den Bau von über 3'000 Hängebrücken begleitet und finanziert. Die besseren Transportwege verschafften man den Bauern einen besseren Marktzugang und damit eine Einkommensverbesserung. Integrative Entwicklungsprojekte wie jenes im Langtangtal oder in Jiri wurden sogar mit einem Flugfeld unterstützt. Beide Flugfelder können als Fehlinvestitionen betrachtet werden und als Lehrgeld abgebucht werden. Die Yakkäseproduktion im Langtang und die Schweinezucht in Jiri überlebten allerdings als kleinere Projekte.

Einen wichtigen Entwicklungsbeitrag lieferte die Schweiz mit der Erschliessungsstrasse von Lamosangu am Arniko Highway hinauf nach Charikot und weiter über den Hanumantepass nach Jiri. Die Strasse verlieh der Region einen Entwicklungsschub. Heute werden in der Region wichtige Kraftwerksanlagen ohne schweizerische Beteiligung gebaut. Mit Entwicklungsgeldern aus der Schweiz wurden landesweit viele Federstrassen gebaut.

Von Beginn seiner Aufbauarbeit in Nepal setzte de schweizerische Entwicklungshilfe Akzente bei der Ausbildung von Berufsleuten. Heuteunterstützt die Schweiz mit Personal und Geld ein Ausbildungszentrum für die handwerkliche Ausbildung von Berufsleuten in Kathmandu.

Ab den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts setzte die internationale Gemeinschaft verstärkt auf den Strassenbau. Viele Haupt- und Nebenstrassen wurden in oft unwegsamem Gelände über Pässe und in Nebentäler gebaut. Viele davon sind bis heute unterhaltsintensiv und äusserst anfällig auf Steinschlag sowie Wettereinflüsse. Dazu passt gut die Aussage einer japanischen Entwicklungshelferin, welche vor gut 15 Jahren meinte, dass sie entweder über zu viele Projektgelder oder dann über zu wenig Projekte verfügen würde. Heute bestimmen in vielen Tälern die Busverbindungen das Leben der Menschen. Viele früher benutzte Transportwege durch Wälder , über Pässe und entlang von Berghängen überwuchern heute. Sie werden heute fast nicht mehr von den Maultierkolonnen oder den Trägern benutzt. Die neue Wege führen talwärts hinunter oder bergwärts hinauf zur Strasse, wo irgendeinmal der Bus vorfährt, … oder auch nicht, weil die Strasse verschüttet wurde.

In der kurzen Phase der Demokratie seit 2008 konnte sich die politische Kultur und die Zivilgesellschaftnur wenig weiter entwickeln und festigen. Die alten «Seilschaften» sind immer noch aktiv. Das Ränkespiel und die Korruption blüht wie in den Zeiten der Monarchie. Die neuen demokratisch orientierten Kräfte konnten sich noch nicht durchsetzen.

Eine Naturkatastrophe ist eine grosse Herausforderung für den Staat und die Zivilgesellschaft

Vier Tage nach der Erdbebenkatastrophe vom 25. April 2015 kämpften die internationalen Hilfsteams vor dem Einsatz im Katastrophengebiet immer noch mit den Folgen der oft etwas unorganisierten Verwaltungsstruktur in Nepal. Vor Ort waren zu wenig Leute aus der Regierung und der Verwaltung mit Weitsicht und Entscheidungskompetenzen anwesend, welche die Hilfsteams mit genauen Aufträgen versorgen konnten.

Der Tribhuvan Airport in Kathmandu ist der einzige internationale Flughafen in Nepal. Sein Anflug wird vor allem in den Morgenstunden durch Nebel und durch Seitenwinde behindert. Der Flughafen ist das Nadelöhr für die Hilfsgüter, welche als Luftfracht angeliefert werden. Der Flughafen verfügt noch nicht über die modernsten Leitsysteme und über zu wenig Abstellplätze und Lagerflächen. Eingetroffene Hilfsteams aus Europa konnten daher ihr Material oft erst nach Stunden ausladen. Zahlreiche Hilfsteams warteten Tage, bis die mitgebrachten Medikamente und Trinkwasserversorgungsanlagen auf dem Landweg aus Indien herangeschafft wurden. Indien hat vier Strassenkorridore für den Transports der Hilfsgüter nach Nepal eingerichtet.

Die Wut der Bevölkerung über die fehlende Präsenz der Staatsmacht an Orten, wo dringend Hilfe benötigt würde, stieg von Tag zu Tag. Der Katastrophenschutz ist in Nepal nicht dezentral organisiert. Der Brandschutz ist der dörflichen Bevölkerung überlassen. Ein Katastrophenschutz ist kaum vorhanden. Die Katastrophenhilfe wurde der millitärisch organisierten Polizei, der « Armed Police Force», und der Armee, welche über schweres Bergungsgerät verfütg, übertragen. Bei grossen Katastrophen kann Nepal in der Regel auf die Hilfe von Indien und China rechnen. Beide Nationen haben grosse Erfahrung mit der Bewältigung von Naturkatastrophen. Indische und chinesische Rettungskräfte sind gut trainiert und effizient organisiert.

Unverständnis machte sich über die Tatsache breit, dass Helikopter zur Evakuierung von reichen Bergtouristen aus der Everest-Region zerstörte einheimische Dörfer überflogen haben. Dörfer, wo Verletzte seit Tagen auf Hilfe vergeblich auf Hilfe gewartet haben.

Während das Kathmandutal zuerst mit den notwendigsten Güter versorgt wurde, mussten die Menschen in den abgelegen Region tagelang auf Hilfe warten. Die Topografie von Nepal und das Wetter haben den Rettungskräften die Suche und die Arbeit zusätzlich stark erschwert. Zusätzlich ist zu bedenken, dass offenbar 8 Millionen Menschen in Nepal von den Auswirkungen des Erdbebens betroffen sind.

Erst am 29. April 2015 gelagte die erste Nothilfe nach Gorkha, der Region in welcher das Epizentrum liegt. Ein indisches Hilfsteam an Bord eines indischen Armeehelikopters ist in der Nähe von Gorkha gelandet, um Material für die Soforthilfe zu liefern.

Schwieriges Krisenmanagement

Das Krisenmanagement kann bei Naturkatastrophen nur unter äusserst prekären Begleitumständen organisiert und koordiniert werden.

Der Supertaifun Haiyan (lokal als Yolanda bekannt) traf am 8. November 2013 um 04:40 Lokalzeit auf die Ostküste der Philippinen. Dieses Naturereignis hat gezeigt, die teilweise chaotischen Verhältnisse im Katastrophengebiet eine genaue Erfassung der Schäden und der Opfer vorerst gar nicht zugelassen haben. Nach mehr als einem Monat wurden immer noch weitere tote Menschen unter den Trümmern geborgen (siehe: Taifun Haiyan Zwischenbilanz der betroffenen Personen). In den Philippinen konnten die Rettungsteams und mit ihnen die Soforthilfe auch auf dem Seeweg näher an das Katastrophengebiet herangeschafft werden. In Nepal ist dies nicht möglich.

Text: RAOnline
Risikomanagement bei Naturkatastrophen Taifun Haiyan Zwischenbilanz der betroffenen Personen
Nepal
Landschaft in der Nähe des Epizentrums (weitere Bilder)
Everest Everest

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