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Gletscher in der Schweiz
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Gletscher in der Schweiz
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Eisfeld
im Berner Oberland gibt einmalige archäologische Funde preis |
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Das
Schnidejoch verläuft zwischen dem Schnidehorn (2937 m ü.M.) und
dem Wildhorn (3248 m ü.M.) im Berner Oberland. Der Passübergang
führt vom Kanton Bern in den Kanton Wallis. |
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Prähistorische
Kleidungsstücke aus Leder und Bast, ein Köcher und Pfeile, bronzene
Gewandnadeln und römische Schuhnägel:
Prähistorische
Kleidungsstücke aus Leder und Bast, ein Köcher und Pfeile, bronzene
Gewandnadeln und römische Schuhnägel: Seit dem Hitzesommer 2003
gab ein namenloses Eisfeld zwischen dem grossen Hauptgletscher des Wildhorns
und dem Schnidejoch für die Schweiz einmalige, vor- und frühgeschichtliche
Funde ab dem dritten Jahrtausend vor Christus frei.
Die
zahlreichen Fundstücke liefern wertvolle Hinweise zur frühen
überquerung der Alpen.
Bilder
von der Fundstelle |
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In
den letzten Jahrzehnten haben sich die Gletscher im Berner Oberland zum
Teil deutlich zurückgezogen. Vor allem seit dem heissen Sommer des
Jahres 2003 sind kleinere Eismassen in den Alpen stark geschmolzen, darunter
auch ein namenloses Eisfeld zwischen dem grossen Hauptgletscher des Wildhorns
und dem Schnidejoch (2756 Meter über Meer). Im Herbst 2003 übergab
ein Ehepaar aus Thun dem Archäologischen Dienst ein Fundstück
aus Birkenrinde, das es auf einer Wanderung am Rande des Eises gefunden
hatte. Weil die Datierung des Köcherfragments mittels der Radiokarbonmethode
das erstaunliche Alter von fast 5000 Jahren ergab, suchte der Archäologische
Dienst das Gebiet in der Folge genauer ab.
Die zahlreichen in den beiden
letzten Jahren vom Eis freigegebenen Gegenstände stammen sowohl aus
prähistorischer als auch aus frühgeschichtlicher Zeit. Diese
"Eisfunde" sind einzigartig, weil sie ein neues Licht auf die kulturgeschichtliche
Entwicklung der Alpen werfen. Es zeigt sich, dass die Menschen den längst
vergessenen Passübergang am Schnidejoch vom Berner Oberland ins Wallis
in klimatisch günstigen Zeiten rege nutzten.
Jungsteinzeit
und Bronzezeit: Zahlreiche Kleider- und Ausrüstungsfunde |
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Im
dritten Jahrtausend vor Christus bis etwa 1750 vor Christus herrschte ein
eher mildes Klima. Vermutlich lagen die Sommertemperaturen damals 0,5 bis
maximal 2° C höher als heute. Aus dieser Epoche fanden die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Archäologischen Dienstes zahlreiche verstreute
überreste von Kleidern und Ausrüstungsgegenständen. Die
Funde belegen, dass sich die Gletscher zeitweise so weit zurückgezogen
hatten, dass die Menschen den Pass überqueren konnten.
Die
organischen Funde sind besonders wertvoll. Sie überdauerten die Jahrtausende,
weil sie nach ihrem Verlust offenbar sehr schnell durch Schnee und Eis
geschützt wurden. Möglicherweise stammen verschiedene, verstreut
gefundene Pfeilschäfte aus dem bereits erwähnten neolithischen
Köcher. Ein in die Frühbronzezeit datiertes, aus mehreren Teilen
zusammengenähtes Holzobjekt interpretieren die Experten als Behälter
(Spanschachtel). Er weist zusammen mit zahlreichen Bindungen auf einen
frühen, vorgeschichtlichen Warentransport über die Alpen hin.
Verschiedene Bastgeflechte stammen vermutlich von Kleidern. Besonders interessant
ist das Fragment eines Umhangs, wie ihn auch die Gletschermumie "ötzi"
trug.
Aufsehen
erregen die zahlreichen Lederfunde. Ihre Untersuchung erlaubt es, neue
Erkenntnisse über die vorgeschichtliche Gerbtechnik zu gewinnen. Mehrere
Fragmente stammen von prähistorischen Schuhen, die offenbar unterwegs
kaputt gingen oder verloren wurden. Die erhaltenen ösen und Lederriemchen
ermöglichen die Rekonstruktion eines steinzeitlichen Schuhs. Ein besonders
grosses Lederfragment (70 x 60 cm) stammt von einer Hose. In den Falten
des Hosenbeins fanden die Restauratoren Partikel, bei denen es sich um
menschliche Haut handeln könnte. Diese sollen jetzt mittels DNA-Analyse
genauer untersucht werden.
Schon
lange deuteten die frühbronzezeitlichen Gräber des Rhonetales
und der Thunerseeregion auf eine direkte Verbindung zwischen dem Wallis
und dem Oberland hin. Diese Vermutung wird nun durch den Fund einer mit
feinen Ritzlinien verzierten bronzenen Scheibenkopfnadel untermauert. ähnliche
Gewandnadeln wurden auch in Gräbern in Ayent gefunden, einem Dorf,
das am Südhang des Schnidejochs liegt.
Römische
Epoche: Wollgürtel und Metallfunde |
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Nach
850 vor Christus kam es zu einer erneuten Klimaverschlechterung und damit
zu einem Gletschervorstoss. Erst nach 150 vor Christus setzte wieder eine
längere Phase mit wärmerem Klima ein. Diese dauerte während
der römischen Epoche an (15 vor Christus bis 400 nach Christus). Aus
dieser Zeit stammt ein etwa fünf Zentimeter breites Fragment eines
Gürtels aus weisser Schafwolle. Der Gürtel gehörte wahrscheinlich
zu einer römischen Tunika. Die Qualität der Wolle entspricht
der heutigen Wolle der Merino-Schafe. Weiter fand der Archäologische
Dienst des Kantons Bern eine römische Fibel aus dem ausgehenden 1.
oder frühen 2. Jahrhundert nach Christus. Die zahlreichen römischen
Schuhnägel, die bei der Passüberquerung verloren wurden, stammen
aus dem Eis selbst und aus seiner weiteren Umgebung. Ob sie von römischen
Truppen oder von zivilen Säumern hinterlassen wurden, ist noch unklar.
Insgesamt sprechen die römischen Funde dafür, dass der Pass über
das Schnidejoch intensiv genutzt wurde. Zudem war er einer der kürzesten
Wege von Oberitalien ins schweizerische Mittelland.
Nach
dem Mittelalter: Schnee und Eis auf dem Vormarsch |
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Nach
einer kurzen Kaltphase folgte im Mittelalter wieder ein stabileres, milderes
Klima. Aus dieser Zeit stammt der ins 14. oder 15. Jahrhundert datierte
Teil eines mittelalterlichen Schuhs. Ab dem 16. Jahrhundert verschloss
der Gletschervorstoss der "Kleinen Eiszeit" den Passübergang am Schnidejoch
erneut. Die erste Landeskarte der Schweiz, die Siegfriedkarte, zeigt, dass
der Gletscher noch um 1850 weit über das Schnidejoch hinweg reichte.
Erst der Gletscherrückgang der letzten Jahre ermöglicht die eisfreie
Querung des Schnidejochs.
Quelle:
Kanton Bern, 11. November 2005 |
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Wildhorn:
Tungelgletscher (Kanton Bern) - 2008
Das
Schnidejoch verläuft zwischen dem Schnidehorn (2937 m ü. M.)
- linke Bildhhälfte - und dem Wildhorn (3248 m ü.M.). |
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