Das ist dringend notwendig, denn Grösse, Form, Schwerefeld und Rotation des Planeten sind nur unzureichend bekannt". Oberst und seine Mitarbeiter werden die Auswertung der Laser-Höhenmessungen unterstützen. Mit den gemessenen Höhenprofilen und Aufnahmen der noch nie abgebildeten Gebiete wird anschliessend das existierende Kartenwerk des Planeten erweitert und verbessert. Über die Oberflächenzusammensetzung des Merkurs herrscht noch immer grosse Unklarheit. "All unser Wissen über die Mineralogie der Merkuroberfläche beruht auf den mehr als 30 Jahre alten Daten der Mission Mariner 10 und bodengebundenen Beobachtungen.
Die beiden DLR-Wissenschaftler sind als einzige nicht-amerikanische Wissenschaftler an dieser NASA-Mission beteiligt. Wegen seiner Nähe zur Sonne ist der Merkur nur sehr schwierig von Raumsonden anzusteuern: Der im Durchmesser nicht einmal fünftausend Kilometer grosse Planet umrundet die Sonne in einer mittleren Entfernung von knapp 60 Millionen Kilometern. Deshalb muss bei Annäherungen an den Merkur sowohl die grosse Anziehungskraft des Zentralgestirns als auch die enorm hohe Strahlungsintensität berücksichtigt werden.
MESSENGER
ist eine Raumsonde des 1992 von der NASA aufgelegten "Discovery"-Programms,
das der Wissenschaft die Möglichkeit gibt, mit relativ preisgünstigen
und innovativen Missionen die Rätsel in unserem Sonnensystem zu lösen.
MESSENGER startete am 3. August 2004 und nähert sich seinem Ziel seither
auf einer komplizierten Flugbahn durch das innere Sonnensystem an. Die
Sonde wurde an der Johns-Hopkins-Universität gebaut, die auch die
Mission durchführt.
Von der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Weltraumagentur JAXA wird derzeit die Mission BepiColombo zum Merkur vorbereitet. Benannt ist diese Mission nach dem italienischen Mathematiker Giuseppe Colombo, der in den 1970er-Jahren die Flugbahn für die NASA-Sonde Mariner 10 mit berechnet hatte. BepiColombo wird auf den Ergebnissen von MESSENGER aufbauen. Das DLR-Institut für Planetenforschung entwickelt für diese Mission in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau das Laser-Höhenmessgerät BELA (BepiColombo Laser Altimeter). Das Laser-Höhenmessgerät LMA auf der MESSENGER-Sonde wird hier wertvolle Grundlagen für BepiColombo liefern. "Von besonderem Interesse ist es, Erfahrungswerte für die Reflexionseigenschaften der Merkur-Oberfläche, insbesondere bei der Wellenlänge des Lasers zu erlangen, die in die Konzeption und Entwicklung von BELA einfliessen könnten", erklärt Prof. Oberst. "Modelle und Karten der Oberfläche von Merkur, wie sie von MESSENGER erwartet werden, stellen eine wichtige Grundlage für die Planung des Betriebs von BELA und anderen Bordinstrumenten von BepiColombo dar." Auch
Dr. Helbert wird sowohl an der NASA-Mission MESSENGER als auch an der ESA-Mission
BepiColombo beteiligt sein. Helbert betreut bei der ESA-Mission das Infrarot-Spektrometer
MERTIS (Mercury Thermal Infrared Spectrometer), das Daten in einem Spektralbereich
aufnehmen kann, der von keinem der MESSENGER-Instrumente abgedeckt ist.
"Neben unserer Unterstützung für die amerikanischen Kollegen,
werden wir durch unsere Beteiligung wichtige Erfahrungen sammeln, die uns
bei der Vorbereitung der Mission BepiColombo helfen", erklärt Helbert.
Über den Merkur wissen die Planetenforscher bislang nur wenig Der Planet ist von der Erde wegen seiner Sonnennähe mit Teleskopen und Radarantennen nur sehr schwer zu beobachten. Auch die Raumfahrt machte - abgesehen von den drei Vorbeiflügen mit Mariner 10 in den Jahren 1974 und 1975 - gewissermassen "einen grossen Bogen" um den planetaren Aussenseiter: Auf den ersten Blick ähnelt der Merkur unserem Erdmond: Seine Oberfläche ist von unzähligen Einschlagkratern übersät, was darauf schliessen lässt, dass der Planet seit Milliarden von Jahren von keinerlei aus dem Inneren des Körpers angetriebenen geologischen Prozessen verändert wird. Die Hinweise auf einstigen Vulkanismus auf der Oberfläche sind vage. Wie der Mond ist auch Merkur ausserstande eine Atmosphäre an sich zu binden - dennoch offenbarte das Spektrometer an Bord von Mariner 10 eine hauchdünne Gashülle aus Wasserstoff, Helium und Sauerstoff mit Spuren von Natrium und Kalium. Die gesamte Masse dieser flüchtigen Elemente beträgt jedoch nur ungefähr tausend Kilogramm. Der Ursprung der Teilchen ist unbekannt und soll mit MESSENGER geklärt werden; wahrscheinlich stammt ein grosser Teil davon direkt von der Sonne und nur wenig von Ausgasungen aus dem Inneren des Planeten selber. Wegen der Sonnennähe einerseits und des Fehlens einer nennenswerten, ausgleichenden Gashülle andererseits, sind die Temperaturunterschiede auf dem Merkur extrem: auf der sonnenzugewandten Seite herrscht eine Hitze von bis zu 430 Grad Celsius - nur auf der Venus ist es noch heisser. In der Merkurnacht sinken die Temperaturen bis auf minus 170 Grad Celsius ab. Dennoch könnte es sein, dass in einigen tiefen, nie von der Sonne beschienenen und deshalb permanent kalten Kratern an den Polen des Planeten Eis vorhanden ist. Hinweise darauf lieferten Radarbeobachtungen von der Erde. Das grösste Rätsel verbirgt der Merkur in seinem Inneren: Unter der dünnen Gesteinskruste folgt ein vergleichsweise dünner Mantel aus silikatischem Gestein. Im Zentrum des Planeten befindet sich jedoch ein aussergewöhnlich grosser Kern aus Eisen, der auch die Ursache für ein relativ starkes Magnetfeld ist. Rätselhaft ist, warum dieser Kern weit mehr als die Hälfte des Volumens des Planeten ausmacht. Eines der Hauptziele der MESSENGER-Mission ist die Klärung dieser Frage. Die Planetenforscher versprechen sich davon auch fundamentale Erkenntnisse über die Entstehung und frühe Entwicklung der fünf erdähnlichen Körper im inneren Sonnensystem insgesamt.
Neun Sekunden sind nicht viel. Wer zu einer Verabredung etwa neun Sekunden zu spät kommt, ist sozusagen pünktlich. Geht es aber um die Rotation eines Planeten um die eigene Achse, sind neun Sekunden nicht unerheblich. Auf dem Merkur bedeutet dies: Einen Punkt auf seinem Äquator würde man nach vier Jahren nicht wieder dort finden, wo man ihn vermutet, sondern um 700 Meter verschoben. Durch präzise Höhenmessungen des Laser-Altimeters MLA an Bord der NASA-Raumsonde MESSENGER und Vergleich der Laserdaten mit Geländemodellen, die aus den Kameradaten der Raumsonde gewonnen wurden, haben Wissenschaftler unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) festgestellt, dass sich der Merkur im Durchschnitt etwa neun Sekunden schneller um die eigene Achse dreht als erwartet. "Vor der MESSENGER-Mission hatten wir nur unzureichende Informationen über Merkur von den drei Vorbeiflügen der Mariner-10-Sonde und Messungen von der Erde aus", erläutert Alexander Stark vom DLR-Institut für Planetenforschung. Durch die genaue Vermessung der Rotation können Rückschlüsse über den inneren Aufbau und damit über die Entwicklung des Merkurs gezogen werden. So wurde die Stärke der regelmässigen Schwankung der Rotationsgeschwindigkeit um den durchschnittlichen Wert ebenfalls vermessen und "die Messungen bestätigen, dass Merkur einen grossen teilweise geschmolzenen Kern besitzt, der mehr als die Hälfte des Volumens und über 70 Prozent der Masse des Planeten ausmacht" sagt Prof. Jürgen Oberst ebenfalls vom DLR-Institut für Planetenforschung. Erstmals Messungen aus einem Orbit Die Mission MESSENGER (MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging) erreichte am 18. März 2011 ihr Ziel und umkreiste - bis zum Missionsende am 30. April 2015 - 3308 Mal den Merkur. "Mit MEssENGER waren wir direkt vor Ort", sagt DLR-Planetenforscher Alexander Stark, der die Rotationsbewegung des Merkur gemeinsam mit Frank Preusker und Prof. Jürgen Oberst vom DLR sowie einem Team amerikanischer Partner untersuchte. Das Ergebnis wurde nun in den "Geophysical Research Letters" der American Geophysical Union (AGU) veröffentlicht. Merkur nimmt unter den Planeten eine Sonderstellung ein: Als erster Planet umkreist er die Sonne in einer Entfernung von nur etwa 60 Millionen Kilometern. Aufgrund seiner Nähe zum Zentralgestirn ist er starken Gezeitenkräften ausgesetzt. Seine etwa 59-tägige Rotation ist gekoppelt an die 88 Tage dauernde Umlaufzeit um die Sonne. Er rotiert somit exakt dreimal um seine Achse, in der gleichen Zeit, in der er zweimal um die Sonne kreist - das Verhältnis zwischen einem Umlauf um die Sonne und der Rotationdauer um die eigene Achse beträgt also 3:2, was es so im Sonnensystem kein zweites Mal gibt. Planet mit Torkel-Bewegung "Eine mögliche Erklärung für die schnellere Rotation Merkurs ist, dass Jupiter die Bahn von Merkur stört", sagt DLR-Wissenschaftler Alexander Stark. "Dadurch ändert sich der Abstand der Sonne und als Folge auch die Rotationsgeschwindigkeit des Merkur." Diese kleine Änderung war mit den bisherigen Messverfahren nicht messbar. Aus der periodischen Torkel-Bewegung Merkurs auf seiner Bahn kann man zudem - wie bei einem rohen und einem gekochten Ei, das man auf einer Tischplatte kreiseln lässt - auf die innere Beschaffenheit des Körpers, insbesondere auf die Anteile von festen und flüssigen Stoffen, schliessen. Bei Merkur lässt sich so sogar unter Zuhilfenahme des Gravitationsfeldes die Grösse und Dichte des Kerns bestimmen. Wissen für die nächste Merkur-Mission "Mit der Vermessung der Rotationsgeschwindigkeit und den dadurch möglichen Rückschlüssen auf das Innere von Merkur haben wir eines der grossen Missionsziele von MESSENGER erreicht", sagt DLR-Planetenforscher Alexander Stark. Ein korrektes Rotationsmodell für den Planeten ist Grundlage für die Erstellung von präzisen Karten, die auch für die Planung zukünftiger Missionen zum Merkur wichtig sind. Die Raumsonde Bepi Colombo der europäischen Weltraumorganisation ESA, die 2017 zum Merkur starten soll, wird die Oberfläche und den inneren Aufbau des sonnennächsten Planeten weiter erforschen. Auch das DLR wird dann wieder beim Flug zum Merkur dabei sein: Zu den elf wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Sonde gehören auch das Laser-Altimeter BELA sowie das Spektrometer MERTIS, beides Instrumente, die das DLR mit Partnern beisteuert.
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