Biotreibstoffe
- Biogene Treibstoffe - Agrotreibstoffe
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Agrartreibstoffe
und die Hungerkrise
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Swissaid:
Fakten zu Agrotreibstoffen |
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In
der Schweiz erreichen Agrotreibstoffe derzeit einen Anteil von 0.2 Prozent
am gesamten Treibstoffverbrauch. Im Moment tanken rund 4000 Autos und
300 Lastwagen Agrotreibstoffe. 1.5 Prozent des globalen Treibstoffverbrauchs
werden durch Agrotreibstoffe gedeckt.
Weniger
als die Hälfte der globalen Getreideernte wird direkt als Lebensmittel
verwendet. Rund 700 Millionen Tonnen wurden 2007 als Viehfutter verbraucht,
und ca. 100 Millionen Tonnen sind in die Produktion von Agrotreibstoffen
geflossen.
Die
Europäische Union ist weltweit der wichtigste Produzent und Konsument
von Agrodiesel. Derzeit werden 2 Prozent des Treibstoffverbrauchs in
der EU durch Diesel aus Ölpflanzen, wie Raps, Soja und Palmfrüchten ersetzt.
Bis
2020 strebt die EU eine Beimischungsquote von 10 Prozent an. Nach Schätzung
des Joint Research Centre würde diese Beimischungsmenge 19 Prozent
der weltweiten Pflanzenölproduktion benötigen.
2006
hat die Europäische Union 3.7 Milliarden Euro für die Förderung
von Agrotreibstoffen ausgegeben.
In
den USA wird ca. ein Drittel der Maisernte für die Produktion von
Äthanol verwendet. Pro Gallone wird das US-amerikanische Äthanol mit
0.51 Dollar direkt subventioniert. Hinzu kommt eine indirekte Subventionierung
durch Zollschutz von 0.54 Dollar pro Gallone. Weltweit werden derzeit rund
2 Prozent der bebauten Agrarfläche für die Produktion von Energiepflanzen
genutzt.
Die
Welt erlebt gegenwärtig eine neue Ära des Hungers.
Die
Preisexplosion bei Nahrungsmitteln hat ein dramatisches Ausmass erreicht,
laut Weltbank sind bereits 100 Millionen Menschen zusätzlich von Hunger
bedroht. Familien, die bis zu drei Viertel ihres Einkommens für Lebensmittel
aufbringen müssen, können sich die hohen Preise schlicht nicht
leisten.
In Indonesien wird eine Verteuerung des Reises um nur zehn Prozent
weitere zwei Millionen Menschen in Armut stürzen. Mitverantwortlich
dafür ist auch die politisch gelenkte, boomende Nachfrage nach Agrotreibstoffen,
die die Nahrungsmittelproduktion konkurrenziert. Agrotreibstoffe aus nachwachsenden
Rohstoffen wie Zucker, Mais, Soja, Palmöl, Weizen oder Jatropha werden
als umweltfreundliche Antwort auf die bedrohlichen Folgen des Klimawandelsund die hohen Erdölpreise propagiert.
Die
Industrieländer, allen voran die EU und die USA, versprechen sich
mehr Unabhängigkeit vom Erdöl und einen sinkenden CO2-Ausstoss
im Verkehr. Durch politische Massnahmen wie obligatorische Beimischungsquoten,
Subventionen und Steuerbefreiungen schaffen sie eine stetig wachsende Nachfrage
nach Agrotreibstoffen. Als Lieferanten für billige Rohstoffe sind
vor allem die Länder des Südens vorgesehen.
Die
Kritik an den Agrotreibstoffen wiegt schwer:
Berichte über gewaltsame
Vertreibungen indigener Gemeinschaften, über die Zerstörung des
Regenwaldes, über sklavenähnliche Arbeitsbedingungen und die
Vergiftung von Wasser und Boden durch Pestizide sind im Zusammenhang mit
der Produktion von Agrotreibstoffen zu vernehmen.
Mehrere Studien kommen
zu dem Schluss, dass Treibstoffe auf der Basis von Kulturpflanzen kaum
eine Klima schützende Wirkung haben und eine schlechte Energieeffizienz
aufweisen.
Hinter der Illusion eines umweltfreundlichen Treibstoffs stehen
auch weniger Umweltschützer als die Automobil-, Erdöl- und Agrarindustrie,
wie sich an den massiven Investitionen und den Allianzen dieser Industriezweige
ablesen lässt. Denn Agrotreibstoffe scheinen ein "business as usual"
zu ermöglichen und eröffnen vielversprechende, neue Märkte.
Zivilgesellschaftliche Organisationen aus aller Welt stellen Moratoriumsforderungen
für die industrielle Produktion und den internationalen Handel mit
Agrotreibstoffen. Sie wehren sich dagegen, dass die armen Länder die
Kosten für die bisher vor allem durch die Industrieländer verursachten
Klimaprobleme tragen sollen.
Aus
entwicklungspolitischer Perspektive gibt vor allem die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
Anlass zu grosser Sorge. Angesichts von 860 Millionen hungernder Menschen
und den aktuellen, dramatischen Prognosen über ein "neues Zeitalter
des Hungers" (1) stellt sich die Frage, ob kostbares Ackerland für
die Produktion von Treibstoff genutzt werden darf.
Für eine 95 Liter
Tankfüllung eines Autos mit reinem Äthanol sind ca. 200kg Mais nötig
- genug, um eine Person ein Jahr lang zu ernähren (2). Dieser simple
Vergleich wirft nicht nur ethische Zweifel auf. Er zeigt, dass Agrotreibstoffe
das Recht auf Nahrung gefährden.
Angesichts
der bisherigen Erfahrungen weltweit sowie den Berichten unserer Partnerorganisationen
aus Kolumbien, Indien und Tansania lehnt SWISSAID die industrielle Produktion
von Agrotreibstoffen für einen internationalen Markt ab. Sie verschärft
viele der bereits bestehenden Probleme kleinbäuerlicher und indigener
Gemeinschaften wie Konflikte um Land und Wasser oder den Verlust der biologischen
Vielfalt. Der durch den Agrotreibstoffboom verursachte Anstieg der Lebensmittelpreise
führt dazu, dass sich die arme Bevölkerung eine ausreichende
Ernährung immer weniger leisten kann.
Für
SWISSAID ist damit klar:
Agrotreibstoffe verschärfen den Hunger. Energiepflanzen,
für deren Produktion Erdöl verbraucht und Ökosysteme zerstört
werden, bieten keine nachhaltige energiepolitische Lösung für
die Klimaerwärmung. SWISSAID setzt demgegenüber auf die Förderung
einer ökologischen Landwirtschaft für lokale Märkte, die
aufgrund geringer (Armut).
Transportwege
und biologischer Produktionsmethoden nur wenig fossile Ressourcen verbraucht.
Energiepolitisch fordert SWISSAID eine radikale Trendwende, die auf eine
deutliche Senkung des Energieverbrauchs einerseits und die Förderung
nachhaltiger, erneuerbarer Energien andererseits setzt.
Informationsquellen:
1
Welternährungsprogramm zit. nach Katarina Wahlberg: "Vor einer globalen
Nahrungsmittelkrise? Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung:
Nr. 03-04/2008
2
C. Ford Runge/Benjamin Senauer: How Biofuels Could Starve the Poor. "Foreign
Affairs" 24. April 2007.
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Quelle:
Text Swissaid, Mai 2008 |
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