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Swissaid Agrotreibstoffe verschärfen den Hunger
Swissaid Tu das Brot in den Tank
Swissaid Agrotreibstoffe in Afrika
Swissaid Studie zeigt: Jatropha ist ein Irrweg
Swissaid 'Biotreibstoffe sind nicht 'bio'
Swissaid Fakten zu Agrotreibstoffen
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Agrartreibstoffe und die Hungerkrise
Swissaid: Agrotreibstoffe verschärfen den Hunger

Agrotreibstoffe werden als Wundermittel im Kampf gegen Klimaerwärmung und Erdölverknappung gepriesen. Ein Irrweg, findet SWISSAID, aus entwicklungspolitischer wie aus ökologischer Sicht. "In Kolumbien werden Bauernfamilien von ihrem Land vertrieben, damit Palmölplantagen angelegt werden können", erklärte Geschäftsleiterin Caroline Morel von SWISSIAD. SWISSIAD lanciert 2009 zum Thema Agrotreibstoffe eine Kampagne.

"Um einen Autotank mit 95 Litern Äthanol zu füllen, sind 200 Kilogramm Mais nötig. Dies ist genug, um einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren". Mit diesem Vergleich begründete SWISSAID ihren Widerstand gegen Agrotreibstoffe. Es dürfe nicht sein, dass Ackerland im Süden, wo hunderte Millionen Menschen hungerten, zugunsten der Mobilität im Norden verschwendet werde.
Um einen Liter Meerwasser zu entsalzen, benötigt man ungefähr 3 Liter Biodiesel. Für die Herstellung von einem Liter Biodiesel werden über 9'000 Liter Wasser eingesetzt.
Aussage von Nestlé-Chef Brabek am WEF 2012 in Davos

Der Boom der aus Mais, Palmöl, Soja oder Zuckerrohr gewonnenen Treibstoffe heize zudem in Kolumbien oder Tansania, wo sich SWISSAID seit Jahrzehnten für nachhaltige Entwicklung einsetzt, die Konflikte um Land und Wasser weiter an.

"Auch aus energie- und klimapolitsicher Sicht sind Agrotreibstoffe unsinnig", meinte SWISSAID-Präsident und Nationalrat Rudolf Rechsteiner. Die meisten Energiepflanzen seien nicht umweltfreundlicher als fossile Treibstoffe. Sie werden aber in den USA und in der EU mit Subventionen bzw. Beimischungsquoten, in der Schweiz mit Steuerbefreiungen staatlich gefördert.

Der falsche Weg, findet Rechsteiner, der im Oktober 2008 im Eidgenössischen Parlament eine parlamentarische Initiative für ein fünfjähriges Moratorium für den Import von Agrotreibstoffen lanciert hat: "Man muss in erneuerbare Energien investieren, Agrotreibstoffe schaffen nur neue Probleme", sagte Rechsteiner. Es sei deshalb das beste, auf sie zu verzichten. Der indische Agronom Devinder Sharma lieferte ein eindrückliches Beispiel. Elf Millionen Hektaren Land sollen in Indien mit der Jatropha-Nuss zur Produktion von Agrodiesel bepflanzt werden - eine Fläche, fast dreimal so gross wie die Schweiz. "Und dies in einem Land, in dem trotz immensem Wirtschaftswachstum der Hunger noch längst nicht besiegt ist". Die Konflikte um Acker- und Weideland würden sich verstärken, prophezeite Sharma, Millionen Menschen würden zur Migration in die Städte gezwungen. Die Folgen des Agrotreibstoff-Booms für Indien bezeichnete er deshalb schlicht als "grauenhaft".

Quelle: Text Swissaid, Februar 2009

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Swissaid: Tu das Brot in den Tank
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Die Welt erlebt gegenwärtig eine neue ära des Hungers. Die Preisexplosion bei Nahrungsmitteln hat ein dramatisches Ausmass erreicht, laut Weltbank sind bereits 100 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut getrieben worden. Familien, die drei Viertel ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden, können sich höhere Preise schlicht nicht leisten. Und so leben heute schon zwei Milliarden Menschen in einem täglichen Kampf ums Überleben.

Für die Explosion der Preise gibt es mehrere Gründe: Schlechte Ernten und Klimawandel, hohe Energiepreise, Spekulationen auf den Rohstoffmärkten, der wachsende Fleischkonsum, verfehlte Landwirtschafts- und Handelspolitik sowie die politisch gelenkte, boomende Nachfrage nach Agrotreibstoffen sind wohl die wichtigen. SWISSAID engagiert sich seit sechs Jahrzehnten für die nachhaltige Bekämpfung von Armut und Hunger. Hunger ist kein Schicksal und kann wirkungsvoll reduziert werden. Dazu braucht es "nur" den entsprechenden politischen Willen. Heute möchten wir auf die Bedrohung durch Agrotreibstoffe zu sprechen kommen. Diese verschärfen auf dramatische Art und Weise die Not armer Bevölkerungsgruppen, denn die Produktion von Treibstoffen konkurrenziert direkt mit der Nahrungsmittelproduktion.

Agrotreibstoffe aus Rohstoffen wie Zucker, Mais, Soja, Palmöl, Weizen oder Jatropha werden als umweltfreundliche Antwort auf die bedrohlichen Folgen des Klimawandels und auf die hohen Erdölpreise propagiert. Die Industrieländer, allen voran die EU und die USA, versprechen sich mehr Unabhängigkeit vom Erdöl und einen sinkenden CO2-Ausstoss im Verkehr. Durch politische Massnahmen wie obligatorische Beimischungsquoten, Subventionen und Steuerbefreiungen schaffen sie eine stetig wachsende Nachfrage nach Agrotreibstoffen. Als Lieferanten für billige Rohstoffe sind vor allem die Länder des Südens vorgesehen.

Doch die Kritik an den Agrotreibstoffen wiegt schwer: Berichte über gewaltsame Vertreibungen indigener Gemeinschaften sind zu vernehmen, über die Zerstörung des Regenwaldes, über sklavenähnliche Arbeitsbedingungen und die Vergiftung von Wasser und Boden durch Pestizide. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass Treibstoffe auf der Basis von Kulturpflanzen kaum eine Klima schützende Wirkung haben und eine schlechte Energieeffizienz aufweisen. Hinter der Illusion eines umweltfreundlichen Treibstoffs stehen denn auch weniger Umweltschützer als vielmehr die Automobil-, Erdöl- und Agrarindustrie.

Aus entwicklungspolitischer Perspektive gibt vor allem die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu grosser Sorge Anlass. Angesichts von 860 Millionen hungernder Menschen und den aktuellen, dramatischen Prognosen über ein "neues Zeitalter des Hungers" stellt sich die Frage, ob kostbares Ackerland für die Produktion von Treibstoff genutzt werden darf. Für eine 95-Liter-Tankfüllung eines Autos mit reinem Äthanol sind ca. 200 Kilogramm Mais nötig - genug, um eine Person ein Jahr lang zu ernähren. Dieser simple Vergleich wirft nicht nur ethische Zweifel auf. Er zeigt, dass Agrotreibstoffe das Recht auf Nahrung gefährden.

Angesichts der bisherigen weltweiten Erfahrungen und der Berichte unserer Partnerorganisationen aus Kolumbien, Indien und Tansania lehnt SWISSAID die industrielle Produktion von Agrotreibstoffen für den internationalen Markt ab. Sie verschärft viele der bereits bestehenden Probleme kleinbäuerlicher und indigener Gemeinschaften - etwa Konflikte um Land und Wasser - sowie den Verlust der biologischen Vielfalt. Der durch den Agrotreibstoffboom mit verursachte Anstieg der Lebensmittelpreise führt dazu, dass sich die arme Bevölkerung eine ausreichende Ernährung immer weniger leisten kann. Für SWISSAID ist damit klar: Agrotreibstoffe verschärfen den Hunger.

Schlussfolgerung von SWISSAID: Agrotreibstoffe sind ein Irrweg

Die industrielle Produktion von Energiepflanzen verursacht Hunger. Sie trägt weder zur Erreichung wichtiger klimapolitischer Ziele bei, noch schafft sie Einkommensmöglichk Landwirtschaft, die der Umwelt schadet, die biologische Vielfalt reduziert und Kleinbauern und -bäuerinnen verdrängt.

Agrotreibstoffe, die fossilen Treibstoffen beigemischt werden, führen nicht zu mehr Unabhängigkeit vom Erdöl. Sie ermöglichen lediglich die befristete Verlängerung des aktuellen, auf fossilen Rohstoffen basierenden Energiemodells.

Nicht Monokulturen und gentechnisch veränderte Energiepflanzen, sondern ökologische Landwirtschaft mit Mischanbau, Artenvielfalt und angepasste Pflanzensorten bergen das grösste Potenzial für die Armuts- und Hungerbekämpfung. In diese Richtung weist auch der jüngst publizierte Bericht des Weltlandwirtschaftsrates (IAASTD). Biolandwirtschaft für lokale und regionale Märkte trägt darüber hinaus zur Reduktion von Treibhausgasen bei.

SWISSAID fordert eine klare politische Trendwende und ...

... lehnt den Import industriell produzierter Agrotreibstoffe aus Entwicklungs- und Schwellenländern ab.

... lehnt jegliche direkte oder indirekte Subventionierung sowie alle politischen Massnahmen ab, die zu einer Nachfragesteigerung von Agrotreibstoffen führen.

... steht der geplanten Zertifizierung 'nachhaltig produzierter' Agrotreibstoffe sehr kritisch gegenüber.

... fordert die staatlichen Akteure der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auf, keine Investitionen in Agrotreibstoffprojekte zu tätigen, welche die Lebenssituation lokaler Gemeinschaften und insbesondere der Frauen verschlechtern könnten.

Von der Schweiz fordert SWISSAID ...

... angesichts der aktuellen Verschärfung der Hungerkrise von der indirekten Subventionierung importierter Agrotreibstoffe durch die Steuerbefreiung im Mineralölsteuergesetz wieder Abstand zu nehmen, um das Recht auf Nahrung nicht zu verletzen. Die Verordnung zur Mineralölsteuerbefreiung muss diesbezüglich nachgebessert werden.

... sich für ein internationales Moratorium für die industrielle Produktion von Agrotreibstoffen einzusetzen, wie es Jean Ziegler, ehemaliger Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, auf UN-Ebene gefordert hat.

... wirklich nachhaltige Ansätze zur Bekämpfung der Klimaerwärmung zu finden. Dazu gehört die konsequente Förderung der biologischen Landwirtschaft, die mit minimalem Einsatz fossiler Rohstoffe gesunde Produkte für lokale und regionale Märkte produziert.

... energiepolitische Massnahmen zu entwickeln, die zu einer tatsächlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen innerhalb der Schweiz beitragen. Die Emissionen von Treibhausgasen müssen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 30 Prozent bis 2020 und um 90 Prozent bis 2050 reduziert werden. Dazu muss der Schwerpunkt auf die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien gelegt werden.

... die Prinzipien der Ernährungssouveränität sowohl in der Schweizer Landwirtschaftspolitik wie auch in der Handels- und Entwicklungspolitik umzusetzen. Die Schweiz sollte diesbezüglich den Empfehlungen des Weltlandwirtschaftsberichtes IAASTD folgen.

Caroline Morel ist Ethnologin mit einem Nachdiplomsabschluss in Entwicklungszusammenarbeit (NADEL ETH Zürich). Seit September 2002 ist sie Geschäftsleiterin von SWISSAID, der Schweizerischen Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit. Als parteipolitisch und konfessionell unabhängige Stiftung unterstützt SWISSAID zahlreiche benachteiligte Menschen in neun verschiedenen Ländern des Südens. In der Schweiz engagiert sich die Nichtregierungsorganisation u.a. zum Schwerpunktthema Ernährungssouveränität. Morel ist Vorstandsmitglied von Alliance Sud, Stiftungsratsmitglied von Max Havelaar und Mitglied der beratenden Kommission für internationale Zusammenarbeit.

Quelle: Text Swissaid, Mai 2008, Caroline Morel, SWISSAID-Geschäftsleiterin
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