Situation Gletschersee 2009 Auch im Jahr 2009 hielt der Gletschersee auf dem Unteren Grindelwaldgletscher wieder einige Überraschungen bereit: Der See stieg im Frühling sehr rasch auf ein neues Rekordvolumen von 2.5 Mio. m3 an. Dies war dadurch bedingt, dass der Abfluss unter dem Gletscher verstopft war, und so sämtliches Schmelz-und Regenwasser ins Seebecken aufstieg. Erstmals befand sich fast den ganzen Sommer über Wasser im See. In den vorhergehenden Jahren füllte sich der See jeweils nur vorübergehend während einigen Tagen oder wenigen Wochen.
In der zweiten Maihälfte begann ein Teil der Stiereggmoräne zu rutschen. Am 22. Mai 2009 stürzten einige 100'000 m3 Material in den fast randvollen See. Glücklicherweise brandete die daraus entstehende Welle hauptsächlich taleinwärts, so dass der Damm nicht überströmt wurde und eine Überschwemmung im Tal ausblieb. Anfang September 2009 führte ein Kälteeinbruch zu einem markanten Rückgang des Schmelzwasserzuflusses in den See. Das verbleibende Wasser versickerte anschliessend durch Spalten und Risse im Eis, so dass sich der See doch vollständig leerte. Ein erneuter Temperaturanstieg anfangs Oktober 2009 füllte den See teilweise. Der See leerte sich jedoch nach wenigen Tagen dank eines erneuten Kälteeinbruchs wieder. Funktion und Bau des Stollens Der Stollen hat zwei wichtige Funktionen: Er bildet einen künstlichen Abfluss aus dem Gletschersee: Reduktion des maximalen Seevolumens durch künstlichen Überlauf und damit Minimierung des Gefahrenpotentials. Er dient als Zufahrt für schwere Baumaschinen: Die starken Geländebewegungen auf dem Gletscher werden durch die anhaltende Eisschmelze weitergehen. Dadurch können Rutschungen die natürlichen Abflusswege im Gletscher verstopfen und hohe Seeanstiege ermöglichen. Mit dem Stollen wird ein Zugang zum See geschaffen, welcher es erlaubt, verfüllte Abflusswege und nötigenfalls auch den Stolleneinlauf wieder freizulegen. Mit dem Bau des Abflussstollens wurde Mitte Januar 2009 begonnen. Bereits am 1. Mai 2009 konnte nach rund 640 Meter Stollenvortrieb das Fenster 1 in die Gletscherschlucht durchgeschlagen werden. Am 24. Juni 2009 erfolgte der Durchschlag von Fenster 2 bei Stollenmeter 1330. Die Mineure leisteten während der ganzen Bauphase eine überdurchschnittlich gute Leistung. Mehrmals wurden Wochenleistungen von über 100 Meter Vortrieb erbracht. Dadurch konnte der Felsvortrieb bereits Anfang September statt wie geplant Ende Oktober abgeschlossen werden. Um die letzten Meter des Stollens zwischen Felswand und Seebecken zu bauen, wurde das Lockermaterial von aussen mit Baggern und Pneuladern abgetragen. Als Zugang für die Baumaschinen wurde dafür ein kurzer, steiler Umgehungsstollen gebaut, welcher oberhalb des Lockermaterials ins Seebecken mündete. Der Stollen besteht aus zwei Elementen: Einlauf im Seebecken bis Fenster 2:In diesem Abschnitt wird das Wasser abgeführt und bei Stollen 2 über einen etwa 110 Meter hohen Wasserfall in die Schlucht geleitet. Dieser Abschnitt hat eine reine Erschliessungsfunktion und zwar für den Bau des oberen Stollenteils und um später mit schweren Baumaschinen zum See hochzufahren. nach obenKünftige Entwicklung Die Schmelze des Unteren Grindelwaldgletschers wird voraussichtlich in gleicher Art weitergehen oder sich sogar noch etwas beschleunigen. Das Seebecken wird dabei von Jahr zu Jahr grösser. Damit würde auch das Gefahrenpotential von Hochwassern durch Seeausbrüche massiv zunehmen. Detailprognosen zur weiteren Entwicklung, welche über mehrere Jahre hinausgehen, sind sehr schwierig bis fast unmöglich. Die Bildung des Abflusstrichters beim Damm hat in der zweiten Sommerhälfte 2009 dazu geführt, dass der See nicht mehr sehr hoch angestiegen ist. Die Bildung dieses Abflusstrichters war im vergangenen Jahr und selbst noch bis Ende Mai 2009 nicht vorhersehbar. Trotzdem wird der Stollen durch diesen Abflusstrichter nicht überflüssig.
Zum Verhindern von gefährlichen Seeausbrüchen ist der Stollen aus folgenden Gründen unerlässlich: Der Abflusstrichter liegt im direkten Ablagerungsbereich der Schlosslawine sowie der Eisabbrüche vom Challifirn. Es ist davon auszugehen, dass der Trichter im Frühling bei der Schneeschmelze noch stark mit Schnee und Eis verfüllt ist und somit kein Wasser abzuleiten vermag. Gerade in dieser Zeit fällt jedoch sehr viel Schmelzwasser an, was rasch zu hohen Seepegeln führen kann. Der Abflusstrichter hat eine beschränkte Abflusskapazität. In diesem Sommer wurde mehrmals beobachtet, dass der Abflusstrichter nicht alles Wasser abzuführen vermochte, wenn es einen sehr grossen Schmelzwasseranfall oder starke Niederschläge gab. In solchen Fällen ist der See jeweils vorübergehend angestiegen. Bedeutung des Stollens Der Stollen wird im kommenden Sommerhalbjahr einen zuverlässigen Überlauf für den Gletschersee bilden. Der Einlauf des Stollens liegt auf 1373 m ü.M. Der tiefste Punkt des Dammes liegt über 20 Meter höher auf 1395 m ü.M. Damit kann das Seevolumen von maximal 1.2 Mio. m3 ohne Stollen auf rund 120'000 m3 reduziert werden. Spontane Seeausbrüche sind auch bei diesem Volumen weiterhin möglich; die daraus entstehenden Hochwasser sollten jedoch schadlos durch die Lütschine abgeleitet werden können. Funktionen des Stollens - Künstlicher Abfluss für Gletschersee Natürlicher Abflusstrichter:
- Geländeabsenkung kann Rutschungen auslösen, durch welche Geröll Abfluss verstopfen kann. - Bei Schneeschmelze dürfte Trichter noch stark mit Schnee und Eis verfüllt sein und kann damit kein Wasser ableiten. Stollen bietet zuverlässigen Abfluss: - Einlauf ist best möglich geschützt vor Rutschungen und Stürzen. - Stollen reduziert Seevolumen von 1.2 Mio. m3im nächsten Sommer auf ca. 120‘000 m3. - Stollen ermöglicht Eingriffe mit Baumaschinen beim See. - Unter vorherrschenden Rahmenbedingungen weiterhin beste Lösung.
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