10 Milliarden Dollar: das ist der jährliche Aufwand, den es bis 2025 braucht, um den nachhaltigen Zugang zu Trinkwasser und einfachen sanitären Anlagen für alle Menschen zu ermöglichen. Soviel, wie in Europa jährlich für Eiscreme ausgegeben wird. Helvetas fordert von den Regierungen im Süden, dass sie ihre Prioritäten stärker auf die sanitäre Grundversorgung ihrer Bevölkerung ausrichten. Von den Regierungen im Norden erwartet Helvetas, dass sie die im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele versprochenen Mittel dafür bereitstellen. Ein
Tabu brechen
Ein Leben ohne Toiletten: Können Sie sich das vorstellen? Für einen Drittel der Menschheit ist dies Alltag. Stellen Sie sich vor, Sie würden den Bahnhofplatz überqueren und an menschengrossen Silhouetten vorbeigehen, an Menschen, die versuchen, sich hinter Alltagsobjekten - Abfallkübeln, Schirmen, Blumenkisten - zu verstecken, um für die Verrichtung ihres Geschäftes ein wenig Intimität zu finden. Afrika
und Asien am stärksten betroffen
2,6 Milliarden Menschen haben heute keinen oder einen ungenügenden Zugang zu Toiletten oder Latrinen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
In Afrika südlich der Sahara und in Südasien sind es weniger als ein Drittel der Bevölkerung. 1,8 Milliarden bzw. 70 Prozent davon leben in Asien, mehr als eine halbe Milliarde in Afrika südlich der Sahara. Weltweit müssen immer noch 1,2 Milliarden Menschen ihr Geschäft im Freien verrichten. Zwar stieg der Anteil der Menschen mit genügendem Zugang zu sanitären Anlagen zwischen 1990 und 2006 von 54 auf 62 Prozent. Doch trotz diesem Fortschritt sind die regionalen Unterschiede gewaltig. In Entwicklungsländern hat heute im Schnitt nur jede zweite Person Zugang zu elementaren sanitären Einrichtungen. In Afrika südlich der Sahara und in Südasien sind es weniger als ein Drittel der Bevölkerung.
Grosse
Unterschiede bestehen zwischen Stadt und Land.
In Städten haben 79 Prozent Zugang zu elementaren sanitären Einrichtungen, auf dem Land hingegen nur gerade 45 Prozent. Die grössten Unterschiede zwischen Stadt und Land bestehen in Lateinamerika inklusive Karibik (86% gegenüber 52%) und in Südasien (57% gegenüber 23%). Toiletten
zu haben, ist auch eine Frage des Geldes und der sozialen Stellung. In
Afrika südlich der Sahara haben die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung
fünf Mal mehr Zugang zu einer Toilette als die ärmsten 20 Prozent.
Laut
den Uno-Millenniumszielen soll der Anteil der Menschen, die von
der Krise in der sanitären Grundversorgung betroffen sind, bis 2015
halbiert werden. Ohne zusätzliche Anstrengungen in der Entwicklungspolitik
wird dieses Ziel verfehlt.
1,8
Millionen Menschen sterben an Durchfallerkrankungen
Durchfallerkrankungen und Wurminfektionen gehören in Entwicklungsländern zu den häufigsten Krankheiten. Menschliche Fäkalien spielen bei der übertragung eine wichtige Rolle. 1 Gramm Fäkalien enthalten 10 000 000 Viren, 1 000 000 Bakterien, 1000 parasitäre Zysten und 100 parasitäre Eier. Der Mensch scheidet im Durchschnitt täglich 100 Gramm Fäkalien aus.
Dieser Kreislauf lässt sich an verschiedenen Orten unterbrechen: Ein verbessertes persönliches Hygieneverhalten, eine hygienische Entsorgung von Fäkalien und der Zugang zu genügend sauberem Wasser verhindern die übertragung und tragen entscheidend dazu bei, Krankheiten und Todesfälle zu vermindern. Einfaches Händewaschen halbiert die Zahl der Infektionen.
Toiletten
schützen Frauen und Mädchen vor Gewalt
Zugang zu Toiletten ist ein wesentlicher Bestandteil der Würde und der Sicherheit von Frauen und Mädchen. Wo das Geschäft oder die Körperpflege draussen verrichtet werden müssen, sind Frauen den Blicken von Männern ausgesetzt. Dabei kommt es häufig zu sexuellen übergriffen und Gewalt. Frauen aus Regionen mit ungenügender sanitärer Grundversorgung leben in einem Zustand permanenter Unsicherheit und Angst.
Viele Eltern, die über die mangelnde Hygiene, Sicherheit und Privatsphäre in den Schullatrinen besorgt sind, nehmen ihre Töchter von der Schule, sobald sie in die Pubertät kommen. Auch schlechte sanitäre Grundversorgung zu Hause hält Mädchen vom Schulbesuch ab. Denn werden Familienangehörige krank, weil das Trinkwasser verschmutzt ist, sind es vor allem Mädchen und junge Frauen, die sich um sie kümmern. So können die Mädchen nicht in die Schule gehen. Quelle: New Internationalist (Nr. 414), August 2008 Helvetas
schafft Zugang zu Toiletten
Für Helvetas sind Fäkalien kein Tabu. Seit 40 Jahren verbessert Helvetas die sanitäre Grundversorgung in 11 Projektländern. Für die erfolgreiche Projektumsetzung sind drei Aspekte von besonderer Bedeutung: Die betroffenen Menschen und ihre Bedürfnisse stehen im Zentrum. Die politischen Entscheidungsträger müssen von der Dringlichkeit konsequenten Handelns überzeugt werden, auch wenn sie sich mit Tabuthemen wie Fäkalienentsorgung kaum Sympathien oder Stimmen holen können. Es werden Allianzen mit wichtigen Gruppen im Hygienesektor geschmiedet, beispielsweise mit lokalen Gesundheitsbehörden und Kleinunternehmen. Um das Verhalten der Menschen im Bereich der sanitären Grundversorgung nachhaltig zu ändern, setzt Helvetas auch in den Schulen an. Kinder müssen lernen, über Fäkalien und Hygiene zu sprechen und neue Praktiken anzuwenden. Es ist auch sinnvoll, das Interesse der lokalen Medien zu wecken. Hauptziel ist es, die Wege der Krankheitsübertragung zu unterbrechen. Krankheitserreger, die in menschlichen Fäkalien ausgeschieden werden, dürfen weder direkt noch indirekt mit gesunden Menschen in Kontakt kommen. Es reicht nicht aus, nur Toiletten zu bauen. Die Betroffenen müssen entsprechend sensibilisiert und im Hygienebereich geschult werden.
Erfahrungsgemäss führt eine rein abstrakte Erklärung über die Zusammenhänge zwischen Fäkalien, Krankheitserregern und dem Auftreten von Krankheiten nicht zu einer Verhaltensänderung der Leute. Die Aussicht auf einen Gewinn an Komfort und Privatsphäre dank genügender sanitärer Grundversorgung verspricht mehr Erfolg. Wenn die abgebauten bzw. kompostierten Fäkalien sogar noch einen Mehrwert bringen, indem sie auf die Felder zurückgeführt werden, sind die Aussichten auf eine langfristige Nutzung von sanitären Anlagen besonders vielversprechend.
Mit den richtigen Ansätzen kann es aber auch auf dem Land gelingen, durch die Schaffung von Sanitärmärkten und -geschäften eine nachhaltige Verbesserung der Siedlungshygiene auf Haushaltebene zu erreichen. Voraussetzung ist die Schaffung von Win-win-Situationen für alle Beteiligten. Der Bauer verwendet beispielsweise die Gülle des Latrinenreinigers. Somit braucht der Bauer keinen künstlichen Dünger, und der Latrinenreiniger verdient auch mit der Entsorgung seiner Gülle. Helvetas verschafft jedes Jahr rund 300 000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen und trägt aktiv dazu bei, dass sich die Lebensverhältnisse Zehntausender Familien verbessern. Der Helvetas Beitrag zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele mag klein erscheinen, aber wenn alle Kräfte zusammenspielen, können diese Ziele erreicht werden.
Malaria
und Typhus - Folgen mangelnder Hygiene
Erste Priorität hat die Versorgung der Haushalte mit sauberen und sicheren Latrinen aus Zement. Dazu gehört auch der Bau von geschlossenen Sickergruben. Die Latrinengruben müssen regelmässig manuell geleert werden. Die Fäkalien werden dabei in der Regel vor die Hausmauer auf die Strasse geschüttet. Dort trocknen sie und werden nach einer gewissen Zeit mit Karren auf die Felder gebracht.
Die miserable sanitäre Grundversorgung ist der Hauptgrund für die starke Zunahme von Krankheiten. Vor allem Malaria ist ein grosses Problem. Die offenen Abwässer sind Brutstätten für Mücken, die die Malaria übertragen.Da traditionell die Frauen für Hygiene und Gesundheit in den Familien verantwortlich sind, läuft die Sensibilisierungsarbeit primär über die Frauenkooperativen. Die Frauen müssen ihre männlichen Familienmitglieder davon überzeugen, ihre sanitäre Situation zu Hause zu verbessern.
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