Die Schweiz beteiligte sich im 2007 zum zweiten Mal - zusammen mit über 40 europäischen Ländern. Beide Erhebungen wurden von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogen-probleme (SFA) durchgeführt. Sie sind für die Schweiz repräsentativ. ESPAD befragt Schüler und Schülerinnen in der für die Prävention wichtigen Altersstufe von 15 Jahren. Weil die Befragung in Schulklassen stattfindet, nehmen an ESPAD auch jüngere und ältere Schüler teil. Somit zeichnet die ESPAD-Stichprobe ein repräsentatives Bild der Situation bei den 13- bis 16-jährigen Schülern und Schülerinnen in der 8. bis 10. Klasse. Insgesamt wurden im 2007 über 7500 Schweizer Jugendliche befragt. Die Befragung wurde mittels Fragebogen im Klassenverband innerhalb einer Schulstunde durchgeführt. Freiwilligkeit der Teilnahme und Anonymität waren gewährleistet. Die neusten Resultate zeigen: Jugendliche trinken, rauchen und kiffen heute weniger als vor vier Jahren. Auch die Anteile der risikoreich Konsumierenden sind zwischen 2003 und 2007 zurückgegangen. Der Substanzgebrauch ist aber immer noch höher als in den 1980er und 1990er Jahren.
Ein so hohes Konsumniveau ist bedenklich, da ein früher Konsumeinstieg bzw. häufiger Konsum in jungen Jahren ein erhöhtes Risiko alkoholbedingter Probleme im weiteren Lebensverlauf nach sich ziehen. Tiefer als der Lebenszeitkonsum sind die Werte beim mindestens zehnmaligen oder häufigeren Alkoholkonsum in den dreissig Tagen vor der Befragung. Die Zunahmen bei den 13-Jährigen sowie bei den 16-jährigen Jungen sind statistisch nicht signifikant. Das heisst, dass anhand dieser Werte kein Konsumanstieg abgeleitet werden kann. Das Rauschtrinken (punktuell exzessiver Konsum von Alkohol) ist unter Jugendlichen in der Schweiz nach wie vor stark verbreitet. Das Rauschtrinken stellt hierzulande das wichtigste Public-Health-Problem im Jugendalter dar. Während die Mehrheit der Jugendlichen keinen problematischen Alkoholkonsum aufweist, greift eine kleine Gruppe zu häufig und zu viel zu alkoholischen Getränken. Die Entwicklung im Laufe der letzten vier Jahre positiv: Der besonders problematische Konsum von fünf Gläsern oder mehr bei einer Gelegenheit, und dies mindestens drei Mal im Monat, ging zwischen 2003 und 2007 zurück. Am deutlichsten ist dieser Trend bei den 14- und 15-Jährigen. Dies deutet auf einen verbesserten Vollzug der Jugendschutzbestimmungen hin. Zudem wurde das Rauschtrinken in den letzten Jahren intensiv und öffentlich diskutiert. Es ist anzunehmen, dass das Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken stieg. Alkohol ist unter den verschiedenen Substanzen aber nach wie vor das Problem Nummer 1. Und die Konsequenzen des Rauschtrinkens bleiben gravierend. Das Risiko für Unfälle, Gewaltakte oder Alkoholvergiftungen steigt bei Rauschtrinkenden um ein Vielfaches. Alkoholbedingte
Folgen
Die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, ob sie eine der folgenden alkoholbezogenen Konsequenzen in den letzten 12 Monaten erlebt hatten: Körperliche Auseinandersetzung oder Kampf Unfall oder Verletzung Problem mit der Polizei Einweisung in ein Krankenhaus oder eine Notfallaufnahme Sexueller Verkehr ohne Kondom. Anmerkung: "Binger" ist aus dem Englischen abgeleitet und steht für Rauschtrinkende. Binger: 5 Gläser oder mehr bei einer Gelegenheit mindestens 3 Mal in den letzten 30 Tagen. 1 Glas = etwa 15 Gramm reiner Alkohol pro Tag gemäss ESPAD-Standards
Ein
zentraler Ansatz der Verhaltensprävention ist daher die Früherkennung
gefährdeter Jugendlicher. Gleichzeitig müssen Schule und Familie
für die Risiken sensibilisiert und Familien in ihrer Erziehungsaufgabe
unterstützt werden. Bei der so genannt strukturellen Prävention
geht es darum, den Jugendschutz, namentlich die Abgabebestimmungen, noch
konsequenter durchzusetzen. Damit setzt die Gesellschaft ein Zeichen, wonach
sie Jugendliche vor Risiken und Schäden des Alkoholkonsums schützen
will.
Auf den ersten Blick ist es für ein Wein anbauendes Land wie die Schweiz erstaunlich, dass Jugendliche nur sehr selten Wein trinken. Wie andere Studien zeigen, ist die Trinkkultur unter Jugendlichen in Europa recht einheitlich. Teenager aus verschiedenen Ländern unterscheiden sich in ihren Getränkepräferenzen weniger als Erwachsene. Bier macht bei 15-jährigen Jungen mehr als 40 % des Gesamtkonsums aus, fast den gleichen Anteil nehmen Alcopops, das heisst Mischgetränke mit Spirituosen, sowie weitere hochprozentige Alkoholika ein. Bei den Mädchen machen Alcopops, Spirituosen und selbst gefertigte Mischgetränke mehr als die Hälfte des Gesamtkonsums aus; nur knapp ein Viertel nimmt Bier ein. Trinkfertige, oft süss schmeckende Alcopops büssten zwischen 2003 und 2007 an Attraktivität ein. Gleichzeitig scheinen Jugendliche "harte Drinks" heute eher selbst zu mischen. Nach eigenen Angaben trinken Jugendliche alkoholische Getränke häufiger im Restaurant oder in einer Bar als nach dem Kauf im Laden. Eine Ausnahme bilden hier 15-jährige rauschtrinkende Jungen, die mindestens drei Mal im Monat fünf Gläser oder mehr bei einer Gelegenheit konsumierten. Sie gaben an, die Getränke häufiger im Detailhandel zu beziehen. Anmerkung: Bier-/Weinpops sind Mischgetränke aus Bier od. Wein; Alcopops sind
trinkfertige Mischgetränke mit Spirituosen; die Kategorie Spirituosen/Selbstmix
umfasst sowohl Spirituosen als auch selbst zusammengestellte Mischgetränke
mit Spirituosen.
Die Entwicklung des Tabakkonsums stimmt zuversichtlich; die Rückgänge sind teilweise beachtlich. Die Erhöhung der Zigarettenpreise hat wohl zum rückläufigen Trend beigetragen. Zudem ist es heute normal, in öffentlichen Räumen nicht zu rauchen. Gleichzeitig intensivierten die Kantone in jüngster Zeit den Jugendschutz im Tabakbereich; in mehreren Kantonen gilt heute ein gesetzliches Abgabealter für Tabakprodukte (dieses liegt bei 16 oder 18 Jahren). Eine national einheitliche Regelung, welche das Abgabealter bei 18 Jahren vorsieht, erachtet die SFA als notwendig. Was
beim Alkohol zutrifft, gilt auch für den Zigarettenkonsum bei Jugendlichen: Entwarnung ist nicht angezeigt.
Problematisch bleibt der frühe Konsumeinstieg. Wer früh mit dem
Rauchen anfängt, entwickelt eher ein gewohnheitsmässiges Rauchen.
Die Tabakprävention hat deshalb u.a. zum Ziel, den Einstieg in den
Tabakkonsum zu verhindern oder so lange wie möglich hinauszuschieben.
Cannabisprodukte (Haschisch und Marihuana) werden in der Schweiz weit häufiger genommen als irgendeine andere illegale Droge. Der erste Kontakt mit Cannabis findet in den meisten Fällen im Jugendalter statt. Die Konsumentwicklung zwischen 2003 und 2007 zeigt indes, dass das Kiffen an Attraktivität unter Jugendlichen einbüsste. Das Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken ist heute grösser und durch die politische Diskussion über die Cannabisfrage ist allen klar, dass der Konsum sanktioniert wird. Einen Einfluss könnten auch die zunehmenden Rauchverbote in öffentlichen Räumen haben, welche das Kiffen wohl hemmen, wobei das Rauchverbot in den Zügen eine wichtige Rolle spielen dürfte. Häufigkeit Cannabisgebrauch
Eine kleine Gruppe von Jugendlichen geht hohe Risiken ein. Bis heute ist über das Konsumverhalten dieser Minderheit wenig bekannt. Die psychoaktiven Substanzen werden von 15-jährigen Jugendlichen in der Schweiz selten konsumiert. Die Entwicklung weist hier jedoch in eine andere Richtung als bei Cannabis, Alkohol und Zigaretten. Zwischen rund ein und 3 % der Jugendlichen haben in ihrem bisherigen Leben illegale Drogen wie Kokain, Crack, Heroin oder LSD gebraucht. Diese Werte sind nach wie vor auf tiefem Niveau; sie nahmen jedoch im Vergleich zum Jahr 2003 zu. Fast
8 % der 15-Jährigen haben schon ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel
ausprobiert; 2003 waren es etwas mehr als 6 %. Der Griff zu solchen Präparaten,
seien es nun pflanzliche, rezeptfreie oder rezeptpflichtige, ist in diesem
Alter in jedem Fall bedenklich.
ESPAD-Schülerstudie
Konsumentwicklung bei Jugendlichen im Detail zu analysieren. Um den Substanzgebrauch besser zu verstehen und neue Erkenntnisse für die Prävention zu gewinnen, müssen die individuelle Lebenssituation wie das soziale Umfeld oder die Beziehungen zu Eltern oder Gleichaltrigen näher angeschaut werden. Die
SFA in Kürze
Für die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) steht der Schutz der Gesundheit im Zentrum. Die SFA will Probleme verhüten oder vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen hervorgehen. Die SFA konzipiert und realisiert Präventionsprojekte, engagiert sich in der Gesundheitspolitik und der psychosozialen Forschung. Die SFA ist eine private, parteipolitisch unabhängige Organisation mit gemeinnützigem Zweck.
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