Somalia - Ein politisch zerrissenes Land
In Somalia tobt seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg. Verschiedene Volksgruppen, Klans und Interessenvertreter kämpfen blutig um Einfluss und Macht. Das Land verfügt deshalb nur in wenigen Gebieten über eine funktionierende Infrastruktur. Bedrohungen und Entführungen lauern in diesem Land überall. Verschiedene internationale Interventionen, u.a. der Nachbarstaaten Äthiopien und Kenia, zeigten nur mässigen Erfolg. In weiten Teilen Somalias herrscht mit Ausnahme der autonomen Regionen Somaliland und Puntland weiterhin Gesetzlosigkeit und Anarchie. Für die UNO gehörte Somalia 2013 neben dem Sudan, dem Südsudan und der Republik Kongo zu den gefährlichsten Ländern in Afrika. Im Januar 2013 hat die UNO ihr Personal aus Somaliland aus Sicherheitsgründen nach Nairobi verlegt.
Somalia wurde 1960 unabhängig. Die wohlhabendsten Regionen des Landes entlang des Golfs von Aden haben sich teilweise von der Zentralregierung in Mogadischu losgesagt. Somaliland sieht sich in einer selbst erklärten Unabhängigkeit. Die internationale Staatengemeinschaft hat diesen Staat niemals anerkannt. Puntland beansprucht für sich eine Teilautonomie. Zwischen Somaliland und Puntland kommt es aber immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach 21 Jahren Militärdiktatur erklärte sich Somaliland am 18. Mai 1991 nach einem 3 Jahre dauernden blutigen Sezessionskrieg als unabhängig.
Weite Teile von Zentralsomalia werden von islamistischen Kräften kontrolliert. In diesen Zonen gelten noch strengere islamische Gesetze als im übrigen Somalia. Somalia liegt bei den Menschenrechten auf der Länderrangliste der UNO auf einem der letzten Plätze. Somalia hat seit 1990 viele politische Wirren und blutige Machtkämpfe erlebt.
Landrechte: Nährboden für die innersomalischen Konflikte Das Weideland in Somalia gehört seit Generation dörflichen Gemeinschaften, welche von den Clans und ihren Unterclans kontrolliert werden. Das Ackerland wurde von den Dorfältesten ohne klar umschriebenen Landrechte an die dörflichen Haushalte vergeben. Die Konflikte unter den Landeignern wurde nach traditionellen Konfliktlösungsmechanismen zu einer gütlichen Einigung geführt. Das Regime des Diktators Siad Barre hat 1975 eine Gesetz zur Eintragung von Landrechten in Kraft gesetzt. Statt die traditionellen Landrechte an die lokalen Clans zu übertragen, hat der Staat sich alle unregistrierten Landflächen zu Staatseigentum erklärt. Die meisten lokalen Bauern und nomadisierenden Viehzüchter verfügten damals nicht über die finanziellen Mittel sich Landrechte zu kaufen und diese zu registrieren. Nach der Niederlage im Ogadenkrieg 1977 hat sich das Regime das Staatsland an regimefreundliche Anhängern verteilt. Die Clans, welche entlang der fruchtbaren Flussläufen der beiden Flüsse Lower Shabelle und Juba ihre Ackerflächen bewirtschaftet hatten, gerieten durch diese Regierungsmassnahmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. An der Südgrenze von Somalia formierte sich ein starker Widerstand gegen die Zentralregierung. Die islamistischen Al-Shabaab-Milizen Somalia ist ein islamischer Staat, indem das Alltagsleben durch die islamischen Regeln und Gesetze geleitet wird. In den von den islamistischen Milizen kontrollierten Gebieten wird eine strenge Auslegung der Sharia durchgesetzt. Die islamistischen Al-Shabaab-Milizen wirken nicht als einheitlicher Block. Obwohl Al-Shabaab (was auf arabisch Jugend bedeutet) über einen Zentralrat (= Shura) verfügt, hat sich die Miliz entlang von ideologischen Grenzen und Clanlinien zersplittert. Einige ihrer Führer verfolgen eine eher moderate Auslegung der Sharia, wieder andere setzen auf eine harte Linie. Al-Shabaab trat 2006 erstmals als bewaffneter Flügel der islamistischen Bewegung «Union of Islamic Courts» in Erscheinung. Al-Shabaab rekrutiert ihre Kämpfer vor allem unter arbeitslosen Jugendlichen. Al-Shabaab hat sich der weltweiten Jihadisten-Bewegung angeschlossen. Die Miliz verfolgt die Idee, alle Regionen mit einer somalistämmigen Bevölkerung wie jene in Ogaden (Äthiopien), Dschibuti oder im Norden Kenias unter einem Kalifat zu vereinen. Der Zentralrat der Al-Shabaab hat verfügt, dass Frauen neben einer Ganzkörperbekleidung auch einen Schleier und Socken tragen müssen. Die Männer dürfen ihre Bärte nicht abrasieren und ihre Hosen müssen die Fussknöchel bedecken. Al-Shabaab hat u.a. in ihrem Einflussgebiet die Kinos geschlossen und den Verkauf von Khat gestoppt. Sie haben das Rauchen, das Tanzen bei Hochzeiten, das Hören von nichtislamischer Musik, die Videospiele, das Verfolgen von Fussballspielen, verboten. Klingeltöne auf den Mobilphonen sind nur erlaubt, wenn sie Koranverse wiedergeben. Radiostationen senden rund um die Uhr Koranverse oder rufen fortwährend zu den Pflichtgebeten auf. In den öffentlichen Verkehrsmittel reisen die Geschlechter in getrennten Abteilen.
Drohungen und Gewaltanwendungen gegen internationale Hilfsorganisationen 2013 musste sich die international anerkannte und geschätzte Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF)nach über 20 Jahren humanitärem Engagement aus Somalia zurückziehen. Die von den Behgörden geduldeten und auch unterstützten Drohungen Gewaltanwendungen gegen das Personal des Hilfswerks zwangen MSF, einen Schlussstreich zu ziehen. MSF ist weiterhin als einziges internationale Hilfsorganisation in den Flüchtlingslagern von Dabaab im Norden Kenias tätig. In Dabaablebten 2015 schätzungsweise gegen 350'000 Flüchtlinge aus Somalia.Die Lager von Dadaab sind der grösste Flüchtlingslagerkomplex der Welt. Auch im Norden von Kenia sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend Drohungen von bewaffneten Gruppierungen ausgesetzt. Ende Mai 2015sah sich MSF infolge steigender Gewalt und Drohungen gezwungen, 42 ihrer Mitarbeiter aus den Flüchtlingslagern von Dadaab abzuziehen und nach Nairobi zu bringen. Diese provisorische Sicherheitsmassnahme hatte bereits direkte Auswirkungen auf die medizinischen Hilfeleistungen der Organisation für die somalischen Flüchtlinge in Dadaab. Zwei der vier Gesundheitsposten von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) wurden geschlossen, die Schwangerenvorsorge eingestellt und die radikale Personalreduzierung gefährdet den Betrieb weiterer ärztlicher Leistungen. Seit über 20 Jahren sind die Lager das Zuhause von Somaliern, die aus ihrem vom Konflikt zerrissenen Land geflohen sind. MSF betreibt ein Spital mit 100 Betten sowie nunmehr zwei Gesundheitsposten in Dagahaley, einem der fünf Lager von Dadaab. Wegen der Verschlechterung der Sicherheitslage und Kürzungen der finanziellen Mittel wurde die humanitäre Hilfe in den vergangenen Jahren von vielen Organisationen stetig abgebaut. Dennoch bleibt Dadaab ein sicherer Ort als Somalia. (Quelle: MSF, Mai 2015) 2015: Unsichere Lage in weiten Teilen von Somalia Die International Crisis Group berichtete auch 2015 von zahlreichen militärischen Aktionen der Rebellengruppe «Al-Shabaab». Der Angriff der «Al-Shabaab» vom 27. März 2015 auf ein auch von Ausländer frequentiertes Hotel in Mogadischu fand grosse internationale Aufmerksamkeit. Bei diesem Anschlag fanden mindesten 27 Menschen den Tod. Angriffe der «Al-Shabaab»-Miliz wurden im Frühjahr 2015 u.a. aus Puntland, Lower Shabelle, Lower Juba, Mogadischu und Godo gemeldet. Clan- und Stammesmilizen sowie paramilitärische Gruppen aus den angrenzend Ländern liefern sich nicht nur Gefechte gegen die Truppen der Zentralregierung sondern bekämpfen sich auch immer wieder untereinander. Im Bundesstaat Galgaduud sieht sich die Zentralregierung in einen blutigen Kampf mit Sufi Millizen verwickelt.In Zentralsomalia führten AMISOM-Truppe und Einheiten der nationalen Armee (Somali National Army SNA) gemeinsame Offensivaktionen gegen die dort operierenden Milizen aus. US-Drohnen greifen Rebellenführer an. Der Aufbau einer interimistischen Verwaltung in Zentralsomalia kommt wieder voran, nachdem die Zentralregierung im Frühjahr 2015 bekräftig hat, dass die Stadt Dhusamareb in Galgaduud die Hauptstadt dieser künftigen Verwaltungseinheit wird.
Im Oberhaus sitzen weiterhin Parlamentarier, welche nicht durch eine Wahl bestätigt wurden. Somaliland und Puntland werfen sich gegenseitig vor, die «Al-Shabaab»-Rebellen zu unterstützen. (Quelle: ICG, Juni 2015) Piraterie als neues «Geschäftsfeld» In Puntland hat sich wegen des Machtvakuums und der Not der Bevölkerung einen lukrativer Geschäftszweig etabliert: die Seeräuberei. Von den Küsten von Puntland aus bedrohen die Piraten die Welthandelsroute durch den Golf von Aden. 2005 wurden in der Region 35 Piratenangriffe registriert. Pro gekapertes Schiff erpressten die Piraten durchschnittlich 150'000 US$. 2010 waren es bereits 219 Überfälle. Pro Schiff lösten die Piraten bereits 5,4 Millionen US$. Nach dem Höhepunkt mit 237 im Jahr 2011 sank die Zahl der Angriffe durch die Präsenz von Kriegsschiffen 2012 auf 75. Die Piraten haben darauf geachten, dasssich in ihren Stützpunkten vor allem an den Küsten in Zentralsomalia keine staatliche Verwaltung etablieren konnte. Mit dem Einsatz einer internationalen Schutztruppe zur Überwachung der Handelsstrasse im Golf von Aden haben sich die Piratenüberfälle vor der Küste Somalias erheblich reduziert. Naturkatastrophen Neben dem Bürgerkrieg, welche der Bevölkerung Tod, Leid und Hunger bringt, verstärken Naturkatastrophen das Elend. 1992 bis 1993 litt das Land unter einer fürchterlichen Dürre. 2011 hatte eine weitere Dürrephase ihren Höhepunkt. Im Februar 2012 erklärte die UNO, dass die Hungersnot im Süden des Landes beendet werden konnte. Die UNO schätzt, dass seit 1991 in Somalia 0,5 bis 1,4 Millionen Menschen durch Hunger und Krieg das Leben verloren. Eine funktionierende Regierung und eine staatlich gelenkte Administration für das ganze Land gibt es nicht. Nach Schätzungen der UNO leben in Südsomalia rund 7,5 bis 9,5 Millionen Menschen. Genaue Zahlen sind nicht erhältlich. Die UNO nimmt an, dass 2012 im Süden des Landes rund 4 Millionen Somalis über zu wenig Lebensmittel verfügten. 3,4 Millionen Menschen benötigten humanitäre Hilfe und 1,3 Millionen Menschen lebten ausserhalb ihrer angestammten Wohngebiete auf der Flucht. 770'000 Flüchtlinge hielten sich zeitweise im Süden in Lagern auf. 82% der Somalis leben an oder unter der Armutsgrenze. Das Land zeigt Unterschiede in der Armutsverteilung. (9% der Menschen im Süden an der Grenze zu Kenia gelten als arm, in Puntland 75% und in Somaliland 72%.
Die somalischen Institutionen in Mogadischu, welche nach jahrelangen krisengeprägten Übergangsphasen im September 2012 erneuert wurden, haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2016 eine neue Verfassung für das Land auszuarbeiten. Gleichzeitig hat die somalische Regierung die Absicht geäussert, durch den Aufbau einer föderalen Staatsstruktur, die Regierung näher zur Bevölkerung zu bringen und somit die Stabilität des Landes zu verbessern. Die Schweiz bot dem Somalia die Unterstützung an, um verschiedene Föderalismusmodelle in die Debatte in Somalia einzubringen. Diese Unterstützung ist Teil des Engagements der Schweiz für die Stabilisierung und die friedliche Entwicklung Somalias. Im Rahmen der Horn von Afrika-Strategie ist die Schweiz in Somalia in verschiedenen Bereichen aktiv: Ernährungssicherheit und ländliche Entwicklung, Gesundheit, gute Regierungsführung, Konflikttransformation und Friedensaufbau, Migration und Schutz für die Zivilbevölkerung. Ziele dieser Strategie sind die Armutsbekämpfung, die Verbesserung der menschlichen Sicherheit und Stabilität sowie die Unterstützung bei der Bewältigung von Migrationsherausforderungen. Für die Umsetzung der Strategie werden von 2013-2016 jährlich rund CHF 15 Millionen für Somalia bereitgestellt. Dieses Engagement der Schweiz wird innerhalb des "New Deals" für Somalia mit der internationalen Gemeinschaft koordiniert. Beim New Deal handelt es sich um einen gemeinsam mit der Regierung Somalias ausgehandelten, von den wichtigsten Gebern finanzierten Aufbauplan.
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