Ressourcen älterer Arbeitnehmer/innen im Mittelpunkt: Über 400 interessierte Personen aus der ganzen Schweiz besuchten die Tagung 40 plus - Gesundheit und Erfahrung als betriebliches Potenzial, eine Zahl, die die Erwartungen der Veranstalter - das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz - weit übertroffen hat. Die Referate, Diskussionen und Symposien zur altersgerechten Gestaltung der Arbeit boten viel Wissenswertes für Personen aus dem öffentlichen Dienst, aus der Politik und aus privaten Firmen, für Personal- und Gesundheitsverantwortliche in Betrieben und Verbänden, für Arbeitsmediziner/innen und weitere Fachpersonen sowie für Anbieter/innen von betrieblichen Gesundheitsförderungsprogrammen. Norbert Semmer, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität Bern, findet es skandalös, dass in unserer Gesellschaft über die Arbeitsfähigkeit von Frauen und Männern im besten Alter diskutiert werden muss - warum sonst würde diese Tagung 40+ (und nicht 60+) heissen?
Die demografische Entwicklung in den westlichen Ländern zeigt, dass der Anteil von älteren Beschäftigten weiter zunehmen wird. Sowohl aus wirtschafts- wie aus sozialpolitischen Gründen ist es deshalb wichtig, dass auch ältere Erwerbstätige gesund und motiviert arbeiten können. "Die Arbeitsfähigkeit ist die Summe jener Faktoren, die sich sowohl auf die Person als auch auf die Arbeit beziehen und massgeblich darüber entscheiden, ob ein Individuum im Arbeitsleben langfristig erfolgreich bestehen kann", erklärt Joseph A. Weiss vom Staatssekretariat für Wirtschaft seco. Zugleich weist er darauf hin, dass Massnahmen für die Erhaltung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit früh, d.h. nicht erst beim Auftreten von Problemen einsetzen müssen. Obwohl
die über 50-Jährigen am Arbeitsplatz bereits heute einen erheblichen
Teil ausmachen, orientieren sich die Arbeitsanforderungen oft am Bild des
jungen, dynamischen Arbeitstätigen. Unberücksichtigt bleiben
dabei die psychischen und physischen Belastungen und ihre Auswirkungen
auf ältere Beschäftigte - aber auch ihr Potenzial an Ressourcen.
Gerade ältere Personen haben oft vielfältige Möglichkeiten,
die an sie gestellten Anforderungen konstruktiv zu bewältigen.
"Die Förderung der Gesundheit der älter werdenden Erwerbstätigen ist schon aus ökonomischen Gründen vernünftig, aber sie ist auch eine humanitäre Aufgabe", sagt Michael Kohlbacher von Gesundheitsförderung Schweiz. "Wenn die Arbeit physisch, psychisch und sozial stimmt, arbeiten die Leute gerne bis zum Pensionsalter", ist Maggie Graf vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) überzeugt. Doch Veränderungen in der Arbeitswelt, beschleunigte und verdichtete Arbeitsprozesse und ein Abbau von Reservekapazitäten belasten die Gesundheit der Erwerbstätigen - und sie belasten auch die (Volks)wirtschaft. In ihrem Referat zeigte Maggie Graf den Wandel in der Altersstruktur der
Bevölkerung auf. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Personen
im mittleren und höheren Lebensalter stark angewachsen. Eine Entwicklung,
die Sorgen bereitet, ist die Zunahme der Renten aus Invaliditätsgründen.
Neben Erkrankungen des Muskel- und Skelettapparates sind es vermehrt psychische
Gründe, die zur frühzeitigen Berentung führen. Wie Martina
Morschhäuser vom Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft
Saarbrücken mit entsprechenden Untersuchungsergebnissen belegte, sind
vor allem Arbeitstätige mit körperlicher Beschäftigung in
grösserem Ausmass von der Frühberentung betroffen. Die Zunahme
der Invalidisierungen führt zu steigenden Kosten, die zu einer erheblichen
Belastung werden. Daneben stellt sich die Frage, ob es für unsere
Gesellschaft gut ist, wenn ein zunehmender Teil der Bevölkerung nicht
mehr im Erwerbsleben integriert ist.
Da sich die Altersstruktur der Erwerbstätigen weiterhin stark wandeln wird, geht es nach Martina Morschhäuser in Zukunft darum, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der älteren Beschäftigten vermehrt zu fördern. Dies müsse auf der einen Seite durch die Stärkung von Gesundheitsressourcen geschehen, auf der anderen Seite durch den Abbau von Arbeitsbelastungen und durch die Begrenzung der Dauer, während welcher Erwerbstätige belastenden Bedingungen ausgesetzt sind. Die Referentin stellte Projekte aus grossen deutschen Unternehmen vor, in denen umfangreiche Verbesserungen realisiert werden konnten. Den Abbau von Belastungen
bei der Arbeit haben Projekte des von Gesundheitsförderung Schweiz
mitfinanzierten Programms der lateinischen Kantone 50+santé zum
Ziel. Weitere Programmschwerpunkte von 50+santé sind Projekte für
eine gute Vorbereitung auf das Rentenalter und zur Verringerung der negativen
Konsequenzen der Arbeitslosigkeit, so der Programmverantwortliche Jacques
A. Bury.
Belastungen bei der Arbeit können krank machen. Eine gut gestaltete Arbeit dagegen beinhaltet ein grosses Potenzial an gesundheitsfördernden Ressourcen, die u.a. die Arbeitsleistung positiv beeinflussen können. "Ein erfolgreiches betriebliches Gesundheitsmanagement muss Belastungen und Ressourcen gleichermassen berücksichtigen", sagt Hans Kernen, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeits- und Organisationspsychologie. Bei der Umsetzung des Ressourcen-Managements
müssen Unternehmen die Erkenntnisse der gesundheitsfördernden
Arbeitsgestaltung angemessen berücksichtigen; dabei ist eine möglichst
gezielte Nutzung und Förderung der Ressourcen auf der persönlichen
wie auf der betrieblichen Ebene wichtig. "Wertschätzung den älteren
Erwerbstätigen gegenüber ist in Organisationen selten beobachtbar;
dies wird dem hohen Potenzial an Ressourcen dieser Gruppe von Angestellten
- ihrer grossen Erfahrung, ihrem Wissen usw. - nicht gerecht", gibt
Hans Kernen zu bedenken.
"Altersdiskriminierung, über deren Gründe man zu wenig weiss, ist ein grosses Problem für die Gesellschaft, das dringend eliminiert werden muss, erklärt der Finne Juhani Ilmarinen vom Institut für Arbeitsmedizin in Helsinki: Weil geistiges Wachstum bessere kognitive und soziale Fähigkeiten mit sich bringt, haben ältere Personen andere Potenziale und Ressourcen als die jüngeren; schliesslich stellen diese - etwa die Arbeits- und Lebenserfahrung - für Betriebe spezielle Werte dar". Die Arbeitsfähigkeit
der älteren Erwerbstätigen zu erhalten, ist eine Voraussetzung,
um den demografischen Wandel in den westlichen Gesellschaften zu bewältigen.
Juhani Imarinen stellte an der Tagung den Arbeitsfähigkeitsindex
WAI (Work Ability Index) vor, ein arbeitsmedizinisches Messinstrument
zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von Erwerbstätigen bzgl.
ihren Arbeitsanforderungen, das eingesetzt wird, um die Arbeitsfähigkeit
der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern. Andere Staaten
stünden punkto älter werdenden Belegschaften vor ähnlichen
Fragen und Problemen, erläutert Oskar Meggeneder von der OberÖsterreichischen
Gebietskrankenkasse Linz in der Plenumsdiskussion. Als Kontaktpartner des
europäischen Netzwerks für betriebliche Gesundheitsförderung
weiss er darüber zu berichten, dass es seitens der EU Initiativen
gibt, die diese Probleme angehen.
Die
Symposien im Überblick: Altersvorbereitung
- Kurs auf die nachberufliche Zukunft
Ressourcen-Management
im betrieblichen Alltag
Evidenzen
von Pogrammen in Betrieben
Effizientes Care Management - eine notwendige Dienstleistung mit nachhaltigem Nutzen für Unternehmen Ziele des Care Management sind eine möglichst rasche Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach Krankheit oder Unfall und die Verhinderung von Invalidität. Bei dieser Präsentation geht es auch um die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit aller Beteiligten. BGF-Erfahrungstransfer
von der Praxis in die Praxis
Der
Arbeitsfähigkeitsindex WAI und die Reintegration in der betrieblichen
Gesundheitsförderung
ältere
Mitarbeitende bei ABB Schweiz
Änderungen
der Leistungsfähigkeit im Verlaufe des Lebens aus arbeitsphysiologischer
Sicht
älter werden - körperlich Arbeiten - Leistung erbringen!?
Monitoring
Arbeit und Gesundheit in der Schweiz
Der
gemeinsame Blick in die Zukunft des HRM (Human Ressources Management)
Aktiv
gegen Burnout
Der
Arbeitsfähigkeitsindex WAI Programme
50+santé
La
santé des plus de 50 ans: rapport à l'organisation du travail
Es ist wichtig, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern und in den Unternehmen ein qualitativ hoch stehendes Gesundheitsmanagement umzusetzen.
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