Textilien, Tierskelette, Geweihäxte, Holzgefässe, Steinbeilklingen, Hauspfosten, Herdstellen und vieles mehr - die Ufer des Pfäffikersees bergen archäologische Schätze von grosser Bedeutung. Zwei Neuerscheinungen der Kantonsarchäologie Zürich präsentieren die wissenschaftlichen Erkenntnisse der jüngsten Grabungskampagnen und gestatten vielfältige Einblicke in die urgeschichtliche Lebenswelt am Pfäffikersee. «Die horgenzeitliche Siedlung Pfäffikon-Burg»
Hervorragende Erhaltungsbedingungen, überaus zahlreiche Funde Ausgezeichnete Erhaltungsbedingungen hinterliessen eine grosse Menge Fundmaterial, darunter auch Holzgefässe, Beilholme, Knochen- und Geweihartefakte. Durch die aussergewöhnlich hohe Anzahl von 977 geborgenen und untersuchten Steinbeilklingen kann der Herstellungsprozess von der Materialgewinnung bis zum fertigen Gerät über alle Arbeitsschritte detailliert aufgezeigt werden. Die wissenschaftliche Materialanalyse bestätigt, dass die damaligen Handwerker die Eigenschaften der Rohmaterialien genau kannten und diese gezielt suchten und bearbeiteten. Archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen lassen Rückschlüsse auf die Landwirtschaft und Ernährung zu und machen die Veränderung der Kulturlandschaft in ihrer Wechselwirkung mit der Siedlungsentwicklung sichtbar. Einblick in Landwirtschaft und Ernährungsweise Die Bäuerinnen und Bauern von Pfäffikon-Burg bauten Gerste, Nacktweizen, Emmer, Lein und Mohn an, fischten mit Reusen, Netzen und Angeln im See, sammelten Erdbeeren und Himbeeren und verzehrten das Fleisch von Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen und auch Hunden. Insgesamt zeichnet sich das Bild einer autarken, ganzjährig bewohnten Siedlung ab, die auf Ziegenzucht, Steinbeilproduktion und Flachsanbau spezialisiert war und in diesen Sparten möglicherweise über den Eigenbedarf hinaus produzierte. «Die prähistorischen Feuchtbodensiedlungen am Südrand des Pfäffikersees» Die zweite aktuelle Neuerscheinung der Kantonsarchäologie Zürich leistet eine archäologische Bestandesaufnahme der Stationen Wetzikon-Robenhausen und Wetzikon-Himmerich. Mit der Entdeckung einer bedeutenden Feuchtbodensiedlung im Torfmoor von Robenhausen (1858) legte der Zürcher Oberländer Landwirt Jakob Messikommer (1828–1917) den Grundstein zu einer beispiellosen Forscherkarriere. Fast sechzig Jahre lang erforschte Messikommer diese Fundstelle und machte sie in zahlreichen Publikationen weltweit bekannt. Anhand der vielen schriftlichen Dokumente liess sich die Grabungstätigkeit Messikommers in Robenhausen in einzigartiger Weise nachzeichnen, ebenso seine internationale Vernetzung. Er galt als guter Verkäufer und vermochte durch den Handel mit präparierten, fein säuberlich verpackten und etikettierten Robenhauser Fundstücken seine Ausgrabungen zu finanzieren. Dass seine Forschungsarbeit weltweit Beachtung fand, zeigt sein Gästebuch mit Besuchereinträgen aus Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, dem übrigen Europa, den USA, Russland und Kanada. Ausserordentlich bedeutende Textilfunde Dank verschiedener, im Rahmen einer Inventarisation der Fundstelle erhobener Daten in den 1990er-Jahren war es möglich, einen Teil der Überlieferungen Messikommers mit neu gewonnenen Felddaten zu vergleichen. Unter Einbezug der alten Grabungsdokumente, der Befunddaten und des Altfundmaterials liess sich ein grobes Bild der Siedlungsabfolge über den Zeitraum zwischen 3800 und 1000 v. Chr. erarbeiten (Epochen Pfyn, Horgen, Schnurkeramik sowie Früh- und Spätbronzezeit). Besondere Beachtung verdient der Befund eines in situ dokumentierten Webgewichtensembles von 1999, das in Gesellschaft von fast 30 Textilfragmenten aus einer Brandschicht geborgen wurde. Mit den pfynzeitlichen Gusstiegeln, den zahlreichen Lochäxten aus Felsgestein, den Geweihäxten sowie Pfeilbögen, Beilholmen, Keulen, Gefässen und weiteren Artefakten aus Holz liegt herausragendes Fundmaterial vor. Ausserordentlich bedeutend sind die textilen Funde aus den Altgrabungen wie Fäden, Seile und Geflechte -wohl Produkte aus dem lokalen Leinanbau. Daneben konnten die bisher kaum bekannten Funde der Feuchtbodensiedlung Himmerich am Südufer des Pfäffikersees (von Messikommer in den späten 1850er-Jahren entdeckt; 4800–1000 v. Chr. bewohnt) sowie erstmals auch die Einzelfunde aus der Umgebung des Pfäffikersees vorgelegt und miteinander in Beziehung gebracht werden. Ulrich Eberli Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 40 Kurt Altorfer Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 41
Die Fundstellen im Kanton Zürich im Kurzüberblick: Erlenbach: Ein ausgedehntes Siedlungsareal mit ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen, wo beinahe alle wichtigen Epochen vertreten sind, darunter auch solche, die ansonsten vielfach fehlen. Greifensee: Ein weiteres überdurchschnittlich grosses Areal mit mächtigen jungsteinzeitlichen Siedlungsschichten, ersten Kupferfunden und Hinweisen auf abgehobene Böden (echte Pfahlbauhäuser). Horgen: Die Fundstelle ist namengebend für die jungsteinzeitliche Horgener Kultur. Sie weist nicht nur mehrere Horgener Siedlungsphasen auf, im Südteil der Strandplatte sind auch konventionelle Konstruktionshölzer aus der Früh- und sonderbare Bauteile aus der Spätbronzezeit vorhanden, die Rückschlüsse auf den Hausbau zulassen. Maur: Neben charakteristischen Inventaren der Jungsteinzeit liegen hier auch Funde aus sonst bei Pfahlbauten nicht belegten bronzezeitlichen Stufen vor. Meilen: Ein überaus reichhaltiges Siedlungsgebiet, in dem viele Epochen belegt und viele davon durch Dendrochronologie jahrgenau datiert sind. Hier lassen sich verschiedene Beobachtungen zu abrupten Kulturwechseln und Beziehungen mit anderen Kulturkreisen machen. Wädenswil: Eine erst 1996 entdeckte Fundstelle. Aus der schnurkeramischen Siedlungsschicht stammt ein Glockenbecher, der den Beweis für die Gleichzeitigkeit der gesamteuropäischen Glockenbecherkultur mit den schnurkeramischen Seeufersiedlungen erbrachte. Wetzikon: Die Fundstelle im Robenhauser Riet ist forschungsgeschichtlich absolut einmalig und untrennbar mit dem Landwirt Jakob Messikommer verbunden. Funde wurden im 19. Jh. weltweit verkauft und finden sich heute beispielsweise auch im British Museum in London. Die Fundstelle weist eine exzellente Erhaltung von organischen Resten, insbesondere von textilen Geweben und von botanischen Resten auf. Zürich: Die Fundstellen im unteren Zürichseebecken decken alle durch die Pfahlbauten belegten chronologischen Stufen ab und sind für das Verständnis der frühen Bauern von enormer Wichtigkeit. Insbesondere zwischen Bauschanze, Bellevue und dem Seefeld-Quartier sind zahlreiche Pfahlbaudörfer belegt. Mehrere davon sind gleichzeitig und lassen so Rückschlüsse auf nachbarschaftliche Beziehungen bzw. die Siedlungsorganisation zu. In Wollishofen, vor dem Kongresshaus und auf einer Untiefe vor der Quaibrücke liegen grosse Fundstellen mit ausserordentlich reichem metallenem Fundmaterial aus der Spätbronzezeit. Die späteste Phase liefert erste Eisenobjekte, ist also an den Übergang zur Eisenzeit zu datieren, eine ganz spannende Phase, über die wir wegen der ansonsten schlechten Erhaltungsbedingungen sehr wenig wissen.
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