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Klimaforschung im Arktischen Ozean
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Klimaforscher entdecken überraschendes Phänomen im Arktischen Ozean

Es klingt fast nach einer Binsenweisheit: Während der Eiszeiten waren die Temperaturen des Meerwassers allgemein niedriger als heute. Doch jetzt haben Wissenschaftler aus den USA, aus Schweden, Russland sowie von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und des GEOMAR | Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel entdeckt, dass bestimmte Wasserschichten in der Arktis während der jüngsten Eiszeit wärmer waren als heute. Ihre Entdeckung und mögliche Interpretationen präsentieren sie im internationalen Fachmagazin "Nature Geoscience".

Die Arktis steuert auf einen neuen Negativ-Rekord zu. Wie das Nationale Zentrum für Schnee- und Eisdaten der USA (NSIDC) berichtet, ist die aktuelle Bedeckung des Arktischen Ozeans mit Meereis noch geringer als im August des Jahres 2007, das bisher als das Jahr mit der geringsten je gemessenen Meereis-Ausdehnung gilt. Vor dem Hintergrund dieser und vieler anderer zu beobachtender Veränderungen in den nördlichen Polargebieten versuchen Wissenschaftler intensiv, das System Arktis und seine Reaktionen auf Klimaschwankungen besser zu verstehen. Dabei stossen sie auf teilweise überraschende Details, die immer wieder die Komplexität des Themas unterstreichen.

Forscher aus den USA, von der Universität Stockholm und des Paläontologischen Instituts Moskau haben jetzt zusammen mit Kollegen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (AdW) Mainz und des GEOMAR | Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel herausgefunden, dass während der jüngsten Eiszeit zwischen 50'000 und 11'000 Jahren vor heute die Temperaturen des arktischen Meerwassers in Tiefen zwischen 1000 und 2500 Metern nicht niedriger, sondern höher waren als heute.

"Das hätten wir so nicht erwartet, denn während der Eiszeiten waren die Wassertemperaturen in den Ozeanen generell niedriger als heute", sagt der Geologe Dr. Robert Spielhagen, der für die AdW Mainz am GEOMAR forscht und zu den Autoren der Studie gehört. Sie erscheint jetzt online in der internationalen Fachzeitschrift "Nature Geoscience".

Für die Rekonstruktion der eiszeitlichen Wassertemperaturen nutzten die beteiligten Wissenschafter die Schalen fossiler Muschelkrebse (Ostrakoden), die sie in insgesamt 31 Sedimentkernen aus dem gesamten Arktischen Ozean von der Barents- bis zur Grönlandsee fanden. "Diese nur wenige Millimeter grossen Krebse leben in den Wassertiefen, die uns interessierten. Wenn sie sterben, lagern sich ihre Kalkschalen am Meeresboden ab.

Aus dem Verhältnis von Magnesium und Calcium in ihren Schalen lassen sich gut die Wassertemperaturen zu Lebzeiten der Krebse abschätzen", erklärt Dr. Henning Bauch, ebenfalls Autor der neuen Studie und Mitarbeiter der AdW Mainz am GEOMAR in Kiel.

Mit zwei bis vier Grad waren die Temperaturen der untersuchten Wasserschichten demnach während der letzten Eiszeit etwa doppelt so hoch wie heute. Eine besonders intensive Erwärmung fanden die Forscher ausgerechnet während oder knapp vor grossen, mehrere tausend Jahre andauernden Kälteeinbrüchen. Modellrechnungen deuten darauf hin, dass diese Temperaturentwicklung mit dem geringeren Süsswasserzufluss in den Arktischen Ozean zusammenhing. "Das Süsswasser war damals zum grossen Teil in Eis gebunden, während verhältnismässig warmes Atlantikwasser weiter in den Arktischen Ozean strömte", erklärt Dr. Bauch, "dadurch hat sich die Schichtung des Ozeans verändert und in den entsprechenden Wassertiefen kam es zu höheren Temperaturen".

Solch eine Erkenntnis hat auch Auswirkungen auf die Betrachtung aktueller Veränderungen in den nördlichen Polargebieten. "Heute gibt es in etwa 200 bis 300 Metern Tiefe eine Grenze zwischen dem süssen, kalten Oberflächenwasser und dem salzigen, wärmeren Tiefenwasser. Das kalte Oberflächenwasser dient als Isolierschicht für das Meereis. Wird sie durchlässiger, könnte das den Verlust an Meereis noch weiter beschleunigen", betont Dr. Spielhagen.

Für die Wissenschaftler sind die neuen Ergebnisse vor allem ein Beleg dafür, dass der Arktische Ozean noch viel empfindlicher auf verschiedene Klimaänderungen reagiert als bisher vermutet. "Noch vor 20 Jahren ging man davon aus, dass in den von einer dicken Eiskappe bedeckten Polarregionen während der Eiszeiten sehr stabile Umweltbedingungen geherrscht haben," erklärt Dr. Bauch, "das war offensichtlich nicht so. Wahrscheinlich werden auch die Reaktionen auf den aktuellen Wandel komplexer ausfallen, als wir uns das bisher vorstellen."

Originalarbeit:

Cronin, T. M., G. S. Dwyer, J. Farmer, H. A. Bauch, R. F. Spielhagen, M. Jakobsson, J. Nilsson, W. M. Briggs Jr, A. Stepanova (2012): Deep Arctic Ocean warming during the last glacial cycle. Nature Geoscience, http://dx.doi.org/10.1038/NGEO1557

Quelle: Text GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,, August 2012

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