Für einen wirkungsvollen Hochwasserschutz muss der Entlastungsstollen frühzeitig in Betrieb genommen werden. Dies geschieht gemäss dem provisorischen Betriebsreglement. Dieses bezweckt, bevorstehende Hochwasser möglichst früh zu erkennen und den Thunersee in Risikosituationen optimal zu regulieren. Regulierung
im Normalbetrieb
Im Normalbetrieb wird der Thunersee mit der Mühle- und der Scherzligschleuse reguliert. Dies geschieht heute nach dem Regulierreglement von 1998 und der befristeten Ausnahmebewilligung vom 8. März 2006.
Das Betriebsreglement Ein Hochwasser droht, sobald die Zuflüsse in den Thunersee mehr Wasser bringen als in Thun abfliessen kann. Bei dieser Ausgangslage bildet der Entlastungsstollen ein zusätzliches Tor für die Thunersee-Regulierung. Der Stollen wird nur in Hochwasser-Risikosituationen in Betrieb genommen, und auch immer erst, wenn die Mühle- lnd die Scherzligschleuse bereits vollständig geöffnet sind. Wie ist ein drohendes Hochwasser zu erkennen? Eine entscheidende Voraussetzung für den effizienten Einsatz des Entlastungsstollens ist die möglichst frühe Erkennung eines drohenden Hochwassers. Um sie zu gewährleisten, definiert das neue Betriebsreglement die aussagekräftigen Kriterien und Schwellenwerte, die ein drohendes Hochwasser anzeigen können (Systematik der Entscheidungskriterien), und legt die Regulierung in diesen Risikosituationen fest. Das
Erreichen von Schwellenwerten führt zu den die Gefahrenstufen ORANGE
(Hochwassergefahr erkannt) und ROT
(Akute
Hochwassergefahr erkannt).
Die Kriterien für die Erkennung einer Hochwassergefahr sind: Wassersättigung des Bodens (Beurteilung anhand der Niederschläge der vorangehenden 20 Tage) Meteowarnung etwa 2 Tage im Voraus Aktuelle Niederschlagsmengen im Einzugsgebiet etwa eineinhalb Tage im Voraus Anstieg der Zuflüsse in höheren Lagen des Einzugsgebiets (Lütschine, Kander, Simme) ca. 1 Tag vor der Hochwasserspitze Anstieg der Zuflüsse in tiefen Lagen (Aare Ringgenberg, Kander, Simme, Lombach) ca. 12 Stunden vor der Hochwasserspitze Veränderung des Seepegels ca. 4 Stunden vor dem Hochwasser Die Schneeschmelze kann die Hochwassersituation zusätzlich verschärfen. Daher werden im Frühjahr regelmässig die Schneebedeckung, die Schneehöhe und die im Schnee gespeicherte Wassermenge bestimmt. Das Erreichen der Gefahrenstufen SCHNEE ORANGE und SCHNEE ROT kann sogar zu noch stärkerem Absenken des Sees auf 557.60 m ü. M., respektive 557.45 m ü. M. führen. Steuerung mit dem Entlastungsstollen Die Steuerung des Entlastungsstollens erfolgt aus Sicherheitsgründen soweit wie möglich automatisch. Die Schwellenwerte und Kombinationen der Kriterien "Seestand", "Zuflussmenge", "Bodensättigung" und "Steigerung Zuflussmenge" fliessen in eine Steuerung ein, das seit April 2009 betriebsbereit ist. Prüfen des Betriebsreglements Aufgrund der Daten der Jahre 1999 bis 2005 war es auch möglich, den Betrieb des Entlastungsstollens anhand der bereits vergangenen Hochwasser zu beurteilen. Dementsprechend wurde das Betriebsreglement auf seine Zuverlässigkeit hin geprüft. Folgende Ziele wurden dabei verfolgt: Das Warnsystem muss ein drohendes Hochwasser rechtzeitig erkennen. Der Thunersee darf nicht über die Hochwassergrenze von 558.30 m ü. M. steigen. Der Abfluss der Aare darf in Bern nicht mehr als 440 m3/s betragen. Das System soll möglichst keinen Fehlalarm auslösen.
Diese Simulationen ergaben für die Jahre 1999 bis 2005 folgende Erkenntnisse: Der Stollen wäre pro Jahr durchschnittlich während 312 Stunden (oder 13 Tagen) in Betrieb gewesen. Der Stollen wäre pro Jahr durchschnittlich 2.6 Mal geöffnet worden. Alle fünf Hochwasserereignisse zwischen 1999 und 2005, bei denen die Hochwassergrenze des Thunersees überschritten worden ist, wären zuverlässig angekündigt worden. Mit dem Entlastungsstollen wäre der Thunersee nur bei den Extremereignissen von 1999 und 2005 über die Hochwassergrenze von 558.30 m ü. M. gestiegen. Mit dem Entlastungsstollen wäre die Abflusskapazität der Aare in Bern von heute 440 m3/s ebenfalls nur bei den Extremhochwasserereignissen 1999 und 2005 in gleichem Ausmass wie ohne Stollen überschritten worden Von 1999 bis 2005 wäre es pro Jahr 1 bis 2 Mal zu Fehlalarmen gekommen. Regulierung in der Praxis Von der Zentrale in Bern aus reguliert das AWA den Einsatz des Entlastungsstollens. Dort laufen die Messdaten der Wetter-, Abfluss- und PegelÜberwachung zusammen.
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