Die vom Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob) sowie dem Bildungsforscher Ernst Trachsler durchgeführte Untersuchung bestätigt weitgehend die bereits vom Kanton Zürich im Jahre 2000 veröffentlichten Ergebnisse einer Arbeitszeituntersuchung: Lehrpersonen leisten zum Teil beträchtliche überstunden. Forneck und Schriever (2001) befragten Lehrpersonen des Kantons Zürich vom Kindergartenbis hin zur Mittelschule und Berufsschule. Ausgewertet wurden die Arbeitzeitprotokolle von 2299 Lehrpersonen, was einem Rücklauf von 17%33 entspricht. Die Vergleichbarkeit ist durch unterschiedliche Kategorisierungen (Pensen) erschwert, aber dennoch können zusammenfassend einige Aspekte festgehalten werden. Das Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob) hält in seinem Bericht u.a. fest, dass die überzeiten der Lehrpersonen des Kantons Aargau leicht über denjenigen der Lehrpersonen des Kantons Zürich liegen. Der Bericht des Instituts beleuchtet interessante Hintergründe. Schulpraktiker und Schulpraktikerinnen erkennnen in den Darstellungen und Folgerungen ihren eigenen Schulalltag wieder. Bei rund einem Fünftel der befragten Lehrpersonen wurden burnout-relevante Anzeichen von emotionaler Erschöpfung (Burnout) festgestellt. Wir empfehlen den Bericht zum weiteren Studium. In einem ersten Fazit zur Arbeitszeit- und Belastungsstudie hat Regierungsrat Rainer Huber, Vorsteher Departement Bildung, Kultur und Sport Aargau, angedeutet, dass die Rahmenbedingungen für Lehrpersonen auf das Schuljahr 2010/2011 hin möglicherweise geändert werden könnten.
Der Vergleich mit den Arbeitszeitanteilen aufgrund der Hochrechnung der erfassten Arbeitszeiten zeigt, dass die Unterrichtszeit mit 43% eindeutig tiefer liegt als im Arbeitszeitmodell des BKS (60%). Die frei gestaltbare Arbeitszeit (unterrichtsbezogene, schülerinnen- /schülerbezogene und systembezogene Tätigkeiten sowie persönliche Weiterbildung) hingegen liegt mit 45% eindeutig über dem Arbeitszeitanteil gemäss des Arbeitszeitmodells des BKS (30%). Die gemeinsame Arbeitszeit liegt mit 8% im vom BKS angenommenen Rahmen (max. 10%). Der Vergleich der JAZ der verschiedenen Pensenkategorien zeigt, dass die JAZ mit abnehmendem Pensum deutlich steigt. Die JAZ von Vollzeitbeschäftigten beträgt 2011 Stunden. Dieser IST-Wert steht einem SOLL-Wert von 1950 Stunden gegenüber. Vollzeitbeschäftigte leisten im Jahr 2008 somit durchschnittlich 61 überstunden. Die hochgerechnete Arbeitszeit entspricht 103.13% der Soll-Arbeitszeit. Lehrpersonen mit einem Pensum von 41-60% leisten am meisten überzeit von allen Lehrpersonen. Die hochgerechnete Arbeitszeit entspricht 147.91% der Soll-Arbeitszeit. Lehrpersonen, welche zu einem Pensum unter 41% unterrichten leisten 146.15% der Soll-Arbeitszeit. Zwischen der Belastung durch administrative schulbezogene Pflichten (z.B. Verwaltung von Sonderräumen, Korrespondenz, EDV-Verantwortung) und der Gesamt-JAZ sowie der Belastung durch ausserunterrichtliche schulbezogene Pflichten (z.B. Integrations- bzw. Migrationsarbeit, Qualitätssicherungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit usw.) besteht ein signifikanter Zusammenhang. Lehrpersonen, die eine hohe Belastung durch administrative schulbezogene Pflichten angeben, verfügen aber auch über ein prozentual höheres Arbeitspensum als Lehrpersonen, die weniger durch administrative schulbezogene Pflichten belastet sind. Lehrpersonen, die sich durch die Beurteilung von Schülerinnen/Schülern (z.B. Erstellen von Berichten und Zeugnissen, Beurteilungsgespräche, Prüfungsabnahmen) stärker belastet fühlen, verfügen aber auch über ein prozentual höheres Arbeitspensum als Lehrpersonen, die weniger durch die Beurteilung von Schülerinnen/Schülern belastet sind. Hohe Belastungen bei 'Erwartungen unterschiedlicher Personen gerecht werden', 'Koordinierung von beruflichen und ausserberuflichen Verpflichtungen', 'ausserunterrichtliche kollegiums- und schulbezogene Pflichten', 'Heterogenität der Klasse'. Bei fast allen oben genannten Belastungen fühlen sich Fachlehrpersonen signifikant weniger belastet als Klassenlehrpersonen. Lehrpersonen mit einem Pensum unter 40% nehmen im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten eine signifikant höhere Belastung durch die Koordination von beruflichen und ausserberuflichen Verpflichtungen wahr - sie fühlen sich aber weniger durch administrative schulbezogene Pflichten, ausserunterrichtliche schulbezogene Pflichten belastet. Je höher das Pensum einer Lehrperson, desto grösser ist die Gefahr quantitativer überforderung. Lehrpersonen der Bezirksschule geben eine signifikant höhere Belastung durch die Klassengrösse sowie die Ausübung der Klassenlehrerfunktion an als andere Schultypen/-stufen. Des weiteren unterscheiden sich Lehrpersonen der Bezirksschule in mehreren Belastungsaspekten signifikant von Kindergartenlehrpersonen: so fühlen sich Lehrpersonen der Bezirksschule signifikant höher belastet durch Neuerungen/Reformen, die Ausübung der Klassenlehrerfunktion, das Organisieren und Durchführen von speziellen Schul- und Klassenaktivitäten und administrative schülerbezogene Aufgaben. Lehrpersonen des Kindergartens sind durch die Anzahl Pflichtlektionen, erzieherische Aufgaben sowie die Ausübung der Klassenlehrerfunktion weniger belastet als andere Schultypen/- stufen. Kindergartenlehrpersonen wie auch Primarschullehrpersonen sind weniger belastet durch administrative, schülerbezogene Pflichten als Lehrpersonen der Sekundarschule, Realschule und Bezirksschule. Je höher der Migrationsanteil an einer Schule, desto höher die Gesamtbelastung. Je höher das Qualifikationspotenzial, desto geringer die empfundene Gesamtbelastung. Je grösser die Partizipationsmöglichkeiten, desto geringer die empfundene Gesamtbelastung. Je mehr Gratifikation (Achtung und Anerkennung), desto geringer die empfundene Gesamtbelastung. Achtung und Anerkennung aus dem beruflichen Umfeld halten nur 4% der Lehrpersonen für stark vorhanden, 32%, fühlen sich ziemlich gut belohnt, 42% erfahren eine mittelmässige und 12% der Lehrpersonen erleben wenig Belohnungen im Beruf. Je ausgeprägter die prozedurale Gerechtigkeit, desto geringer die empfundene Gesamtbelastung. Am häufigsten genannte Veränderungswünsche: Kleinere Klassengrössen, weniger Reformen oder Reformen schrittweise (nicht alles auf einmal), weniger Pflichtstunden bzw. eine Pensenreduktion (v.a.) Hohe Korrelationen zwischen emotionaler Erschöpfung und der empfundenen Gesamtbelastung sowie reaktivem Abschirmen und der empfundenen Gesamtbelastung. 31% der Lehrpersonen haben eine sehr grosse Arbeitsfreude, 57% empfinden überwiegend Arbeitsfreude und 9% geben "teils-teils" an. Nur vier Personen empfinden überwiegend keine Arbeitsfreude. Die Ergebnisse zur individuellen Selbstwirksamkeit zeigen, dass die Lehrpersonen insgesamt ein ziemlich hohes Selbstwirksamkeitserleben aufweisen. 6% aller Lehrpersonen berichten ein sehr hohes und 60% ein eher hohes Selbstwirksamkeitserleben. Für das kollektive Selbstwirksamkeitserleben zeigt sich, dass 20% der Lehrpersonen ihr Kollegium als sehr kollektiv selbstwirksam erleben. 55% der Lehrpersonen schätzen die kollektive Selbstwirksamkeit "überwiegend" hoch ein. Relevante Ergebnisse aus den Interviews Die JAZ ist aus Sicht der meisten Lehrkräfte nicht realistisch: Die tatsächliche Arbeit liegt darüber. Die Definition dessen, was als "Arbeitszeit" zählt, bereitet Schwierigkeiten. Es gibt wenig Erfahrung mit einer systematischen Zeiterfassung. Lehrpersonen mit Teilpensen beklagen die überproportionale Belastungen durch Zusatzaufgaben. Aufgrund der hohen Belastung können sich nur wenige Lehrpersonen vorstellen, bis zu ihrer Pensionierung Vollzeit zu arbeiten. Vielen Lehrkräften ist der offizielle Berufsauftrag nicht bekannt. Sie orientieren sich an Lehrplänen, Lehrmitteln, Schulleitbildern u.a.. Die Lehrpersonen sehen ihre eigentliche Aufgabe darin zu unterrichten. Gleichzeitig sehen sie sich wachsenden Belastungen durch Erziehungsdefizite, Teamarbeit, Schulentwicklung, Eltern oder auch Administration ausgesetzt. Das Kerngeschäft gerät unter Druck.
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